Verbändereport AUSGABE 1 / 2008

Wie üben juristische Personen ihr Mitgliedschaftsrecht in Verbänden aus?

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Nach § 38 BGB ist die Mitgliedschaft in einem Verein oder Verband nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem anderen überlassen werden. Dies wirft bei Verbänden, deren Mitglieder wiederum Verbände oder Unternehmen, also meist juristische Personen sind, bislang vielfach übersehene Probleme auf, denen kaum eine Verbandssatzung Rechnung trägt.

Gesetzliche Vertretung der juristischen Personen

Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte juristischer Personen erfolgt durch deren gesetzliche Vertreter. Bei Vereinen und Verbänden ist gesetzlicher Vertreter gemäß § 26 Abs. 2 BGB der Vorstand. Bei anderen juristischen Personen, wie der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Aktiengesellschaft, der Genossenschaft und Stiftungen, ergibt sich die gesetzliche Vertretung jeweils aus den hierfür geltenden Vorschriften. So wird beispielsweise die GmbH nur durch den oder die Geschäftsführer und nicht durch Prokuristen gesetzlich vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Genossenschaften und Aktiengesellschaften werden nur durch den Vorstand gesetzlich vertreten (§§ 24 Abs. 1 GenG, 78 Abs. 1 AktG).

Wenn also bei einer Mitgliederversammlung eines Dachverbandes, der seinerseits nur Verbände als Mitglieder hat, der Geschäftsführer des Mitgliedsverbandes für diesen abstimmt, so darf diese Stimme nach der Gesetzeslage nicht berücksichtigt werden, weil das Mitglied nicht gesetzlich vertreten ist. Es reicht zudem für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht aus, dass nur ein Vorstandsmitglied anwesend ist, sondern es muss der Vorstand in „vertretungsberechtigter Zahl“ dieses Recht ausüben. Wenn ein dreiköpfiger Vorstand also keine Einzelvertretungsbefugnis aufgrund seiner Satzung besitzt, kann er das Stimmrecht als Mitglied eines anderen Verbandes nur bei gleichzeitiger übereinstimmender Stimmabgabe ausüben. Das Gleiche gilt, wenn eine GmbH in einem Wirtschaftsverband ihr Stimmrecht ausüben will: Auch hier müssen, wenn die Satzung der Gesellschaft keine Einzelvertretungsbefugnis vorsieht, alle Geschäftsführer anwesend sein und übereinstimmend die Stimme abgeben.

Vor diesem Hintergrund dürften zahlreiche Dach- und Fachverbandsbeschlüsse anfechtbar sein, weil ihre Mitglieder juristische Personen sind und diese in der Mitgliederversammlung nicht ordentlich vertreten sind. Hinsichtlich der Anfechtbarkeit hat der Bundesgerichtshof allerdings kürzlich entschieden, dass im Interesse des Rechtsfriedens das Anfechtungsrecht spätestens nach Ablauf von zwei Jahren verwirkt ist.

Rechtsgeschäftliche Vertretung von juristischen Personen

Neben der gesetzlichen Vertretung zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte besteht die Möglichkeit, einen anderen zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte rechtsgeschäftlich zu bevollmächtigen.

Zwingende Voraussetzung hierfür ist indes eine satzungsrechtliche Grundlage in der Satzung desjenigen Verbandes, in dem das Mitgliedsrecht ausgeübt werden soll. Denn § 40 BGB bestimmt, dass § 39, der die persönliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte vorschreibt, keine Anwendung findet, soweit die Satzung etwas anderes bestimmt. Eine langjährige Übung kann die satzungsrechtliche Grundlage nicht ersetzen, weil der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, dass für die Anerkennung von „verbandlichem Gewohnheitsrecht“ als Satzungsbestandteil nur wenig Raum bleibt. Jeder, der einem Verein oder Verband beitritt, soll sich allein anhand der Satzung einen Überblick über die geltenden Regeln verschaffen können, ohne dass ihm später „ungeschriebenes Satzungsrecht“ oder „verbandliches Gewohnheitsrecht“ entgegengehalten werden kann.

Mit anderen Worten: Ohne eine explizite satzungsrechtliche Grundlage bleibt es bei juristischen Personen als Mitglieder bei der ausschließlichen Ausübung der Mitgliedsrechte durch die gesetzlichen Vertreter, sodass ein Verein, der sein Stimmrecht als Mitglied in einem Dachverband ausüben will, mit dem Vorstand in vertretungsberechtigter Anzahl in der Mitgliederversammlung des Dachverbandes auftreten muss.

Einer solchen Zulassung bedarf es immer, wenn juristische Personen ihre Mitgliedschaftsrechte durch andere Personen als ihre Vorstandsmitglieder aus-üben lassen wollen. Die Zulässigkeit einer solchen Vertretung ist nicht bereits durch die Zulassung juristischer Personen als Mitglieder inzidenter erteilt (OLG Hamm NJW-RR 1990, 532; Reuter in: Münchner Kommentar zum BGB, § 35 Rnr. 70).

Empfehlung

Falls von der Möglichkeit einer anderweitigen Vertretung juristischer Personen im Verbandsbereich Gebrauch gemacht werden soll, wofür erhebliche praktische Gründe sprechen, muss dies die Satzung des Verbandes, in dem das Stimmrecht ausgeübt werden soll, ausdrücklich zulassen. Die Satzungsklausel könnte etwa wie folgt lauten: „Juristische Personen üben ihre Mitgliedschaftsrechte durch die gesetzlichen Vertreter aus, es sei denn, diese haben hierzu ein anderes Mitglied oder einen Mitarbeiter der juristischen Person bevollmächtigt. Die Bevollmächtigung ist dem Verein/Verband anzuzeigen (oder: auf Verlangen nachzuweisen).“

Abschließend sei zur Klarstellung noch darauf hingewiesen, dass die Ausübung der (eigenen) Mitgliedschaftsrechte einer juristischen Person nicht mit der Frage verwechselt werden darf, ob das eigene Stimmrecht auf ein anderes Mitglied übertragen werden kann und darf. Eine Stimmrechtsübertragung auf ein anderes Mitglied ist möglich, sofern hierfür eine ebenfalls eine satzungsrechtliche Grundlage vorhanden ist. Streitig ist insofern nur, ob eine Stimmrechtsübertragung auch auf Nichtmitglieder erfolgen darf. Um möglichen Debatten vorzubeugen, empfiehlt sich ebenfalls ein klarstellender Satzungshinweis, dass das Stimmrecht nur auf andere Mitglieder übertragen werden kann — sonst sitzt womöglich ein Vertreter des Konkurrenzverbandes in der Mitgliederversammlung. (HM)

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Autor/in

Helmut Martell

ist Rechtsanwalt. Helmut Martell war Gründungsvorsitzender der DGVM und zwanzig Jahre ihr Stellvertretender Vorsitzender. Von 1997 bis 2014 fungierte er als Herausgeber des Verbändereport.