Verband & Tagung - VERBÄNDEREPORT 3 / 2014

Virtueller Projektraum - Mehr Transparenz bei der Durchführung von Kongressen und Tagungen

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Die Organisation von Kongressen und Tagungen wird immer komplexer. Die Spezialisierung der einzelnen Dienstleister und die Koordination der diversen Komitees und Mitwirkenden zwingen zu mehr Sitzungen, Meetings und Gesprächen. Ein Gesprächsprotokoll jagt das andere und die Mailing-CC-Listen werden immer umfangreicher, mit dem Ergebnis, dass am Ende die wichtigsten Dinge nicht da gelandet sind, wo sie hingehören. Die Überflutung von Informationen verhindert in vielen Fällen zeitgerechtes und nachhaltiges Projektmanagement.


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Virtueller Projektraum
Virtueller Projektraum

 

 

Bei einem durchschnittlichen wissenschaftlichen Kongress können ganz schnell bis zu 200 und mehr Beteiligte betroffen sein. Es beginnt mit dem inneren Organisationskreis, mit den Amtsträgern und Hauptverantwortlichen und setzt sich mit dem wissenschaftlichen Komitee fort. Der äußere oder auch externe Bereich, wie Kongressagentur, Kongresszentrum, Hotel oder Tagungslocation, Gastronomie, Sponsoren und Aussteller sowie deren Beauftragte wie z. B. Messebauer, Technikfirmen u.v.m., stellen die zweite Hauptgruppe im Organisationsaufbau dar. Die dritte Gruppe sind die Referenten, Präsentatoren und Chairmen. Die vierte, wissbegierige Gruppe sind die Teilnehmer. Diese vier Gruppen haben ein immer größeres Bedürfnis nach Information, Transparenz und Prozessaktualität. Jede dieser Gruppe arbeitet nach einem eigenen, in der Regel selbst gestrickten Projektmanagement. Die Koordination dieser Gruppen und die Vermittlung von Informationen, die für die eine Gruppe lebensnotwendig ist und für die andere „Informationsmüll“ darstellt, wird am Ende dadurch kompensiert, dass die Verantwortlichen quasi 24 Stunden am Tag erreichbar sein müssen und immer mehr Arbeitsstunden aufwenden. Was hier geschildert wird, ist nicht übertrieben, es ist leider Realität.

 

Veränderte Organisationsstrukturen erfordern neue Wege

 

Die Baubranche und die Techniker waren vor mehr als fünfzehn Jahren die Ersten, die versucht haben, durch ein rechnerunterstütztes Projektmanagement Ordnung in die Einzelprozesse und zeitlichen Abläufe zu bekommen. Auch hier veränderten sich die Produktionsstrukturen und die Diversifikation der Prozessschritte. Die damit rapide steigende Anzahl von Einzelfirmen und Spezialisten zwangen zu neuen Kommunikationsinstrumenten. MS-Project oder andere Projektmanagementprogramme reichten schon lange nicht mehr, um die notwendige Informationsflut an die entstehende große Zahl von Dienstleistern bzw. Beteiligten schnell und transparent zu transportieren.

 

Projekträume über Unternehmensgrenzen hinweg zu verbinden und Projektbeteiligte via Internet im Sinne einer stark gegliederten Organisation zu steuern war die entscheidende Forderung an die IT und Softwareentwickler. In der Zwischenzeit funktioniert dies in vielen Branchen, wie z. B. der Baubranche, hervorragend. Das Hauptziel dieser virtuellen Gemeinschaft der Dienstleister oder Produzenten ist die Schaffung von Prozessaktualität, Geschwindigkeit, Dokumentation, Transparenz sowie Rechtssicherheit und damit eine höhere Qualität sowie Kosten- und Zeitersparnis.

 

Übersetzt für die Kongress- und Tagungsbranche bedeutet dies, die hier im Vorfeld aufgezeigten Organisationsfehler oder präziser das „Improvisationschaos“ zu verringern. Die Prozesse und die große Anzahl an Beteiligten sind durch ein offenes Ordnungsschema zu strukturieren und den Prozessen aktiv zu beteiligen. Dies ist sicherlich leichter gesagt als getan.

 

 

Virtueller Projektraum: Transparenz und aktive Beteiligung am Planungs-prozess für alle

 

Die Nutzung eines virtuellen Projektraumes setzt voraus, dass die hauptverantwortliche Organisationseinheit – Verband oder Kongressorganisator (PCO) – und damit in der Regel der Auftraggeber sich genau dieser notwendigen Ordnungsregeln bewusst ist. Diese Ordnungs- bzw. Prozessabläufe heißt es transparent zu machen.

