Werte sind wichtig für die Glaubwürdigkeit und Reputation von Unternehmen wie von Verbänden. In einer Studie hat der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) jetzt ihre zentrale Bedeutung in der Kommunikation mit Anspruchsgruppen nachgewiesen. Die neuen Erkenntnisse eröffnen Lobbyisten und Interessenverbänden nicht nur mehr Handlungsspielräume. Diese können auch ihre Investitionen strategischer und finanziell optimierter planen.
Weltweit und gehäuft setzen sich immer mehr Unternehmen mit dem Thema Werte und ihrem idealen Management auseinander. Weil Werte Vertrauen schaffen, bieten sie Halt, verbessern das Zusammenleben von Menschen und machen deren Verhalten verständlich. Sie liefern mehr Transparenz in einer Welt, die heute immer komplexer wird. Werte sind daher auch für größere Organisationen wie Unternehmen bedeutungsvoll, wenn diese einen glaubwürdigen Umgang mit der Gesellschaft pflegen wollen. Zu dieser Gesellschaft gehört aus Sicht der Unternehmen allgemein die Öffentlichkeit, konkret aber vor allem Kunden, Mitarbeiter sowie alle Anspruchsgruppen, die ein elementares Interesse am Unternehmen hegen.
Gelebte Werte schaffen Glaubwürdigkeit
Werte verhelfen einer Organisation zu lebendiger Identität. Vertritt eine Organisation ihre sehr individuellen, akzeptierten und schutzwürdigen Werte glaubwürdig, agiert sie auch erfolgreicher im Wettbewerb und im Markt. So wächst mehr Akzeptanz. Und das schafft mehr Spielräume für Handlungen, erweitert sie und bringt folglich Gewinn. Zahlreiche Untersuchungen und Befragungen dazu ergeben immer wieder, dass für die Reputation einer Organisation der Wert der „Glaubwürdigkeit“ am wichtigsten ist. Daneben erwähnt werden Merkmale wie „Zuverlässigkeit“, „Vertrauenswürdigkeit“ und „Verantwortungsbewusstsein“.
Der Kommunikator an der Unternehmensspitze
So hat eine Allensbacher Studie zum Kommunikationsverhalten von CEOs zum Beispiel ergeben: Einen guten Kommunikator an der Unternehmensspitze zeichnet vor allen Dingen Glaubwürdigkeit aus, aber auch Präsentationsgeschick und rhetorische Überzeugungskraft sowie soziale Kompetenz. Er sollte seriös und professionell auftreten, aber ebenfalls sachlich, bescheiden und nicht marktschreierisch.
Es kommt daher nicht nur darauf an, die einmal ausgewählten Werte deutlich zu vertreten und sie für die hohe Glaubwürdigkeit auch permanent zu leben. Sie müssen außerdem offen belegt und kommuniziert werden – und das am besten effizient und effektiv an interne wie externe Zielgruppen.
Der Kommunikationspolitik und ihrer Stabsstelle kommt deshalb eine zentrale Rolle für den Erfolg einer Organisation zu. Das gilt für das tägliche Geschäft, aber ebenfalls bei einer möglichen Neuausrichtung oder Kampagnen, die möglichst integrativ ablaufen sollten. Kommunikation ist Führungsaufgabe und ein wichtiger strategischer Faktor bei der erfolgreichen Lenkung eines Unternehmens. Im Idealfall wählt man dafür unterschiedliche und häufig noch nicht beschrittene Kommunikationsformen. Nur so verstehen die unterschiedlichen Zielgruppen Entscheidungen bzw. ihre Botschaften aus der Organisation. Und dann nehmen sie sie als Belege für den wichtigen Wert Glaubwürdigkeit wahr.
Mehr Handlungsspielräume in der Verbandspolitik
Besonders für Verbände sind gemeinsame oder ähnliche Werte wichtig. Sie sind überhaupt Grund für die Bildung eines Verbandes. Noch stärker als Unternehmen verstehen sich diese Organisationen als ein Zusammenschluss von Mitgliedern und Netzwerkpartnern. Werte übernehmen darin die wichtige Rolle von Verbindungen zwischen den einzelnen Parteien. Denn die schließen sich in diesem Netzwerkverbund, dem Verband, schließlich zusammen, damit jeweils der Einzelne vom großen Ganzen profitiert. Vorteile entstehen für ihn durch Interaktion und Kontakte, das soziale Kapital. Die unterschiedlichen Teilnehmer erreichen deshalb im Verband mehr Gewicht und eine besondere Dynamik – zwei Elemente, die der Einzelne allein nie in diesen Dimensionen erreichen könnte.
Werte und Prinzipien kontinuierlich umsetzen
Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie, der vom Standort Berlin bundesweit die Interessen seiner 7.200 Mitglieder vertritt, hat sich daher im Frühjahr 2010 in einer hauseigenen, mehrmonatigen Studie der eigenen Verbandskommunikation gewidmet. Intensiv erfragt und analysiert wurden mit dem Mittel der qualitativen Netzwerkanalyse die eigenen Organisationswerte und ihre Vermittlung an die Anspruchsgruppen. Die empirische Grundlage war die Befragung der eigenen Netzwerkmitglieder.
