EMI: Lieferprobleme verhindern stärkeres Wachstum der Industrieproduktion
(London/Eschborn) - Die anhaltenden Lieferengpässe haben dem Industriesektor in Deutschland auch im letzten Monat des abgelaufenen Jahres zu schaffen gemacht. Das zeigt der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI). Mit 57,4 Punkten blieb der wichtige Konjunktur-Frühindikator für die größte Volkswirtschaft Europas im Dezember gegenüber dem Vormonat unverändert und damit auf dem tiefsten Wert seit Januar 2021.
Bei den Vorlaufzeiten gingen die Verzögerungen jedoch auf den niedrigsten Stand seit Januar 2021 zurück, was zu einer etwas höheren Produktionssteigerungsrate führte. Nichtsdestotrotz sind die Bedingungen bei der Materialbeschaffung nach wie vor so schwierig wie selten zuvor in der EMI-Umfragegeschichte, weshalb zahlreiche Hersteller den Aufbau von Sicherheitsbeständen weiter vorantrieben.
"Der anhaltende Mangel an Rohstoffen und Produktionsmaterial belastet die Industrieproduktion in Deutschland weiter", betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Donnerstag in Eschborn. Mit Blick auf den EMI-Teilindex Produktion, der den zweiten Monat in Folge marginal zulegen konnte, seien erste vorsichtige Anzeichen für eine mögliche Entspannung erkennbar. Allerdings hänge nach wie vor viel von einer Verbesserung der noch immer angespannten Liefersituation ab.
"Neues Jahr, aber alte Themen: Lieferprobleme sowie steigende Preise. Die Stimmung der Unternehmen in der deutschen Industrie leidet darunter. Aber mittlerweile müssen sich die Unternehmen auf den demographischen Wandel einstellen", kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Donnerstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Diejenigen Unternehmen, die im Laufe dieses Jahres wieder mit volleren Auftragsbüchern rechnen, stellen jetzt bereits ein. "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wenn irgendwann das Thema Corona keine große Rolle mehr spielen sollte, wird das strukturelle Problem des Fachkräftemangels durchschlagen. Dann wird das Problem Materialmangel durch Personalmangel abgelöst", fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
"Die gegenwärtigen Umfragen deuten darauf hin, dass sich die Belastungen für die Unternehmen auf das Winterhalbjahr 2021/22 konzentrieren sollten. Alle Zeichen deuten derzeit auf eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts in dieser Zeit hin", sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Donnerstag dem BME. Danach dürfe man auf eine erste Entspannung bei den Engpässen, eine Verdauung des Energiepreisschocks und ein witterungsbedingtes Abebben der Corona-Wellen hoffen, sodass das Sommerhalbjahr eine spürbare Erholung bringen werde.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Donnerstag dem BME folgende Einschätzung: "Der Start in das Jahr 2022 ist weiter von einer knappen Marktversorgung bei vielen Rohstoffen geprägt. Die Jahresschlussnotierungen der börsennotierten NE-Metalle waren unverändert auf hohem Niveau. Bei Aluminium und Nickel sind die Börsenbestände weiter abgeschmolzen, was für die nächsten Monate die Preise hochhalten dürfte. Auch Rohöl und Erdgas bleiben weiter auf einem hohen Preisniveau. Dies belastet im ersten Halbjahr unverändert die Industrie."
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Wie schon in den vergangenen Monaten fiel die Produktionsrate auch im Dezember 2021 verhalten aus. Der saisonbereinigte Teilindex verbesserte sich zwar leicht, blieb aber nahe dem 16-Monatstief von Oktober und signalisierte damit lediglich moderates Wachstum. Obwohl es erste Anzeichen der Entspannung gab, leidet die Fertigung vielerorts nach wie vor unter dem Materialmangel. Im Konsumgüterbereich sorgten die wieder eingeführten Restriktionen gegen Covid-19 für zusätzlichen Gegenwind.
Auftragseingang: Das Plus beim Auftragseingang fiel so gering aus wie seit Beginn des Aufschwungs im Juli 2020 nicht mehr. Lieferengpässe seitens der Kunden und die dadurch gedrosselte Produktion waren nach Einschätzung der Befragten vielfach ein Grund für die schwachen Zuwächse. Wo ein Anstieg verzeichnet wurde, lag dies meist an der noch intakten Nachfrage in diesem Bereich. Daneben gab es auch Berichte, dass Kunden bewusst mehr bestellten, um auf zukünftige Versorgungsprobleme vorbereitet zu sein.
Auftragseingang Export: Die Neuaufträge aus dem Ausland stiegen im Dezember 2021 so geringfügig an wie seit 18 Monaten nicht mehr. Dabei zeigten sich bei den Teilsektoren gegensätzliche Trends. Während die Hersteller von Investitionsgütern starke Zuwächse verbuchten, schlug im Konsumgüterbereich ein Minus zu Buche. Der Vorleistungsgüterbereich rangierte dazwischen und verzeichnete ein leichtes Plus.
Jahresausblick: Die Zuversicht der Hersteller hat sich zum Jahresende weiter aufgehellt. Der entsprechende Teilindex verbesserte sich erneut vom 14-Monatstief im Oktober und kletterte auf den höchsten Wert seit August. Allerdings notierte er immer noch deutlich unter seinem Durchschnitt von 2021. Im Großen und Ganzen rechnen die meisten Einkaufsmanager damit, dass sich die Nachfrage über die kommenden zwölf Monate weiter erholen wird und die Probleme in den Lieferketten nachlassen.
Einkaufspreise: Der Kostendruck in der Industrie bleibt hoch. Zwar ging der saisonbereinigte Teilindex leicht auf ein Achtmonatstief zurück, notierte aber immer noch höher als je zuvor in der EMI-Umfrage-Geschichte vor Mai 2020. Vor allem der Einfluss höherer Energie- und Transportkosten wurde von den Befragten als Grund für den jüngsten Anstieg angeführt. Daneben verteuerte sich auch eine ganze Reihe von Rohstoffen, Komponenten (insbesondere Elektronik, Metalle und Kunststoffe) und Verpackungsmaterialien.
Verkaufspreise: Höhere Einkaufspreise führten im Dezember 2021 erneut dazu, dass viele Hersteller ihre Verkaufspreise anhoben. Obwohl die Inflationsrate im Vergleich historischer Daten weiterhin hoch blieb, gab sie deutlich nach und sackte vom Rekordhoch im November auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten ab. In allen drei von der Umfrage erfassten Teilbereichen wurden weniger starke Steigerungen verzeichnet.
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