In den letzten Jahren gab es wiederholt Anläufe zur Verbesserung des rechtlichen Umfelds von Verbänden. Nicht allen Gesetzesinitiativen war ein Erfolg beschieden. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts verhält es sich glücklicherweise anders.
Das von den Regierungsparteien initiierte Gesetz sollte ursprünglich den umständlichen Namen „Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz“ tragen (BT-Drucksache 17/11316 vom 8.11.2012) und wurde auch unter dieser Bezeichnung von der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht (BT-Drucksache 17/11632 vom 26.11.2012). Ursprünglich war eine Verabschiedung des Gesetzes noch im Dezember 2012 vorgesehen, sodass es zeitgerecht zum 1. Januar 2013 hätte in Kraft treten können. Der gesetzgeberische Zeitplan erwies sich jedoch als zu ambitioniert, sodass das Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2013 fortgesetzt wurde. Der Finanzausschuss des Bundestages befasste sich mit dem Vorhaben am 16.1.2013, das im Ausschuss in zahlreichen Punkten inhaltlich verändert wurde und auch seinen neuen Namen erhielt (BT-Drucksache 17/12123 vom 17.1.2013). In dieser veränderten Form wurde das Gesetz vom Bundestag am 1.2.2013 angenommen (BR-Drucksache 73/13 vom 8.2.2013). Die Zustimmung des Bundesrats gilt als sicher. Es kann daher bei Redaktionsschluss als sicher angenommen werden, dass das Gesetz noch im ersten Quartal 2013 verkündet und rückwirkend ab 1. Januar in Geltung gesetzt wird.
In materieller Hinsicht bringt das Gesetz Änderungen in zahlreichen Rechtsgebieten, also keineswegs beschränkt auf das Steuerrecht. Die zahlreichsten Änderungen betreffen das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht der Abgabenordnung. Diese Änderungen haben also nur für gemeinnützige und mildtätige Verbände Bedeutung; sie beziehen sich – entgegen der neuen Bezeichnung des Gesetzes – keineswegs auf das Ehrenamt, sondern betreffen in der Mehrzahl einige fundamentale Fragen des Gemeinnützigkeitsrechts.
Berufsverbände
Berufsverbände oder andere Vereine sind von diesen Rechtsänderungen nicht betroffen. Im Zusammenhang mit den Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts stehen einige Änderungen im Einkommensteuergesetz, nämlich die Erhöhung der sog. Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG) auf 2.400 Euro pro Jahr und der sog. Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG) auf 720 Euro pro Jahr. Auch diese Regelungen gelten nicht für ehrenamtliche Tätigkeiten in Berufsverbänden! Berufsverbände gehen bei den neuen Steuerregelungen also insgesamt leer aus!
Anders verhält es sich dagegen mit den Änderungen des Vereinsrechts, die Änderungen im Haftungsrecht bringen. Insbesondere wird erstmals die Haftung von Vereinsmitgliedern geregelt (§ 31b BGB – neu). Diese Rechtsänderungen gelten selbstverständlich für alle Vereine, unabhängig von deren steuerlichen Einordnung.
Einige marginale Änderungen treten im Sozialrecht ein. Für die Praxis der gemeinnützigen GmbHs wichtig: Sie dürfen nun offiziell die Bezeichnung „gGmbH“ tragen (§ 4 Satz 2 GmbHG – neu), was nach bisheriger Rechtsprechung unzulässig war.
Wichtig für alle Verbände!
Weitere Haftungsbegrenzung durch das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts“ 1. Grundsätzlich: Unentgeltlichkeit der Vorstandstätigkeit
Die Änderungen im Vereinsrecht beginnen mit einer Ergänzung des § 27 Abs. 3 BGB. Die Vorschrift in ihrer bisherigen Fassung schreibt vor, dass für die Geschäftsführung die Vorschriften des BGB über den Auftrag (§§ 664 bis 670 BGB) entsprechend gelten. Diese Vorschrift wird um folgenden Satz ergänzt:
„Die Mitglieder des Vorstandes sind unentgeltlich tätig.“
In der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass sich die Unentgeltlichkeit bereits aus den Auftragsvorschriften ergebe. Dies sei jedoch umstritten, sodass eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei. Diese Begründung verkennt, dass der Bundesgerichtshof bereits seit Jahrzehnten in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, dass – sofern keine anderslautende Regelung in der Satzung enthalten ist – die Vorstands-tätigkeit im Verein (und folglich auch in der Stiftung) unentgeltlich ausgeübt wird und deshalb die Zahlung einer Tätigkeitsvergütung rechtswidrig ist.