 

Hat man den Ehrgeiz und ist man sich der Notwendigkeit der Einführung eines solchen Instruments im Klaren, wird die notwendige Transparenz gegenüber den weiteren drei Nutzerkreisen zum Haupthindernis eines effektiven Einsatzes des virtuellen Projektraumes. Die drei weiteren Nutzerkreise sind einmal die Content-Erbringer (Wissenschaftliches Komitee, Referenten u. a.) die beteiligten Dienstleister (Hotel, Tagungszentrum, Technik u. a.) die Sponsoren, Aussteller und zum Schluss die vierte Gruppe, die Teilnehmer. Diese Nutzerkreise benötigen auf der einen Seite jeweils auf sie zugeschnittene Informationen, aber auf der anderen Seite Schnittmengen von Informationen anderer Nutzer.

 

All diesen Nutzergruppen gestattet man im virtuellen Projektraum begrenzt oder unbegrenzt, sich zu jeder Zeit Informationen abzurufen. Aber nicht nur dies, sondern sich auch aktiv am Planungsprozess zu beteiligen. Am Beispiel eines Referenten könnte dies so aussehen: Er kann sich jederzeit Informationen über die technischen Voraussetzungen, das Equipment, über seine Unterbringung, Anreise, Transfer, Verpflegung u. a. herunterladen. Er kann aber auch webbasiert seinen Vortrag einreichen, Wünsche äußern und sich im virtuellen Raum direkt mit seinem Chairmen oder Vor- und Nachredner in Verbindung setzen. Dieses direkte Einbringen von Daten und Planungselementen setzt eine klare Struktur voraus. Es setzt voraus, dass der Einzelne bereit ist, offen und ehrlich zu kommunizieren und nicht angstvoll auf sogenannte von ihm als „geheim“ eingestufte Vorgänge schielt.

 

Transparenz kontra Geheimhaltung. Aktualität kontra „wenn nicht heute, dann morgen“.

 

Der geforderte Grundsatz der Aktualität setzt termingerechtes Arbeiten voraus. Entscheidungen z. B. in Meetings sind unmittelbar zu kommunizieren und eine Protokollerstellung in einem Zeitraum von 14 Tagen und mehr kann sich im virtuellen Projektraum als ein kostspieliger Stolperstein auswirken.

 

Jeder im virtuellen Projektraum arbeitende Partner wird sich einer bestimmten Geschwindigkeit unterwerfen müssen und sich durch die Transparenz seiner eingebrachten Prozessteile sofort und unmittelbar dem Urteil der Beteiligten aussetzen. Dies führt zu einer erhöhten Qualität. Der Zwang zur Dokumentation führt gleichzeitig im Zeitalter der Juristen- und Controllerdominanz zu einer bisher nicht gekannten Rechtssicherheit. Die jeweilige und direkte Kommunikation von Zahlen und Beträgen führt zu einer permanenten Budgetüberwachung und damit zu Budgetsicherheit.

 

Branchen mit teilweise noch komplexeren Prozessen haben bewiesen, dass gerade in der Vorbereitung, Planung, Ausführung und Nachbereitung der virtuelle Projektraum zu dem entscheidenden Kommunikations- und Planungsinstrument geworden ist. Es lohnt sich, die inneren Widerstände, die Angst vor der Transparenz fallen zu lassen und auch bei der Organisation von Kongressen und Tagungen die in vielen Fällen schon vorhandene Planungsstruktur weiter auszubauen und entsprechend umzusetzen.

 

 

Es ist sicher kein kleiner Schritt, es ist aber sicher ein wichtiger Schritt. Ein Schritt, die eigene bisherige Organisation zu überdenken, ein schwerer Schritt, die eigenen Mitarbeiter von der Notwendigkeit zu überzeugen und zu motivieren, sich einheitliche Organisationsschemata anzugewöhnen und zu lernen, dass auch die Organisation von Kongressen und Tagungen in allererster Linie ein strukturierter Ablauf von Prozessen ist. In der Mitwirkung der Dienstleister und der Kunden und in der Einbringung dieses Know-hows entsteht jene Zeit, die derzeit fehlt, um die notwendige Kreativität der Inhalte zu entwickeln.

 

Gerade der Hinweis auf die notwendige Kreativität war in der Vergangenheit die klassische Ausrede, sich gegen Strukturen im Organisationsprozess zu wehren – man ist doch Künstler! Der Tsunami der Informationsflut, die Komplexität und die Koordination der immer größer werdenden Zahl einzelner Dienstleister lassen den „Künstler“ im wahrsten Sinne des Wortes ertrinken.

 

Michel Maugé

war über 23 Jahre lang Geschäftsführer der m:con – mannheim:congress GmbH. Er unterrichtet als Dozent und Lehrbeauftragter an einer Reihe von Fachhochschulen im süddeutschen Raum. Weiter ist er als Unternehmensberater für Kongressanbieter und Verbände tätig.


michel.mauge@congress-consult.cc

 

 

 

 

 

 

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