Die Zukunftsfähigkeit der Verbände hängt davon ab, ob Sie sich ihrer äußeren Umwelt entsprechend im Innern professionalisieren können. Der häufig angesprochene Ressourcenmangel (vor allem: Geld und Zeit) ist nicht das Hauptproblem. Die Entwicklung einer Organisation wird in der Regel durch schlechte Institutionen gehemmt. Lässt man diese Erkenntnis zu, dann stehen Verbände vor drei zentralen Herausforderungen: Erstens, Mitgliedergewinnung und -bindung; zweitens, Repräsentation der Mitgliederinteressen und drittens, effektive Zielverfolgung und Zielerreichung. Der vorliegende Artikel bietet zwar keine Patentlösungen an, gibt aber Hilfestellungen, die Probleme zu erkennen und mit ihnen umzugehen.
„Beratungsresistenz ist out“ glaubt Peter Radunski in seinem Vorwort zum Buch Politikberatung in Deutschland. Ein Blick in die Politikpraxis belegt, dass sich die politischen Institutionen und damit auch die einzelnen Akteure zunehmend professionalisieren, also Fachexpertise einkaufen, sobald sie an interne Grenzen stoßen. Die Öffentlichkeit steht der Politikberatung skeptisch gegenüber. Dieses Image wird vorrangig durch „Beratungsflops“ produziert. Dennoch ist eine sehr stark steigende Beratungstätigkeit in der Politik zu verzeichnen. Vor allem Parlamentarier nutzen die Politikberatung, um ihre eigenen Entscheidungen inhaltlich untermauern zu können. Durch die permanente Zunahme an Wissen und der damit verbundenen Komplexitätserhöhung von Entscheidungsprozessen, wächst der „Professionalisierungsdruck“ auf die Entscheidungsträger stetig.
Die Überwindung der Beratungsresistenz ist somit eine wesentliche Entscheidung der politischen Akteure, mit der sie auf diesen Druck reagieren. Wenn also die Entscheidungsebene im politischen System ihre Strukturen zunehmend professionalisiert, dann sind auch diejenigen, die versuchen Einfluss auf die Entscheider zu nehmen, gefordert Ihr Verhalten anzupassen. Wirtschaftslobbyisten sind bei diesem Vorgehen – im Vergleich zu Vertretern vielfältiger Verbandsinteressen – schon einen großen Schritt weiter. Viele Verbände leiden zunehmend darunter, dass sie diesem Professionalisierungsdruck nicht mehr standhalten können. Nur wenige Verbände schaffen es, die sich stetig erhöhenden Anforderungen anzunehmen und zu meistern. Die Frage nach dem Warum drängt sich deshalb auf: Warum schaffen es viele Verbände nicht, den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden?
Zunächst muss mit einem alten Irrglauben aufgeräumt werden: Oftmals wird ein Mangel an Geld dafür verantwortlich gemacht, dass sich eine Organisation nicht entsprechend weiterentwickeln könne. Mancur Olson hat dieses Paradigma in den 90er Jahren durch eine andere, treffendere Feststellung ersetzt: Nicht der Mangel an Geld ist für eine Unterentwicklung verantwortlich, sondern die Entwicklung einer Organisation wird in der Regel durch schlechte Institutionen gehemmt.
Diese Feststellung trifft nicht allein auf Verbände zu, aber bei der Lösung des Problems sind andere Institutionen oft einen Schritt weiter als Verbände. Politische Institutionen, wie Ministerien, Verwaltungen und Parlamente, kaufen sich bereits Fachberatung ein, um ihr institutionelles Defizit auszugleichen. Hier wirkt das breite Feld der Politikberater. Auch wirtschaftlich tätige Unternehmen bedienen sich schon seit Jahrzehnten der Dienstleistung externer Berater. Hier sind explizit die Unternehmensberater zu nennen. Es wäre allerdings zu einfach jetzt den Schritt aufzuzeigen, dass Verbände sich einfach beraten lassen können und dann sähe die Welt wieder rosig aus. Wie nachfolgend dargelegt wird, ist dazu das Phänomen „Verband“ viel zu komplex.