Insofern hätte es einer gesetzlichen Regelung nicht bedurft. Gleichwohl ist die neue Vorschrift zu begrüßen, denn die BGH-Rechtsprechung ist in Verbandskreisen weitgehend unbekannt. Die Gesetzesregelung hat daher eine allgemeine Aufklärungsfunktion. Ob die Zahlung einer Tätigkeitsvergütung bei entsprechender Regelung in der Satzung nach der neuen Gesetzesregelung ermöglicht wird, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/11316, S. 16) lässt dies jedoch zu, was im Hinblick auf die Satzungsautonomie (§ 40 BGB) verständlich ist. Wenn die Satzung jedoch nicht bestimmt, dass ein Vorstandsmitglied eine Vergütung für seine Tätigkeit erhalten kann, darf mit dem Vorstandsmitglied keine (u. U. auch stillschweigende) Vereinbarung über eine Tätigkeitsvergütung getroffen werden.
2. Ausdehnung der Haftungsbegrenzung des § 31a BGB auf alle Organmitglieder und besonderen Vertretern
Nach § 31a BGB n. F. gilt rückwirkend ab 1. Januar 2013 Folgendes:
„§ 31a Haftung von Organmitgliedern und besonderen Vertretern
(1) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 720 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber Mitgliedern des Vereins. Ist streitig, ob ein Organmitglied oder ein besonderer Vertreter einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt der Verein oder das Vereinsmitglied die Beweislast.
(2) Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“
Hintergrund laut Gesetzesbegründung:
Die Haftungsbegrenzung gegenüber dem Verband und seinen Mitgliedern (§ 31a Abs. 1 BGB) und der Freistellungsanspruch (§ 31a Abs. 2 BGB) gelten nach ihrem Wortlaut bisher nur für Vorstandsmitglieder, die im Wesentlichen unentgeltlich für den Verband tätig sind. Nicht nur die Vorstandsmitglieder, sondern auch die Mitglieder anderer durch die Satzung geschaffener Verbandsorgane sowie besondere Vertreter (§ 30 BGB) können erhebliche Haftungsrisiken treffen. Dies gilt insbesondere, soweit die Mitglieder anderer Vereinsorgane oder die besonderen Vertreter für den Verband auch nach außen tätig werden. Für diese Personen besteht eine vergleichbare Haftungssituation wie für die Vorstandsmitglieder. Wenn sie im Wesentlichen unentgeltlich für den Verband tätig sind, sollten auch sie in den Genuss der Haftungserleichterung nach § 31a BGB kommen. Deshalb umfasst der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht nur – wie bisher – , sondern auch Mitglieder anderer Organe, die durch die Satzung geschaffen wurden, und auch die nach der Satzung berufenen besonderen Vertreter. Deshalb wurde der Begriff „Vorstand“ durch die Begriffe „Organmitglieder“ und „besondere Vertreter“ ersetzt. Von dem Begriff des Organmitglieds werden insbesondere auch alle Mitglieder des Vorstandes erfasst, sodass sie nicht mehr gesondert erwähnt werden müssen. Außerdem wurde die Verdienstgrenze von jährlich 500 Euro auf 720 Euro angehoben. Die Erhöhung ist eine Betragsangleichung an die steuerliche Regelung in § 3 Nr. 26a EStG n. F. Allerdings gilt die Erhöhung in § 31a BGB für alle Verbände, also anders als in § 3 Nr. 26a EStG, der den sog. „Ehrenamtsfreibetrag“ auf den Bereich der Gemeinnützigkeit begrenzt. Nach § 86 Abs. 1 BGB gilt der neue § 31a BGB auch für Stiftungen.
