Der Verlauf war abzusehen: Die große Aufregung der vergangenen Monate ebbt allmählich ab, es zieht nun langsam das Alltagsgeschäft ein. Dass es die Künstlersozialabgabe gibt, hat sich herumgesprochen. Nun geht es darum, dieses für viele neue Rechtsgebiete abzuarbeiten
Das böse Erwachen kommt derzeit für mehrere Zehntausend Unternehmen pro Jahr mit einem Brief von der Künstlersozialkasse oder der Deutschen Rentenversicherung. Bis dahin hatte man noch nie etwas von einer „Künstlersozialabgabe“ gehört. So mancher verantwortliche Vorstand oder Pressechef kommt in Erklärungsnöte, warum eine Behörde mit einem Mal eine womöglich fünfstellige Summe für eine Abgabe nachfordern kann und firmenintern niemand davon wusste. Anwälte werden eingeschaltet, umfangreiche Schriftwechsel teuer bezahlt und am Ende bleibt die Erkenntnis: Die KSK bekommt ihr Geld.
Die Erklärung hierfür findet sich in § 24 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Danach müssen nicht nur Unternehmen zahlen, auch Vereine, Stiftungen oder Behörden sind abgabepflichtig, wenn sie beispielsweise ihre PR- und Öffentlichkeitsarbeit in die Hände freier Mitarbeiter und Berater legen oder Veranstaltungen organisieren. Der Grund für diese Abgabe: die soziale Sicherung freier Künstler und Publizisten.
Verbände können von der Künstlersozialabgabe doppelt betroffen sein: als selbst abgabepflichtiger Verwerter und als Ratgeber für die Mitglieder.
Die soziale Sicherung freier Künstler und Publizisten
Die Künstlersozialversicherung dient einem guten Zweck. Freie Künstler und Publizisten nämlich sind – trotz ihrer Selbstständigkeit – nach dem KSVG versicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Und zu den Versicherungsbeiträgen erhalten sie von der KSK einen Zuschuss von 50 Prozent. Je nach Einkommen sind dies einige Tausend Euro im Jahr. Zu dieser Pflichtabsicherung mit gleichzeitiger Beitragsbezuschussung sah sich der Gesetzgeber 1983 gezwungen. Denn bis dahin hatten sich freie Künstler und Publizisten reichlich wenig um ihre soziale Vorsorge gekümmert – schließlich lenkt jeder Verwaltungsaufwand in eigenen Dingen ja nur ab vom Wichtigsten, der Kunst.
Die Zuschüsse müssen aber finanziert werden. Der Staat übernimmt nur einen Teil, nämlich 40 Prozent. Den Rest müssen die abgabepflichtigen Unternehmen aufbringen, und zwar über die Künstlersozialabgabe.
Lassen Sie sich nicht von dem Wort „Künstler“ täuschen. Der Gesetzgeber dachte hier nicht an singuläre Genies. Jeder Grafiker, jeder Designer, jeder Werbefotograf ist „Künstler“ im Sinne des KSVG. Und jeder Journalist und jeder Werbetexter ist „Publizist“. Es trifft nach Meinung der KSK jeden Verband, der im Jahr nur einen Auftrag an einen freien Texter oder Grafiker vergibt. Mit anderen Worten: Jeder Verband, der auch nur einen Auftrag im Jahr an einen selbstständigen PR-Berater oder eine Grafikerin erteilt, muss nach Meinung der KSK als sog. Eigenwerber auf das anfallende Honorar die Künstlersozialabgabe zahlen. Ob wirklich ein einziger Auftrag pro Jahr genügt, um die Abgabepflicht auszulösen, mögen die Gerichte klären. Die Zahl aber zeigt die Größenordnung an, um die es geht.
Und da bislang zu wenige der abgabepflichtigen Verwerter auch tatsächlich erfasst wurden, hat der Gesetzgeber die Deutsche Rentenversicherung mit einbezogen. Die sucht nun nach noch nicht erfassten Verwertern, schreibt sie an und erhebt die Abgabe.
Die Details
Was die abgabepflichtigen Verwerter genau zahlen müssen, hängt von zwei Faktoren ab: erstens von der Summe der Honorare, die in einem Kalenderjahr an freie Künstler und Publizisten – egal ob Einzelunternehmer oder Personengesellschaft – gezahlt wurden (dies ist die sogenannte Bemessungsgrundlage), und zweitens dem Vomhundertsatz (Prozentsatz) der Künstlersozialabgabe. Für das Jahr 2009 beträgt dieser Vomhundertsatz 4,4 Prozent. Damit ist die Rechnung einfach: Wenn ein Unternehmen 20.000 Euro an Texter und Layouter gezahlt hat, müssen zusätzlich zu diesem Honorar 4,4 Prozent der Honorarsumme an die KSK geleistet werden, hier also 880 Euro.
