Steuerrecht reformieren Steuergesetze nachbessern
(Berlin) - "Der Mittelstand darf nicht weiter durch die unklare Steuersituation verunsichert werden. Mehrere Steuergesetze und keiner weiß, was passiert", so die kurze Formel des Präsidenten der Bundessteuerberaterkammer, StB/WP Dr. Klaus Heilgeist, am 4. November bei der Berliner Presserunde seiner Organisation. Statt mit hausgemachter Steuerhektik für Steuerverdrossenheit zu sorgen, wäre ein einziges und rechtzeitig verkündetes Steuergesetz pro Jahr der angemessene Weg zu mehr Planungssicherheit.
"Wir brauchen den Befreiungsschlag", erklärte Dr. Heilgeist zudem in Richtung der jüngsten Vorschläge für eine radikale Steuerreform. Angesichts der desolaten Haushaltslage dürfe auf den großen Wurf aber nicht tatenlos gewartet werden. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer plädiert dafür, bis zu einer durchgreifenden Reform den Weg der kleinen Steuervereinfachungsschritte konsequent zu gehen.
Auf die zahlreichen noch zu entschärfenden Probleme in den aktuellen Gesetzesvorlagen wies StB/WP Gerhard Flock hin. "Die steuersystematischen Mängel werden die Wirtschaft weiter abwürgen, konstatierte der Vizepräsident der Bundessteuerberaterkammer, die eine Reihe von Einzelfragen auflistet, u. a.:
Mindestbesteuerung (§ 10 d Abs. 2 EStG)
Ein Verlust soll nur noch zur Hälfte mit künftigen Gewinnen verrechnet werden können. Dies wirkt wie eine Zusatzsteuer bei Unternehmen, deren Ergebnisse ins Minus schwanken. Es werden Scheingewinne besteuert, die wirtschaftlich nicht entstanden sind. Eine ausgesprochene Wachstumsbremse wäre die Konsequenz. Die Mindestbesteuerung sollte aufgegeben werden.
Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8 a KStG)
Der neue § 8 a KStG verkennt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zudem werden über das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung bei Inlandsfällen fiktive Steuerbemessungsgrundlagen geschaffen, die zu einer erheblichen, ungerechtfertigten Steuerbelastung von Finanzierungen und Nutzungsüberlassungen führen. Auch diese Regelung wäre eine besondere Wachstumsbremse, die zu einer Umwandlung der Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen zwingt.
Rechnungsangaben für Umsatzsteuerzwecke (§§ 14, 15 UStG)
Als Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug werden erweiterte Rechnungsangaben gefordert, die vollständig und richtig sein müssen. Die Richtigkeit kann der Rechnungsempfänger jedoch regelmäßig nicht nachprüfen, was besonders bei der anzugebenden Steuernummer und der neuen fortlaufenden Nummerierung der Rechnung gilt. Auf die Angabe der Steuernummern und die Voraussetzung der Richtigkeit für den Vorsteuerabzug sollte verzichtet werden.
Umsatzsteuerhaftung bei Forderungsabtretungen (§ 13 c UStG)
Die geplante Haftung des Abtretungsempfängers einer Forderung für die in dieser Forderung enthaltene Umsatzsteuer verlagert das Insolvenzrisiko des leistenden Unternehmers auf den Abtretungsempfänger. Damit wird ein Insolvenzvorrecht für den Fiskus geschaffen, das durch die Insolvenzordnung gerade abgeschafft wurde. Vor allem aber kommt es zu einer erheblichen Schmälerung des Abtretungsvolumens als Sicherungsmittel der Unternehmen, weil der Abtretungsempfänger in Höhe der Umsatzsteuer die Forderungsabtretung nicht als Sicherungsmittel akzeptieren würde. Dies beeinträchtigt die Kreditversorgung der Wirtschaft.
Elektronische Übermittlung der Lohnsteuerangaben (§§ 41 b, 52 Abs. 52 b EStG)
Auf kleine Arbeitgeber können durch die ab dem 1. Januar 2006 vorgesehene Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Lohnsteuerangaben unverhältnismäßige Belastungen durch die EDV-Beschaffung oder -umstellung zukommen. Ein Wahlrecht zur Beibehaltung der Lohnsteuerbescheinigung in Papierform über den 31. Dezember 2005 hinaus würde Abhilfe schaffen.
Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft (§ 13 b UStG)
Die Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft bei Bau- und Reinigungsleistungen führt zu einer weiteren Durchbrechung der Umsatzsteuersystematik. Dass in diese Regelung z. B. auch Reinigungsleistungen für den privaten Bereich einbezogen werden sollen, hat zur Folge, dass Steuerbürger Umsatzsteuer schulden, die zuvor nie mit Umsatzsteuer zu tun hatten. Dieses gilt z. B. für einen angestellten Apotheker, der im Jahr zwei Fachartikel publiziert und für seinen häuslichen Bereich Reinigungsleistungen in Anspruch nimmt. Die Regelung führt zu massivem Mehraufwand bei den Betroffenen und der Finanzverwaltung. Sie sollte aufgegeben oder auf große Unternehmen beschränkt werden.
Umsatzpauschalierung für Land- und Forstwirte (§ 24 UStG)
Die Umsatzsteuerpauschalierung für Land- und Forstwirte ist eine bewährte Steuer-vereinfachungsmaßnahme, durch die das Umsatzsteueraufkommen höher ist, als wenn alle Landwirte die sogenannte Regelbesteuerung anwenden würden. Durch die Abschaffung der Pauschalierung bzw. durch die Absenkung des Pauschalsatzes von 9 Prozent auf 7 Prozent kommt es zu Mindereinnahmen des Staates und zu erheblicher zusätzlicher Bürokratie bei den Land- und Forstwirten und in der Finanzverwaltung.
Gemeindewirtschaftssteuer
Mit der Gemeindewirtschaftssteuer drohen ca. 2,1 Millionen zusätzliche Steuerbescheide und rund 700.000 zusätzliche Steuerveranlagungen. Neben der widersprüchlichen Einbeziehung von Freiberuflern und der Substanzbesteuerung durch die verschärfte Besteuerung ertragsunabhängiger Elemente wie z. B. Mieten und Zinsen soll die Gemeindewirtschaftssteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig sein. Sachgerechter wäre als Sofortmaßnahme die Senkung der Gewerbesteuerumlage und ggf. eine Anhebung des Umsatzsteueranteils der Gemeinden, mittelfristig ein kommunales Zuschlagrecht zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Alle, die von den kommunalen Leistungen profitieren, müssen auch dazu beitragen.
Steueramnestie
Nur wer sicher weiß, wie sein Kapital zukünftig in Deutschland besteuert wird, wird es ins Inland zurückführen. Statt mit Diskussionen über eine Erhöhung der Erbschaftsteuer oder die Wiederbelebung der Vermögensteuer Rechtsunsicherheit zu schaffen, kommt es auf klare Regelungen für eine Abgeltungssteuer und deren zeitgleiche Einführung mit der Steueramnestie an.
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