3. Erstmalige Regelung über die Haftung der Vereinsmitglieder, die Vereinsaufgaben wahrnehmen (§ 31b BGB – neu).
Die neue Vorschrift gilt für Vereinsmitglieder, die für den Verein im Wesentlichen unentgeltlich tätig sind und bei Ausübung dieser Tätigkeit einen Dritten schädigen.Die neue Vorschrift lautet wie folgt:
„§ 31b Haftung von Vereinsmitgliedern
(1) Sind Vereinsmitglieder unentgeltlich für den Verein tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 720 Euro jährlich nicht übersteigt, haften sie dem Verein für einen Schaden, den sie bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen satzungsgemäßen Vereinsaufgaben verursachen, nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. § 31a Absatz 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Sind Vereinsmitglieder nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen satzungsgemäßen Vereinsaufgaben verursacht haben, so können sie von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn die Vereinsmitglieder den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.“
Hintergrund der neuen Regelung laut der Gesetzesbegründung:
Haftungsgleichstellung mit Vorstandsmitgliedern
Neben den Mitgliedern von Vereinsorganen nehmen häufig auch Vereinsmitglieder Aufgaben des Vereins wahr. Wenn die Vereinsmitglieder unentgeltlich für den Verein tätig sind und dabei den Verein oder Dritte schädigen, haben die Gerichte bisher schon die Haftung gegenüber dem Verein nach den Regelungen über die Arbeitnehmerhaftung beschränkt und den Vereinsmitgliedern einen Anspruch auf Befreiung von der Haftung gegen den Verein gewährt, wenn Dritte geschädigt wurden (BGHZ 89, 153, 157 ff.). Nach den Regelungen über die Arbeitnehmerhaftung bestimmt sich die Haftung nach dem Verschuldensgrad. Wird ein Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht, bleibt es bei der vollen Haftung. Wurde ein Schaden nur leicht fahrlässig verursacht, dann muss dafür nicht gehaftet werden. Bei mittlerer Fahrlässigkeit muss nur anteilig gehaftet werden. Die Haftungsbeschränkung nach den Regelungen über die Arbeitnehmerhaftung bleibt daher hinter den Haftungsregelungen nach § 31a BGB für die Vorstandsmitglieder zurück. Die Vorstandsmitglieder müssen dem Verein auch dann nicht haften, wenn ihnen mittlere Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
Durch § 31b BGB sollen Vereinsmitglieder, die im Wesentlichen unentgeltlich Aufgaben des Vereins wahrnehmen, haftungsrechtlich den Vorstandsmitgliedern nach § 31a BGB gleichgestellt werden. Ihre Haftung gegenüber dem Verein soll im gleichen Umfang wie die Haftung der Vorstandsmitglieder beschränkt werden. Allerdings soll die Haftungsbeschränkung nur gegenüber dem Verein, nicht auch gegenüber Vereinsmitgliedern gelten. Für die Schädigung anderer Vereinsmitglieder soll dasselbe gelten wie für die Schädigung Dritter. Bei einer Schädigung anderer Vereinsmitglieder und sonstiger Dritter soll ein Vereinsmitglied in gleichem Umfang wie ein Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Freistellung von der Haftung für den Verein haben.
Es muss eine Wahrnehmung satzungsgemäßer Vereinsaufgaben vorliegen
Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung und für den Anspruch auf Befreiung von der Haftung ist, dass ein Vereinsmitglied einen Schaden bei der Wahrnehmung satzungsgemäßer Vereinsaufgaben verursacht hat, die ihm übertragen worden sind. Satzungsgemäße Vereinsaufgaben sind alle Verrichtungen im Rahmen des Vereinszwecks, die dem Verein obliegen. Die Vereinsaufgaben muss das Mitglied für den Verein unentgeltlich oder gegen eine Vergütung wahrnehmen, die 720 € jährlich nicht übersteigen darf. Gedacht ist an längerfristige Tätigkeiten für den Verein, für die als Anerkennung allenfalls ein geringfügiges jährliches Entgelt gewährt wird. Ein Mitglied muss also primär im Interesse des Vereins und nicht zu eigenen Erwerbsinteressen tätig werden. Wenn ein Vereinsmitglied im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit aufgrund eines Vertrages zu einer im Wesentlichen marktüblichen Vergütung für den Verein tätig wird, nimmt er die Aufgaben nicht primär im Interesse des Vereins wahr, sondern vorrangig zu eigenen Erwerbszwecken.
Das Vereinsmitglied nimmt, wenn es auf dieser Grundlage für den Verein tätig wird, dann keine Vereinsaufgaben, sondern eigene Aufgaben wahr. Dasselbe gilt, wenn ein Vereinsmitglied eigene Mitgliedschaftsrechte und -pflichten innerhalb oder außerhalb der Mitgliederversammlung ausübt.
Auftrag des Vereins erforderlich
Die Vereinsaufgaben müssen dem Mitglied vom Verein übertragen worden sein, d. h. das Vereinsmitglied muss mit der Aufgabenwahrnehmung vom Verein beauftragt worden sein. Nur dann ist es gerechtfertigt, den Verein für etwaige Schäden, die das Vereinsmitglied verursacht hat, aufkommen zu lassen. Nimmt ein Vereinsmitglied Vereinsaufgaben ohne Wissen des Vereins wahr, dann ist es nicht gerechtfertigt, die Haftung des Vereinsmitglieds gegenüber dem Verein zu beschränken oder dem Vereinsmitglied einen Anspruch auf Befreiung von der Haftung gegenüber Dritten zu gewähren.
§ 31b BGB nicht durch Satzung abdingbar
§ 31 b soll zwingendes Recht sein, von dem die Vereine durch die Satzung nicht abweichen können. Deshalb wurde die Vorschrift nicht in § 40 aufgenommen.