Eingetragene Vereine bezeichnet das Bürgerliche Gesetzbuch ausdrücklich als „nicht wirtschaftliche Vereine“. Nur sie können in das Vereinsregister eingetragen werden und auf diese Weise Rechtsfähigkeit erlangen. § 21 BGB definierte solche Vereine als solche, deren „Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist“. Aus dieser Formulierung ist allerdings nicht zu folgern, dass eingetragene Vereine – also auch die meisten Berufsverbände und gemeinnützigen Vereine – sich überhaupt nicht wirtschaftlich betätigen dürfen.
Vielmehr dürfen sie sich, wenn auch in eingeschränktem Umfang, auch als Unternehmer betätigen, ohne hierdurch ihren Status als e.V. zu verlieren. Man bezeichnet diese Befugnis meist als „Nebenzweckprivileg“. Überschreitet ein Verein das Maß dessen, was nach dem Nebenzweckprivileg an wirtschaftlicher Tätigkeit zulässig ist, so hat dies die Streichung aus dem Vereinsregister und damit den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge.
Wie weit die Befugnis zu wirtschaftlicher Tätigkeit allerdings geht, ist höchst unsicher und wurde in der Vergangenheit auch nur selten kritisch hinterfragt. Ein Beispiel hierfür waren lange Zeit die großen Fußballvereine, deren umfangreicher Spielerhandel allseits bekannt war. Trotzdem schritten die Registergerichte lange Zeit nicht ein. Inzwischen haben jedenfalls viele Fußballvereine vorsichtshalber ihre Vertragsspielerabteilungen in eigene Kapitalgesellschaften ausgelagert, sofern sie sich nicht gleich selbst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt haben und damit dem Problem insgesamt aus dem Wege gingen. In vielen Bereichen gibt es aber auch heute noch (auch in Form von Berufsverbänden oder gemeinnützigen Vereinen) Vereine, die überwiegend oder sogar ausschließlich unternehmerisch tätig sind. Man denke z. B. an den Betrieb von Pflege- oder Erholungsheimen durch gemeinnützige Vereine. Droht auch ihnen wegen Überschreitung des Nebenzweckprivilegs die Streichung aus dem Vereinsregister und damit der Verlust des Zusatzes „e. V.“? Geht die „Schonzeit“ auch für diese Vereine zu Ende?
Jedoch kein Grund zur Panik
Zunächst ist festzustellen, dass kein Anlass zu akuter Panik besteht. Es mehren sich aber die Zeichen, dass die Gerichte dem „Nebenzweckprivileg“ zunehmend Beachtung schenken, was bei den betroffenen Vereinen einige Betroffenheit auslösen kann. Jüngstes Beispiel ist ein Fall, in dem das Amtsgericht Charlottenburg einem in Entstehung begriffenen gemeinnützigen Verein von vorneherein die Eintragung in das Vereinsregister mit der Begründung verweigerte, der Verein beabsichtige, einige seiner Räume zu günstigen Konditionen an überwiegend gemeinnützige Mitglieder unterzuvermieten (Beschluss vom 28. Februar 2011, Aktenzeichen 95 AR 141/11 B). Ob das Gericht mit dieser Verweigerungshaltung falschlag, lässt sich anhand der dürftigen Sachverhaltsdarstellung nicht abschließend beurteilen. Fest steht jedoch, dass dieses Berliner Gericht von Anfang an die Grenzen des Nebenzweckprivilegs geprüft hat.
