EMI auch im Dezember deutlich unter 50-Punkte-Wachstumsschwelle
(London/Eschborn) - Das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland hat 2023 tief in der Schrumpfungszone beendet. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass der absolute Tiefpunkt bereits durchschritten wurde. Die von S&P Global erhobenen aktuellen Daten zum HCOB Einkaufsmanagerindex (EMI) zeigen im Dezember 2023 zwar etwas kräftigere Einbußen bei Produktion und Beschäftigung. Dagegen setzten die mehr zukunftsgerichteten Indizes der Umfrage ihre Aufwärtstrends fort. Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland stieg im Dezember 2023 zwar den fünften Monat hintereinander an, blieb jedoch mit 43,3 Punkten (42,6 im Vormonat) erneut deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50,0, teilte der US-amerikanische Finanzdienstleister S&P Global weiter mit.
"Wie die Industrie der Eurozone tritt auch das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland auf der Stelle. So lag der deutsche Einkaufsmanagerindex im Dezember 2023 erneut deutlich unter der 50-Punkte-Wachstumsschwelle. Damit scheint eine echte Trendwende vorerst nicht in Sicht", betonte BME-Bundesvorstandsvorsitzende Gundula Ullah. Es bleibe unter anderem abzuwarten, wann die Industriekunden ihre Kaufzurückhaltung ändern, geopolitische Unsicherheiten abnehmen, die hohen Energiekosten sinken und die schwache Baukonjunktur wieder anspringt.
"Es geht bergauf - wenn auch langsam. Der EMI macht deutlich, dass die aktuelle Lage noch schlecht ist, aber im nächsten Jahr sollte sich die deutsche Konjunktur bessern. Dazu trägt insbesondere der Rückgang der Inflationsraten bei", kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. In Kombination mit dem Rückgang der Zinsen werde es 2024 in Deutschland endlich wieder Wachstum geben - trotz der schwierigen politischen Rahmenbedingungen. "Strukturelle Reformen halten sich noch sehr in Grenzen. Da ginge noch mehr. Insbesondere ein Abbau der Bürokratie würde den Unternehmen helfen und den Standort Deutschland attraktiver machen", fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
"Es wird wohl im vierten Quartal 2023 eine erneute Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts geben und nur eine zaghafte Erholung zu Beginn des kommenden Jahres", sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.
"Die Talsohle im Verarbeitenden Gewerbe scheint langsam erreicht, aber noch lange nicht durchschritten. Neben konjunkturellen Sorgen hat die Industrie auch handfeste strukturelle Probleme. So bewerten die Unternehmen in unseren Umfragen die Standortbedingungen hierzulande mittlerweile sehr negativ. Kein Wunder, dass private Investitionen nur zögerlich in Gang kommen. Lichtblick sind die sinkenden Erzeugerpreise", teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen dem BME mit.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dennis Rheinsberg, Direktor - Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: "Auch wenn die Preise einzelner Industrierohstoffe wie Kupfer oder einige Stahlsorten im Dezember 2023 leicht anzogen, ist insgesamt noch keine Umkehr des Trends zu erkennen. Mit dem neuerlichen Rückgang der Öl- und Gaspreise ist von der Rohstoffseite allerdings auch nur noch wenig Abwärtspotenzial für den EMI-Teilindex Einkaufspreise übriggeblieben. Hinzu kommt, dass mit dem Jahreswechsel einige Entlastungen bei den Energiekosten nicht mehr oder noch nicht greifen werden."
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Im Dezember 2023 wurde die Industrieproduktion etwas stärker zurückgefahren als zuletzt, wie der saisonbereinigte Teilindex mit einem Wert etwas unter dem 6-Monatshoch von November signalisiert. Die Drosselung fiel solide aus und erstreckte sich auf alle Industriezweige, wobei die Hersteller von Vorleistungsgütern erneut besonders hohe Einbußen hinnehmen mussten.
Auftragseingang: Der Abschwung in der gesamten Branche stand abermals in engem Zusammenhang mit den rückläufigen Auftragseingängen. Seit mittlerweile April 2022 geht die Zahl der Neuaufträge zurück, wofür eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich ist, darunter die Zurückhaltung der Kunden, die Unsicherheit an den Märkten sowie die schwächelnde Bauwirtschaft. Obwohl der Rückgang abermals kräftig war, schwächte er sich den vierten Monat in Folge ab und fiel so geringfügig aus wie seit April vergangenen Jahres nicht mehr.
Auftragseingang Export: Erneut war die schleppende Konjunktur in Europa einer der Hauptgründe für die enttäuschenden Umsatzzahlen im Export, wie einige EMI-Umfrageteilnehmer berichteten. Aber auch in Asien blieb die Nachfrage eher verhalten. Insgesamt schrumpften die Neuaufträge aus dem Ausland deutlich, wenngleich weniger stark als im Vormonat und so geringfügig wie seit acht Monaten nicht mehr.
Jahresausblick: Bei den Geschäftsaussichten setzte sich der steile Aufwärtstrend zum Jahresende fort. Der dritte Anstieg in Folge ließ den entsprechenden Teilindex zum ersten Mal seit letztem April wieder über die Referenzlinie von 50,0 Punkten klettern. Manager, die sich optimistisch zeigten, begründeten dies meist mit der sinkenden Inflation, der Tatsache, dass der Höhepunkt bei den Zinsanhebungen überschritten wurde und mit der Hoffnung, dass der Lagerabbauzyklus bald endet. Nichtsdestotrotz rangiert die Stimmung immer noch auf historisch niedrigem Niveau, da die hohen Energiekosten, knappe Budgets sowie die Rezession im Bausektor vielerorts für Kopfzerbrechen sorgen.
Beschäftigung: Der Stellenabbau im Verarbeitenden Gewerbe setzte sich im Dezember nicht nur fort, er nahm sogar Fahrt auf. Demnach schrumpfte die Beschäftigung so kräftig wie seit Oktober 2020 nicht mehr. Fast ein Fünftel der Befragten meldete eine niedrigere Beschäftigtenzahl, was oftmals mit der rückläufigen Auslastung begründet wurde. Bei den meisten Unternehmen wurden ausgeschiedene Mitarbeiter nicht ersetzt sowie befristete Verträge nicht verlängert, um den Personalbestand zu kürzen.
Einkaufspreise: Der saisonbereinigte Teilindex Einkaufspreise notierte auch im Dezember deutlich unter der Schwelle von 50,0 Punkten und signalisierte damit einen anhaltenden Abwärtsdruck auf die durchschnittlichen Kosten im Verarbeitenden Gewerbe. Auch wenn der aktuelle Wert der höchste seit acht Monaten und damit weit entfernt vom Allzeittief im Juli ist, entsprach er immer noch weitgehend dem Durchschnitt der aktuellen Deflationsphase, die letzten Februar begann. Viele Befragte berichteten, dass die Energie- und Rohstoffpreise weiter zurückgehen.
Verkaufspreise: Die Verkaufspreise sind am Jahresende nur minimal gesunken. Nachdem sich der Rückgang über das letzte Quartal hinweg verlangsamt hatte, fiel er nun so geringfügig aus wie nie zuvor in der seit sieben Monaten andauernden Reduzierungsphase. Während einige Hersteller angesichts des harten Wettbewerbs ihren Kunden Nachlässe gewährten, mussten andere Unternehmen ihre Preise aufgrund gestiegener Löhne und Transportkosten anheben.
Über den EMI: Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).
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