Mit der Studie liegt der BVOU im Trend. Denn viele Unternehmen haben längst erkannt, dass ihre Werte und Prinzipien nicht dafür herhalten können, der Öffentlichkeit eine heile Welt vorzutäuschen, die es in keiner Organisation gibt. Ganz im Gegenteil, nur wenn Werte und Prinzipien kontinuierlich und langfristig im täglichen Miteinander umgesetzt werden, sind sie ein ideales Führungsinstrument. Im Idealfall leben sie alle Beteiligten in der Organisation. Nur so etabliert und sichert man die Glaubwürdigkeit nach innen wie nach außen.
In dieser Thematik ist das spezifisch medizinische Umfeld des BVOU interessant, weil Werte für die Gesellschaft in diesem Bereich als sehr viel relevanter eingeschätzt werden als in anderen. Nicht umsonst liefert die Berufsethik der Ärzte strikte Richtlinien. Erschwerend kommt allerdings hinzu: Gruppen in einem medizinischen Netzwerk wie die Politik, Selbstverwaltung oder Krankenkassen, die oft sogar im Interessenskonflikt stehen, nehmen kommunizierte Werte unterschiedlich wahr. Aber neue Handlungsspielräume im großen Netzwerk eröffnen sich eben nur, so der Ansatz der Studie, wenn die eigenen Werte mit denen des Kommunikationspartners übereinstimmen.
Kommunikationskanäle für die Wertebildung
Zuerst ermittelte man daher unter den Vorständen des BVOU das gemeinsame Wertebild und mögliche Partner zur Analyseuntersuchung. Dann befragte man diese Partner nach der Außenwirkung der Kommunikation des BVOU in Sachen Glaubwürdigkeit der Verbandswerte (Abbildung 1).
Generell verbindet die Öffentlichkeit mit Orthopäden und Unfallchirurgen, dass sie die Kompetenz haben für muskeloskelettale Krankheiten. Weitere Werte: Selbstverständlich beachten diese Ärzte bei der Behandlung die Menschenwürde und die Patientenrechte. Wert gelegt wird außerdem auf Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachärzte und die Weiterentwicklung der orthopädisch-unfallchirurgischen Versorgung. Der BVOU unterstützt außerdem die interdisziplinäre Zusammenarbeit, handelt wirtschaftlich verantwortungsbewusst und mit anderen Fachgruppen partnerschaftlich.
Zu den entscheidenden Anspruchsgruppen des BVOU gehören Patienten, Krankenkassen, Mitarbeiter, Kunden, Medien, Partner, Pharmaindustrie, Selbstverwaltung, Verbände, Politik sowie sonstige Gruppen.
Ein Ergebnis der Studie: Diese Kommunikationspartner nehmen die erwähnten Werte über verschiedene Kanäle wahr. Diese Kanäle sind: persönliches Gespräch, Printmedien, BVOU.net, Vorträge sowie Imagekampagnen. Bis auf den Kommunikationskanal Telefon, wo Werte zu 40 Prozent wahrgenommen werden, erreichen die anderen Kanäle mindestens 60 Prozent.
Wertegleichheit mit Partnergruppen
Ein weiteres Fazit der Studie bestätigt: Die Werte des BVOU nehmen einen wichtigen Einfluss auf die Partnerschaft, auf gemeinsame Kommunikationskampagnen und damit neue Handlungsspielräume. Wichtig ist für den Verband daher in Zukunft, immer stärker eine Wertegleichheit mit bestehenden sowie potenziellen Partnern zu erreichen.
Nach der Studie (Abbildung 2) haben die Mitarbeiter ebenso wie der Vorstand des BVOU mit 100 Prozent eine sehr hohe Werteübereinstimmung. Ähnliches trifft auf die Selbstverwaltung zu, was die Zusammenarbeit und Diskussion sehr fördert.
Der Verband zieht die Ergebnisse der Werte-Studie (Abbildung 3) aber zukünftig auch für eine effizientere Kommunikation heran. So unterscheidet man beim BVOU ab sofort genauer nach Relevanz und Zusammenarbeit und hat vier entscheidende Anspruchsgruppen identifiziert (Abbildung 4). Zu den Schlüsselgruppen gehören alle Organisationen, die perfekt dem gemeinsamen Werteschema entsprechen. Hier ist eine Zusammenarbeit nötig. Bei sogenannten Opportunitätsgruppen sollte die Zusammenarbeit erhöht werden, weil sie eine notwendige Relevanz haben. Die Desinvestitionsgruppen sind nach Relevanz und Zusammenarbeit relativ unwichtig. Hier gilt es, die Beziehung niedrig einzustufen und das Positive der Kommunikationsbeziehung zu nutzen. Möglich ist aber sogar ein Rückzug. Sogenannte Speziesgruppen besitzen trotz hoher Werte der Zusammenarbeit wenig Relevanz. Hier will man die Partner noch selektiver auswählen.
Nimmt man das Beispiel des BVOU, müssten also Lobbyisten wie Interessenverbände ihren Fokus nur stärker auf gemeinsame Werte mit ihren jeweiligen Partnern legen, um so ihr Netzwerk zu festigen und Handlungsspielräume zu erweitern. Gleichzeitig bietet dieser Ansatz bzw. diese neu geschaffene Klassifizierung künftig auch ein neues Instrument: Mit ihm optimiert man Investitionen in partnerschaftliche Geschäftskontakte finanziell und richtet sie außerdem strategischer aus.