Diese Tendenz ist neu und scheint insbesondere in Berlin um sich zu greifen, wie ein weiterer Beschluss des Kammergerichts vom 18.1.2011 (Aktenzeichen 25 W 14/10) zeigt. In diesem Fall begehrte ein Verein die Registereintragung, deren Zweck die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sein sollte. Der Verein wollte seinen Zweck vor allem durch Unterhaltung von Kindertagesstätten und Durchführung von Veranstaltungen zur Jugendbildung und Familienberatung erfüllen. Der Antrag auf Eintragung in das Vereinsregister wurde abgelehnt; der Verein scheiterte mit seinem Anliegen auch in letzter Instanz vor dem Kammergericht Berlin. Dessen Begründung ist bemerkenswert und dürfte insbesondere gemeinnützigen Vereinen in Zukunft einige Kopfschmerzen bereiten. Das Gericht nahm einen unzulässigen wirtschaftlichen Verein im Wesentlichen mit folgender Begründung an:
Es lag ein nicht eintragungsfähiger wirtschaftlicher Verein vor
Die Anmeldung war zurückzuweisen, weil davon auszugehen ist, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliegt. Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern die tatsächlich ausgeübte bzw. beabsichtigte Tätigkeit. Die Annahme eines Idealvereins ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verein irgendeine wirtschaftliche Betätigung vornimmt. Gemäß dem sog. Nebenzweckprivileg darf der Verein auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, soweit diese dem idealen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind. Ob aber ein wirtschaftlicher Hauptzweck verfolgt wird, ist typologisch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB zu ermitteln. Der Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB ist es, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit diese den Rahmen des sogenannten Nebenzweckprivilegs überschreitet.
Wann liegt eine schädliche wirtschaftliche Betätigung vor?
Eine wirtschaftliche Betätigung i. S. des § 22 BGB liegt dabei vor, wenn der Verein am Markt gegenüber Dritten unternehmerisch tätig wird, für seine Mitglieder unternehmerische Teilfunktionen wahrnimmt oder allein gegenüber seinen Mitgliedern unternehmerisch auftritt. Ist zweifelhaft, ob die Eintragungsvoraussetzungen nach § 21 BGB gegeben sind, hat der anmeldende Vorstand gegenüber dem Registergericht eine Pflicht zur Darlegung aller Umstände, welche die insgesamt nichtwirtschaftliche Betätigung des Vereins begründen sollen, da nur dieser Aussagen dazu treffen kann, was der Verein in Zukunft tun wird.
Der Satzungszweck ist nicht allein entscheidend
Nach diesen Grundsätzen kann nicht ausreichend festgestellt werden, dass es sich beim Beteiligten um einen Idealverein handelt. Zur Bejahung eines Idealvereins reicht es nicht aus, dass ein Zweck verfolgt wird, der ideeller Natur ist. Dass der hier verfolgte Zweck laut Satzung ideeller Natur ist und obendrein gesellschaftlich begrüßenswert ist, ist daher unerheblich. Solche Zwecke können ebenso wie nicht ideelle Zwecke kommerzialisiert werden. Durch die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln sowie die entgeltliche Anbietung von Leistungen kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb entstehen, weshalb es auch gerade im Bereich von Kindergärten/-tagesstätten zahlreiche gewerbliche Betreiber gibt.
Es kommt entscheidend auf die Art der Zweckverwirklichung an
Es ist deshalb zu fragen, in welcher Art und Weise der Zweck verfolgt wird. Der beabsichtigte planmäßige, auf Dauer angelegte entgeltliche Betrieb von Kinderbetreuung ist grundsätzlich, wie das Amtsgericht Charlottenburg zutreffend annimmt, eine entgeltliche unternehmerische Betätigung, was nicht zuletzt die vielen Kindergärten in Form einer GmbH zeigen. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht des Vereins selbst kommt es dabei nicht an. Es ist auch unerheblich, in welcher Art und Weise die Entgelte fließen, ob ausschließlich durch die Leistungsnehmer oder staatliche Leistungsträger. Es kommt auch nicht darauf an, ob gesetzliche Ansprüche auf Fördermittel vorgesehen sind, ob ein kostendeckender Betrieb etwa durch die Landeshaushaltsordnung vorgeschrieben ist oder ob Mitglieder des Vereins ehrenhalber ihre Arbeitsleistung
anbieten.
