Das Umsatzsteuergesetz sieht für ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeiten in zwei Fällen eine Umsatzsteuerbefreiung vor: Der erste Fall betrifft – uneingeschränkt – ehrenamtliche Tätigkeiten, die für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden (z. B. für Berufskammern in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts).
Neuregelung betrifft nur Einrichtungen des Privatrechts
Der zweite Fall betrifft ehrenamtliche Tätigkeiten für Einrichtungen des privaten Rechts, also insbesondere auch für Berufsverbände oder gemeinnützige Vereine und GmbHs. Diese Befreiungsmöglichkeit ist allerdings eingeschränkt insofern, als sie nur eingreift, wenn das Entgelt für die ehrenamtliche Tätigkeit „nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht“ (§ 4 Nr. 26 Buchst. b UStG). In diesem Fall ist häufig unklar, ob eine Entschädigung für Zeitversäumnis noch angemessen ist oder nicht. Hierzu haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sich nun darauf geeinigt, dass das Entgelt regelmäßig dann angemessen ist, wennes je Tätigkeitsstunde 50 Euro nicht übersteigt und die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten jährlich weniger als 17.500 Euro ausmacht.
Diese Regelung soll auf alle Umsätze aus ehrenamtlicher Tätigkeit Anwendung finden, die ab dem 1. April 2012 ausgeführt werden.
Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
In diesem Zusammenhang wird der USt-Anwendungserlass in seinem Abschnitt 4.26.1 Abs. 4 wie folgt geändert:
„Geht in den Fällen des § 4 Nr. 26 Buchstabe b UStG das Entgelt über einen Auslagenersatz und eine angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis hinaus, besteht in vollem Umfang Steuerpflicht. Was als angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis anzusehen ist, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden; dabei ist eine Entschädigung in Höhe bis zu 50 Euro je Tätigkeitsstunde regelmäßig als angemessen anzusehen, sofern die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten den Betrag von 17.500 Euro im Jahr nicht übersteigt. Der tatsächliche Zeitaufwand ist nachvollziehbar zu dokumentieren.
Eine vom tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige z. B. laufend gezahlte pauschale bzw. monatliche oder jährlich laufend gezahlte pauschale Vergütung führt zur Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift mit der Folge, dass sämtliche für diese Tätigkeit gezahlten Vergütungen – auch soweit sie daneben in Auslagenersatz oder einer Entschädigung für Zeitaufwand bestehen – der Umsatzsteuer unterliegen.“
Anmerkungen zum Erlass
Auf den ersten Blick scheint die neue Verwaltungsregelung nur positiv, weil sie den betroffenen Ehrenamtlern Rechtssicherheit verspricht, was die steuerliche Behandlung ihrer Tätigkeitsvergütungen angeht.
Unternehmerische Tätigkeit ist Voraussetzung
Doch dieses Versprechen gilt nur unter der Prämisse, dass der betroffene Ehrenamtler sein Amt als Unternehmer im Sinne des UStG ausübt. Fällt dagegen die ehrenamtliche Tätigkeit in den nichtunternehmerischen Bereich des Ehrenamtlers, greift das UStG überhaupt nicht ein – und damit auch nicht die genannte Befreiungsregelung. Umso besser, könnte man denken, dann ist die ehrenamtliche Tätigkeit eben überhaupt nicht steuerlich relevant. Dabei wird aber übersehen, dass statt der Umsatzsteuer die Lohnsteuer – und zusätzlich Sozialversicherungspflicht – eingreifen könnte. Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Umsatz- und Lohnsteuer ist die Frage, ob der Ehrenamtler sein Amt selbstständig oder unselbstständig, d. h. weisungsgebunden, ausübt. Unternehmerisch ist eine Tätigkeit nämlich nur, wenn sie selbstständig ausgeübt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Nur dann kommt die hier diskutierte Befreiungsregelung überhaupt in Betracht. Häufig wird eine ehrenamtliche Tätigkeit aber nicht selbstständig im Sinne einer Weisungsfreiheit ausgeübt. Ehrenamtlichkeit bedeutet nicht notwendig auch Selbstständigkeit.
In der Rechtsprechung finden sich allerdings Beispiele dafür, dass das Merkmal der Selbstständigkeit (z. B. bei dem Präsidenten eines Industrieverbandes, vgl. BFH BStBl. 2008 II 912) ohne erkennbare Prüfung offenbar unterstellt wurde. Diese Unterstellung ist allerdings insofern problematisch, als andere Gerichte bei Vergütungen an Vereinsvorstände Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht angenommen haben. Vollends fragwürdig wird die umsatzsteuerliche Behandlung z. B. bei Tätigkeitsvergütungen an ehrenamtlich tätige Vereinsorgane, wenn man bedenkt, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinerlei Tätigkeitsvergütungen erhalten dürfen und sich bei Annahme einer solchen rechtswidrigen Vergütung gegenüber dem Verein schadensersatzpflichtig machen.
Dokumentationspflicht problematisch
Aber auch in den Fällen, in denen eine Tätigkeitsvergütung – und um eine solche handelt es sich ja bei einer „Entschädigung für Zeitversäumnis“ – zweifelsfrei umsatzsteuerbar ist, bringt die neue Verwaltungsregelung für die Ehrenamtler nicht nur Vorteile. Hervorzuheben ist vor allem die geforderte Dokumentation des geleisteten Zeitaufwandes. Wenn die Finanzverwaltung an diese Dokumentation ähnlich kleinliche Anforderungen wie bei einem Fahrtenbuch stellt, ist zu befürchten, dass die USt-Befreiung häufig bereits an Dokumentationsmängeln scheitern könnte. Zum anderen bezieht sich die 17.500-Euro-Grenze auf die Summe aller Ehrenamtsvergütungen der betreffenden Personen, was bei Ämterhäufung zur Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift führen kann.
Pauschalzahlungen führen zur Umsatzsteuerpflicht
Belastend dürfte sich für die involvierten Verbände auswirken, dass Pauschalzahlungen, die im Interesse einer Begrenzung des Abrechnungsaufwands in der Praxis weit verbreitet sind, nunmehr die Umsatzsteuerbefreiung generell ausschließen sollen. Gerade solche Verbände, für die eine große Anzahl ehrenamtlicher Helfer tätig ist, werden sich auf erhöhten Verwaltungsaufwand einstellen müssen.
Prüfungspflicht der Verbände bleibt bestehen
Schließlich entbindet die neue Verwaltungsregelung die betroffenen Vereine und Verbände nicht von der grundsätzlichen Prüfung, ob die Zahlungen an ihre Ehrenamtler mangels Selbstständigkeit dieser Personen der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht unterliegen. Insofern ist die jetzige Verwaltungsregelung kein Freibrief für steuerliche Sorglosigkeit bei Vereinen und Verbänden.