Grundlegend entsprechen Verbände jeglicher Art dem politikwissenschaftlichen Typus des „kollektiven Akteurs“; das heißt sie sind organisierte soziale Einheiten auf der Basis freiwilliger Zusammenschlüsse mit bestimmten Zielen und arbeitsteiliger Organisation. Sie vertreten im gesellschaftlichen und politischen Raum individuelle oder kollektive, materielle oder ideelle Interessen ihrer Mitglieder oder rechtfertigen ihr Handeln mit diesen. Alle kollektiven Akteure stehen nach Wiesenthal gleichermaßen vor drei Herausforderungen, um Ihre Existenz dauerhaft sichern zu können:
- Effektive Zielverfolgung,
- Mitgliederinteressen,
- Mitgliedergewinnung.
Auch unterscheiden sich kollektive Akteure hinsichtlich der Umsetzung und Bearbeitung dieser Herausforderungen. Wie sehen die einzelnen Ebenen der Verbandsaktivität konkret aus?
Effektive Zielverfolgung und Zielerreichung
Für die dritte Größe gibt Abbildung 1 einen Überblick über die verschiedenen (politischen) Einflusskanäle, durch die die einzelnen Verbände versuchen Ihre Interessen nachhaltig bei der Bundesregierung bzw. beim Bundestag zu platzieren. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei im Wesentlichen um parlamentarisches Lobbying handelt, bezogen auf „politische Verbände“. Darüber hinaus haben andere Arten von Verbände auch weitere, von den dargestellten Wegen zu unterscheidende Möglichkeiten der Zielerreichung und -verfolgung. Bei der Zielerreichung gibt es keinen Königsweg.
Viele Einflüsse durchlaufen „informelle“ Kanäle, so dass die Abbildung 1 nur schematisch das (Ein-) Wirken der Verbände auf politische Entscheidungsträger darstellen kann. Hinzu kommt, dass viele Entscheidungsträger aus der Politik gleichzeitig Funktions-träger innerhalb der Verbände sind, wenngleich die Zahl der Verbandsvertreter beispielsweise unter den Bundestagsabgeordneten von 58,1 Prozent in der Legislaturperiode 1983-87, auf 39,4 Prozent in der Legislaturperiode 1990-94 abgenommen hat. Neben den Politikern sind vor allem Referenten und Mitarbeiter der Abgeordneten, Ministerien und Fraktion wichtige Ansprechpartner, um als Verband Einfluss auf die politischen Entscheidungen zu nehmen. Diese Akteure sind einflussreiche „Gatekeeper“. Ihre Entscheidung verschafft einem Verband Zutritt zu einem Politiker – oder eben nicht.
Darstellung der Mitgliederinteressen
Diese zweite Dimension stellt im Kern die interne Willensbildung beziehungsweise Meinungsgewinnung dar. Um eine effektive Zielverfolgung zu gewährleisten, müssen die Einzelinteressen der Verbandsmitglieder mit dem kollektiven Ziel verknüpft werden, so dass sich jedes einzelne Mitglied repräsentiert sieht. Die Art und Weise, wie Mitgliederinteressen verbandsintern repräsentierbar sind, hängt sehr stark und entscheidend vom demokratischen Verbandsaufbau ab.
Mitgliedergewinnung und -bindung
Diese erste Ebene ist für die Zukunftsfähigkeit eines Verbandes von großer Bedeutung. Ohne Mitglieder sind keine finanziellen Ressourcen vorhanden. Ohne finanzielle Mittel hat der Verband keine Arbeitsmöglichkeit. Ohne Mitglieder ist auch politischer Druck nicht erzeugbar. Ohne politischen Druck ist keine Zielerreichung möglich. Kurz und knapp bedeutet das: Mitgliederbindung und -gewinnung ist das A und O jeglicher Verbandsaktivität!