Ehrenamtlichkeit ist nicht entscheidend
Denn maßgeblich ist allein, dass nicht als Verein eingetragen werden soll, wer entgeltlich, auf Dauer und planmäßig Leistungen an Dritte erbringen will, die eine unternehmerische Betätigung darstellen. Dass die Personen, die für den Verein diese unternehmerische Leistung ausführen, dafür selbst kein Entgelt erhalten, nimmt der ausgeübten Tätigkeit nicht das Unternehmerische. Eine unternehmerische Betätigung entfällt auch nicht dadurch, dass kommunale Einrichtungen ebenfalls Kindergärten betreiben. Ob sich eine Kommune entschließt, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen oder nicht und – wenn ja – in welcher Rechtsform, betrifft nicht die Frage, ob es sich um eine wirtschaftliche Betätigung i. S. d. § 22 BGB handelt. Soweit der Beteiligte ausführt, er sei ein Träger von Kindertagesstätten, so liegt auch kein ideeller Verein vor. Wäre der Beteiligte auf die bloße Trägerschaft reduziert, würde sich seine Funktion erst recht als auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet zeigen. Er würde dann nämlich bloßer Dienstleister für die Einzelkindertagesstätten.
Der Vorstand muss an der Aufklärung mitwirken
Die hier in Rede stehende wirtschaftliche Betätigung fällt nicht unter das sog. Nebenzweckprivileg. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins funktional untergeordnet ist. Der Beteiligte hat trotz Hinweises auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme des Nebenzweckprivilegs nichts dazu ausgeführt, in welcher Form die Unterhaltung der Kindergärten, die in der Satzung an erster Stelle genannt ist, hinter den übrigen geplanten Aktivitäten zurückbleibt.
Keine „Gleichbehandlung im Unrecht“!
Der Beteiligte kann sich auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1GG darauf berufen, dass entsprechende Vereine anderswo im Register eingetragen sind. Zum einen ist hier nicht nachprüfbar, ob es sich tatsächlich um einen gleichgelagerten Fall handelt, zum anderen gibt es nicht die sog. Gleichbehandlung im Unrecht.
So weit das Kammergericht Berlin. Welche Rolle spielt die Gemeinnützigkeit?
Das Kammergericht hat in diesem Beschluss die Frage offengelassen, ob anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn das Finanzamt den Verein als gemeinnützig anerkannt hätte. Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss vom 28.9.2009 (Aktenzeichen: 2 Wx 36/09) zur Bedeutung der steuerlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit ausgeführt, dass die steuerrechtliche Behandlung eines Vereins in diesem Zusammenhang unerheblich sei. Es sei nicht möglich, aus steuerrechtlichen Vorschriften auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer zivilrechtlichen Konstruktion zu schließen.
Wie bestimmt man die Grenzen des Nebenzweckprivilegs?
Diese Frage ist nicht eindeutig geklärt und nicht im Voraus zuverlässig für alle denkbaren Fallkonstellationen zu beantworten. In einem Teil der Fachliteratur werden objektive Größenkriterien befürwortet. Die Rechtsprechung lehnt jedoch feste Größenkriterien ab und stellt stattdessen auf eine qualitative Zweck-Mittel-Relation ab. Die Hauptbetätigung muss nach wie vor eine ideelle Betätigung sein, was nicht der Fall ist, wenn ein Verein sich faktisch ausschließlich unternehmerisch betätigt. Weiterhin muss sich die unternehmerische Tätigkeit im Rahmen des Vereinszwecks halten und sich „bei natürlicher Betrachtungsweise als ein die ideelle Betätigung ergänzendes, noch objektiv sinnvolles Mittel zur Förderung des Vereinszwecks darstellen“ (so z. B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.10.2010, Aktenzeichen: 20 W 254/10). Solange die ideelle Betätigung dem Verein das Gepräge gibt und sein Erscheinungsbild bestimmt, ist eine wirtschaftliche Betätigung vereinsrechtlich unschädlich, wenn sie dem ideellen Hauptzeck des Vereins nützlich ist. Dann kann der Verein in das Vereinsregister eingetragen werden, bzw. eine Streichung aus dem Vereinsregister wäre rechtswidrig, sofern sie mit der Unzulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung begründet würde.