Die Abgabepflicht betrifft wohlgemerkt nur Honorare, die an Selbstständige und an Personengesellschaften gezahlt wurden. Honorare an Kapitalgesellschaften fallen dagegen aus der Abgabepflicht heraus. Wer also eine GmbH, AG oder Ltd. beauftragt, ist aus dem Schneider. Hierin sehen viele eine Benachteiligung der Personengesellschaften, da diese durch die Abgabe für den Kunden teurer würden. Allerdings hat auch die GmbH ihren Nachteil: Zwar muss der Kunde auf das Honorar keine Abgabe leisten, dafür können aber die Gehälter der Geschäftsführung der Abgabe unterliegen. Zudem hat die GmbH für sich schon höhere Kosten etwa durch die Bilanzierung, es bestehen Publizitätspflichten – insgesamt haben also Personen- wie Kapitalgesellschaften je ihre eigenen Vor- und Nachteile. Keinesfalls darf der Verwerter die Künstlersozialabgabe von den Honoraren einbehalten – die Abgabe sollte also unbedingt in der eigenen Kalkulation berücksichtigt werden!
Verwaltungssache
Ein abgabepflichtiger Verwerter muss sich bei der KSK melden. Tut er dies nicht, kann die KSK ein Bußgeld von inzwischen bis zu 50.000 Euro verhängen. Nach der Meldung erhält der Verwerter einen Fragebogen, der auszufüllen ist. Anhand dieser Informationen entscheidet die KSK, ob der Verwerter tatsächlich abgabepflichtig ist. Wenn ja, werden in der internen Verwaltung einige Vorkehrungen notwendig, denn nun müssen bestimmte Aufzeichnungspflichten beachtet werden, damit die KSK bei einer Betriebsprüfung anhand der bezahlten Rechnungen die Abgabenhöhe kontrollieren kann. Außerdem muss der KSK jedes Jahr die Summe gemeldet werden, die im abgelaufenen Kalenderjahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlt wurde. Anhand dieser Meldung berechnet die KSK dann die Künstlersozialabgabe. Es ist diese Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die vergangenen fünf Kalenderjahre, die einen erheblichen Aufwand verursacht, denn der Verwerter muss die einzelnen Belege durchsehen und entscheiden, ob eine künstlerische oder publizistische Leistung vorliegt, welcher Betrag der Rechnung abgabepflichtig ist etc.
Die Summe der an freie Mitarbeiter für künstlerische und publizistische Leistungen gezahlten Honorare ist damit der Angelpunkt, der über die Höhe der Künstlersozialabgabe entscheidet. Viele Unternehmen verstehen auch hier die Begriffe „künstlerisch“ und „publizistisch“ falsch. Denn der Gesetzgeber war nicht zimperlich und hat den Umfang der Bemessungsgrundlage in § 25 KSVG weit gefasst. Denn nach § 25 KSVG zählt zur Bemessungsgrundlage „alles“, was ein abgabepflichtiges Unternehmen aufwendet, um die künstlerische oder publizistische Leistung zu nutzen. Damit sind neben dem eigentlichen Honorar etwa für ein PR-Konzept auch nichtkünstlerische Nebenkosten erfasst. Stellt beispielsweise ein Grafiker neben seiner Gestaltungsleistung auch die Reinzeichnung und das Datenhandling in Rechnung, ist die Gesamtsumme abgabepflichtig. Gleiches gilt bei einem Fotografen, der neben seinem Honorar auch Material, den Assistenten und Models sowie deren Reisekosten in Rechnung stellt. Lediglich die Reisekosten des Künstlers selbst lassen sich abziehen.
Die Ausgleichsvereinigung
Der Aufwand durch die Künstlersozialabgabe ist für die betroffenen Verwerter erheblich, nicht zuletzt durch die schwierigen Begriffe „Kunst“ und „Publizistik“, die in der täglichen Praxis immer wieder schwierige Abgrenzungsfragen aufwerfen. Es gibt aber eine Möglichkeit, sich die Arbeit zu erleichtern. Denn das Gesetz bietet die Möglichkeit, dass sich mehrere Verwerter zusammenschließen und die Künstlersozialabgabe nicht anhand einer Einzelbelegprüfung berechnen, sondern anhand eines pauschalen Maßstabs. Dieser Maßstab kann der Umsatz sein, der Werbeetat oder jede andere Vergleichsgröße, welche die Abgabe realistisch abbildet. Der Zusammenschluss nennt sich dann Ausgleichsvereinigung (AV).
Der Aufwand für die Gründung der AV wird oftmals aufgewogen durch die erhebliche Zeitersparnis hinterher. Und gerade den Verbänden bietet sich hier ein Feld, um den Mitgliedseinrichtungen beim Sparen zu helfen, indem sie die Infrastruktur und die Organisation der Gründung einer AV übernehmen.
Dabei kommt auch die Zeit helfend ins Spiel: Noch vor Monaten waren die Hürden für die Gründung einer AV in der Verwaltungsrealität sehr hoch. Inzwischen haben Politik und Verwaltung die Zeichen der Zeit erkannt und die Anforderungen angepasst: Die Gründung erfolgt nun sehr viel leichter.Es zeigt sich, dass die Künstlersozialabgabe einerseits in ruhigere Fahrwasser gekommen ist (die laufenden Musterklagen gegen die Abgabe werden vor dem Bundessozialgericht keinen Bestand haben), auf der anderen Seite aber auch Fahrt aufgenommen hat und es nun für alle Seiten darum geht, diese schwierige Rechtsmaterie für den Alltag handhabbar zu machen.
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