In der Praxis ergeben sich vielfältige Probleme die drei Zielsetzungen miteinander zu verknüpfen. Es treten nach Stykow1 drei Dilemmata auf:
- Mitgliedergewinnung vs. Zielerreichung,
- Mitgliederbindung bzw. -gewinnung vs. Repräsentation der Mitglieder,
- Mitgliederrepräsentation vs. Zielerreichung.
Mitgliedergewinnung vs. Zielerreichung
Dieses Dilemma lässt sich zunächst auf das von Macur Olson 1968 skizzierte Problem der „Trittbrettfahrer“ reduzieren:
Verbände (vor allem die Verbandsführung) fühlen sich in Ihrer Existenz dadurch legitimiert, dass sie angeben, im Interesse und im Auftrag Ihrer Mitglieder zu handeln (Darstellung der Mitgliederinteressen). Nun kann man ein Nicht-Mitglied nicht zum Beitritt zwingen. Noch problematischer ist es, wenn der Verband ein (für die Branche) kollektives Gut zur Verfügung stellt – dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Zielerreichung erfolgreich ist; beispielsweise durch die Erarbeitung von Tarifverträgen oder anderen allgemeingültigen Regelungen. Ist dies gegeben, so ist der Anreiz, Mitglied zu werden, nicht hoch genug, weil man automatisch an den kollektiven Gütern partizipiert. Es müssen also Möglichkeiten gesucht werden, weshalb beispielsw0eise ein Unternehmen einem Berufsfachverband beitreten sollte:
Eine Möglichkeit ein Mitglied zu werben oder zu binden, besteht auch in der Bereitstellung „selektiver Anreize“. Diese erleichtern nicht nur die Mitgliederwerbung, sondern erhöhen auch die Mitgliederbindung: Mitglieder, die den Nutzen an einer weiteren Verbandsmitgliedschaft anzweifeln, können durch persönliche Bonbons wieder enger an den Verband gebunden werden. Ein Beispiel zum Umgang mit „selektiven Anreizen“ ist im Bereich der Verbände der ADAC. Unter den Mitgliedervorteilen wird auf der Homepage mit „Satte Rabatte für Mitglieder“ geworben. So genannte „selektive Anreize“ müssen Mitgliedern exklusiv angeboten werden und Vorteile gegenüber Nicht-Mitgliedern oder der Konkurrenz verschaffen.
Das Dilemma der Mitgliedergewinnung vs. Zielerreichung lässt sich auch an einer zweiten Konfliktlinie darstellen. Diese Konfliktlinie verläuft in der Regel innerverbandlich. Hauptproblem ist hier, die begrenzte Verfügbarkeit von finanziellen und materiellen Ressourcen. Die „vermeintliche Ressourcenknappheit“ führt dazu, dass bei Beachtung und Bearbeitung der einen Dimension, zwangsweise die andere Ebene vernachlässigt wird; oftmals führt eine konzentrierte Mitgliederwerbung dazu, dass zwar Mitglieder gewonnen werden können, gleichzeitig aber die Pflege von Einflusskanälen vernachlässigt wird, da der Vorstand und die Geschäftsführung nicht an allen „Fronten“ gleichzeitig kämpfen können. Hier muss über eine Organisationsumstrukturierung nachgedacht werden, um personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen optimaler zu nutzen. Suboptimale Organisationsstrukturen führen zu suboptimalen Lösungen.
Mitgliederbindung und -gewinnung vs. Repräsentation der Mitglieder
Idealtypisch müssten basisdemokratische Verfahren innerhalb der Verbände etabliert sein, um die Mitgliederwillen optimal zu repräsentieren. Auch wäre dann die bestmögliche Generierung eines kollektiven Willens aus der Summe sämtlicher Einzelwillen möglich. In (relativ) mitgliederstarken Verbänden führt dieser Idealtyp der Mitgliederrepräsentation allerdings zu erheblichen Problemen, da mit wachsender Mitgliederzahl der Umfang der Aushandlungen eines Gesamtwillens nahezu exponential zunimmt.
Daraus folgt, dass nur wenige Ressourcen übrig bleiben, um die basisdemokratisch gebildeten Ziele auch effektiv zu verfolgen. Außerdem gilt: Je größer die Basis, umso größer ist die Gefahr, dass es zu informellen Hierarchien, Filz und Willkür kommt, die explizite Zuständigkeiten und regelgebundene Entscheidungsverfahren ersetzen; Jo Freeman bezeichnete diesen Zustand als „The Tyranny of Structurelessness“. Daraus bilden sich Organisationseliten, die zwar durchaus respektvoll von den anderen Mitgliedern betrachtet werden, aber über keine eigene, durch die Mitglieder gegebene, Legitimation verfügen. In diesem Zustand entzieht sich die Entwicklung des Verbandes der Kontrolle durch seine Mitglieder. Dies wiederum führt zu Frustration bei den Mitgliedern, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen. Die nächsten Schritte bestehen in der Regel aus der kritischen Hinterfragung der Mitgliedschaft, Lösung der Bindung und oftmals auch dem Austritt. Unzufriedene Mitglieder und sinkende Mitgliedszahlen sind zudem kein gutes Aushängeschild, um neue Mitglieder zu werben und die Verbandsinteressen vertreten zu können.
Von dieser Negativentwicklung sind vor allem diejenigen Verbände betroffen, die weniger auf materielle Anreize, sondern auf z.B. eine emotionale Bedürfnisbefriedigung ihrer Mitglieder setzen.
Mitgliederrepräsentation vs. Zielerreichung
Ein hierarchisch strukturierter Verband erhöht massiv die Effektivität im Bereich der Mitgliederkoordinierung und im Zusammenspiel mit der äußeren Umwelt; die Zielerreichung erfährt dadurch ihre größtmögliche Effizienz. Zumal die äußere Umwelt eher Ansprechpartner akzeptiert, die formal legitimiert sind und deren Verbandsinteressen dauerhaft gültig sind. Der Zielerreichung abträglich sind basisdemokratische Entscheidungsregeln, weil sie zu schnell zu einer Neuausrichtung der Verbandsziele führen können und somit mit der Kontinuität brechen. Dadurch kann es zu verstärkten „Richtungsänderungen“ kommen und der Verband verliert in der öffentlichen Wahrnehmung an Profil.
Auf der Gegenseite dazu steht, dass „je ‚bürokratischer‘ eine Mitgliedsorganisation aufgebaut ist, desto größer wird die Gefahr, dass die Interessen einfacher Mitglieder ignoriert und diese frustriert werden.“ Es lässt sich die Forderung ableiten, dass die Verbandsführung ein sehr gutes Gespür für das Demokratieverständnis seiner Mitglieder entwickelt haben sollte. Sie muss die Frage beantworten, ob und wie tief die einzelnen Mitglieder in die einzelnen verbandsspezifischen Entwicklungsschritte eingebunden werden wollen respektive sollen.
Strategien der Problembewältigung
Die dargestellten Dilemmata bilden den Hintergrund für oftmals ergebnislose, sich im Kreis drehende und kontroverse verbandsinterne Auseinandersetzungen. Um damit umzugehen und die Diskussionen gehaltvoll zu gestalten, müssen zunächst die unterschiedlichen Umwelten, mit denen Verbände zu tun haben erkannt und berücksichtigt werden. Das Schaubild (Abbildung 2) zeigt, dass ein Verband im Kern aus einer eigenen (inneren) Umwelt besteht, aber permanent von seiner äußeren Umwelt beeinflusst wird und mit dieser interagiert. Dabei versucht der Verband, im Sinne der Zielerreichung, der äußeren Umwelt verschiedene, bestimmte Handlungen vorzugeben bzw. zu suggerieren, dass diese Schritte unabdingbar sind. Um dies aber tun zu können, müssen Verbände permanent auf die sich wandelnde äußere Umwelt eingehen. Konkret: Wenn ein Industriezweig einem starken Wandel unterzogen ist, z.B. als Folge einer zunehmenden Globalisierung, dann muss sich auch der entsprechende Industrieverband wandeln, da er sonst mittelfristig die Bedürfnisse seiner Mitglieder nicht mehr befriedigen kann.
Petra Stykow identifizierte im Wesentlichen zwei Strategien zur Problembewältigung. Die erste, in der Verbandspraxis oft durchgeführte Variante, bezeichnet sie als Weg des „Durschwurstelns“. Dieser erste Weg ist zweigeteilt: Um zwei der angesprochenen Dilemmata befriedigend lösen zu können, wird eine der oben dargestellten Konfliktlinien vernachlässigt. Die entsprechenden Probleme – und eventuelle Verluste – werden also billigend in Kauf genommen. Die zweite Variante führt zu einer segmentierten Bearbeitung der Probleme. Einzelne Abteilungen eines Verbandes (wie Arbeitskreise oder Ausschüsse) werden sehr weit voneinander entkoppelt und von der Verbandsführung losgelöst, so dass sich jeder um die ausschließliche Bearbeitung eines einzelnen Dilemmas kümmern kann. Hierbei kann es allerdings dann wieder zu nahezu unlösbaren Auseinandersetzungen kommen, wenn auf der gesamtverbandlichen Ebene die verschiedenen Stränge wieder zusammengeführt werden.
Dieser zweite Weg wird zwar in der Durchführung auch eine Art des „Durchwurstelns“ sein, aber die Anforderungen an das Wie müssen erhöht werden. Um nicht, wie teilweise bisher geschehen, konzeptlos und chaotisch vorzugehen, muss der jeweilige Verband sich selbst reflektieren – die Fähigkeit zur Selbstkritik und -hinterfragung muss entwickelt und ausgebaut werden – und aus den sich veränderten Umwelten lernen. „Eine systematische Analyse des ‚Durchwurstelns’ realer Organisationen durch die Dilemmata ihrer drei Grundprobleme […] fördert ein vielseitiges Repertoire zutage, aus dem Verbände und Vereine Anschauungsmaterial für ihre eigene Entwicklung gewinnen können.“
Gesucht sind praxistaugliche Strategien
Die Anforderungen an zukunftsfähige Verbände können klar dargestellt werden:
- Veränderungen in den verschiedenen Umwelten erkennen
- Veränderungen zu sich selbst in Beziehung setzen und intern kommunizieren
- Flexible Reaktionen auf die sich verändernden Umwelten
Doch was bedeutet dies für die verbandliche Praxis? Es werden praxis-taugliche Strategien gebraucht, um den oben dargestellten Prozess durchführen zu können. Die Schwierigkeit liegt oftmals darin, heterogene Interessen der (Vorstands-) Mitglieder auszugleichen und diese auf die Notwendigkeit etwaiger Reformen einzustimmen. Meist obliegt diese Aufgabe den Geschäftsführern der Verbände, die allerdings in ihrer Tätigkeitsgestaltung weisungsgebunden sind; das heißt die Geschäftsführer sind in ihrem Handeln, also auch in ihren Initiativen, vom Verbandsvorstand abhängig. Ob und wie ein Geschäftsführer innovative Impulse setzen kann, ist daher von Verband zu Verband unterschiedlich.
Aber auch die Innovationskraft des Vorstandes ist nicht ungebremst. Zumeist müssen im Vorstand Mehrheiten gesucht und gebildet werden. Unabhängig davon, welches Vorstandsmitglied eine Initiative einbringt, muss es dafür eine Mehrheit finden. Qua Amt besitzt die/der Vorsitzende am ehesten eine ausreichende Führungsautorität, mit der auch „neue Wege“ durchsetzbar sind.
Ob und wie einzelne Mitglieder Neuerungen anregen bzw. durchsetzen können, hängt sehr stark von einer demokratischen Ausprägung der Organisationsstruktur ab (Repräsentation der Mitgliederinteressen). In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass diese Komponente in den meisten Verbänden unterentwickelt ist.
Doch was ist konkret zu tun, damit der Verband die oben beschriebene lernende, reflektierende Organisation werden kann? Auch wenn an dieser Stelle pauschale Antworten gewünscht sind, können sie nicht gegeben werden. Jeder Verband hat seine eigenen, gewachsenen Strukturen und Eigenarten. Hinzu kommen die Unterschiede, die sich aus der eigenen Zielsetzung und Ausrichtung ergeben. Kurz gesagt: Das Verbandswesen ist viel zu komplex, um es über einen Kamm scheren zu können.
Dennoch können einige wesentlichen Dinge angemerkt werden:
Erster Schritt: Elementar ist die Bedürfnisermittlung der Verbandsmitglieder
Regelmäßige Mitgliederbefragungen geben einen guten Überblick über die Wünsche und Anregungen durch die Verbandsmitglieder. Auch ist die Befragung ein geeignetes Instrument, um quasi ein „Aktivitätscontrolling“ durchzuführen; das heißt die Mitglieder bewerten durch ihre Aussagen die Akzeptanz der Leistungen. Gern wahrgenommene Leistungen können so ausgebaut und optimiert werden. Lediglich ressourcenbindende, nicht akzeptierte Leistungen sollten aus dem Spektrum gestrichen werden. Auf diese Weise erhält der Verband wieder mehr Handlungsspielraum, um die Bedürfnisse seiner Mitglieder befriedigen zu können. Durch Befragungen erfährt man auch unmittelbare Veränderungen der äußeren Umwelt, da die Verbandsmitglieder dort tätig sind.
Zweiter Schritt: Von den Besten lernen – Benchmarking!
Es muss der jeweils ausgewählte strategische Vorteil eines (Konkurrenz) Verbandes konkret und detailliert analysieren werden, damit er als Vorgabebeispiel für die eigene Verbandsaktivität dienen kann. Hier kommt Dachverbänden eine entscheidende Vermittlerrolle zwischen den verschiedenen (Fach- bzw. Branchen-) Verbänden zu.
Durch eine gleichartige Analyse können die vergangenen Verbandsaktivitäten beleuchtet werden; unter Umständen können auch frühere Veranstaltungsmuster wieder ins Angebot aufgenommen werden.
Dritter Schritt: Transparenz schaffen!
Die Anpassungen und Veränderungen müssen nicht alle über Mitgliederentscheidungen laufen. Wichtig ist aber, dass die Mitglieder über Veränderungen informiert werden. Sollen gleichzeitig neue Mitglieder geworben werden, so muss die interne Kommunikation natürlich durch eine Externe ergänzt werden.
Allgemein muss jedes Tun und Verändern immer kritisch hinterfragt werden. Handeln darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss dem Verband dienen, muss den Mitgliedern dienen.
Das Verbandswesen in Deutschland und Europa ist äußerst komplex. Daher konnten im vorliegenden Artikel auch nur Allgemeinplätze besetzt werden. Jeder Verband besitzt seine „historischen“, gewachsenen Eigenarten, die sehr stark von persönlichen Befindlichkeiten begleitet werden. Diese Einmaligkeit eines jeden Verbandes führt dazu, dass jeder Verband einzeln betrachtet werden muss und nicht nach der „Holzhammer-Methode“ aufgeräumt wird.