Verbändereport AUSGABE 6 / 2013

Verbandskapital im Niedrigzinsumfeld sicher anlegen

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Wer risikobewusst Geld anlegen will, hat derzeit ein gravierendes Problem. Für Termin-einlagen und festverzinsliche Wertpapiere mit sehr hoher Bonität liegen die Erträge spürbar unterhalb der Inflationsrate – oder anders ausgedrückt, bei realer Betrachtung kommt es zum Kapitalverzehr. Soll dies vermieden werden, oder ist man gar auf eine gewisse Mindestverzinsung angewiesen, kann man faktisch nicht umhin, Risiken zu akzeptieren, die in der Vergangenheit sehr wohl gemieden werden konnten.

Verschärft wird die Problematik noch dadurch, dass extrem niedrige Zinserträge aus heutiger Sicht kein rasch vorübergehendes Problem sind, das sich ohne größere Verluste aussitzen lässt. Viele klassische Industrieländer haben strukturelle Probleme bei gleichzeitig hoher Verschuldung, sei es im öffentlichen und/oder privaten Bereich. Hinzu kommen Banken, die aufgrund fauler Kredite aus der Boomphase und verschärfter regulatorischer Vorschriften unterkapitalisiert sind und nicht im gewohnten Maße Kredite vergeben können. Zwangsläufige Folge ist, dass die expansive Geldpolitik der Zentralbanken eher zum Schuldenabbau – dem sogenannten Deleveraging, als zu zusätzlicher Güternachfrage führt.

Speziell in Europa, aber auch für die Weltwirtschaft insgesamt werden wir uns auf einen mittelfristig recht flachen Wachstumspfad einrichten müssen. Eine wirklich inflationstreibende Konjunktursituation mit der Folge steigender Zinsen ist derzeit nicht absehbar. Von daher werden auch die großen Zentralbanken ihren expansiven Kurs mit entsprechend niedrigen Leitzinsen bis auf Weiteres fortsetzen. Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), kündigte in der Pressekonferenz im Anschluss an die EZB-Ratssitzung an: „Die Leitzinsen bleiben für einen ausgedehnten Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder niedriger.“

Die zwangsläufige Folge der Niedrigzinspolitik sind Realkapitalverluste bei sehr sicherem Anlagen. Sicher anlegen hieße, in Wertpapiere „höchster Bonität, nahezu kein Ausfallrisiko“ (Ratingklasse AAA) zu investieren und zum Schutz vor steigenden Inflationsraten und Zinsen den Anlagehorizont auf drei Jahre zu beschränken. Papiere dieser Qualität und Laufzeit bieten aktuell aber nicht mehr als eine Rendite von etwa einem halben Prozent. Sollte die Inflationsrate bei rund zwei Prozent verharren, bedeutet dies selbst nach Einrechnung der Zinszahlungen eine Entwertung des Rückzahlungsbetrages um annähernd fünf Prozent. Und selbstverständlich gibt es keine Garantie dafür, in drei Jahren ein wirklich günstigeres Anlageumfeld vorzufinden.

Risikoarten

Wer also sein Realkapital sichern will, ist faktisch zu einer höheren Risikoakzeptanz gezwungen. Vor einer Entscheidung, welches Risiko man einzugehen bereit ist, sollte man aber sehr wohl die unterschiedlichen Risikoarten eingehender betrachten:

1.) Laufzeit- oder Zinsänderungsrisiko

Mit längeren Laufzeiten sind höhere Renditen, aber unabdingbar auch Verlustrisiken verbunden. Die einmal gekaufte Rendite ist faktisch bis zum Laufzeitende festgeschrieben. Sollten die Zinsen steigen, entgehen dem Anleger ansonsten höhere Zinseinnahmen und bei steigender Inflation droht zudem ein Realkapitalverlust. Bei langen Laufzeiten kann dieser Effekt sehr erheblich sein.

2.) Kursänderungsrisiko

Bei festverzinslichen Wertpapieren, die bis zur Fälligkeit gehalten werden, sind Kursrisiken aufgrund  Veränderungen des Zinsniveaus unerheblich. Die Rückzahlung erfolgt stets zum Kurs von 100. Sollte jedoch der Zwang entstehen, ein Wertpapier vor Fälligkeit zu verkaufen, können durchaus erhebliche Risiken virulent werden. Sollten die Zinsen für eine Bundesanleihe mit 7-jähriger Restlaufzeit von derzeit einem Prozent auf drei Prozent steigen, wäre ein Kursabschlag von 13,5 Prozent zu akzeptieren.

Ausfallrisiko

Da im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Emittenten zumindest größere Teile des angelegten Vermögens verloren sind, ist das Ausfallrisiko zweifelsfrei besonders zu beachten. Übliche Basis für die formale Beurteilung des Ausfallrisikos ist  das sogenannte Rating. Dieses wird im Auftrag des Auflegers eines Wertpapieres (Emittent) von Ratingagenturen erstellt. Staaten und große Unternehmen verfügen in der Regel über ein Rating von einer der großen Ratingagenturen. Die Anlagevorschriften institutioneller Investoren enthalten, sei es gesetzlich erzwungen, wie bei Versicherungen, oder auf freiwilliger Basis, wie häufig in den Anlagerichtlinien von Verbänden, eine Beschränkung auf Anlagen mit einem festgelegten Mindestrating, wobei als spekulativ klassifizierte Anlagen mit Rating schlechter als BBB – im Regelfall ausgeschlossen sind (vgl. Abbildung 1 S. 48, Ratingklassen).

Ohne Risiko kein Erhalt des Realkapitals

Wer bei dem gegebenen Niveau der Renditen für festverzinsliche Wertpapiere (vgl. Abbildung 2 S. 49, Renditen festverzinslicher Wertpapiere) zumindest sein Realkapital sichern will, wird zumindest eines der oben genannten Risiken eingehen müssen:

Um im wirklich sicheren Bereich der AAA-Ratings eine Rendite über der 2-Prozent-Marke zu erzielen, ist ein Laufzeitrisiko von gut und gerne zehn Jahren erforderlich – will man den Wert mit einer Bundesanleihe erreichen, braucht es gegenwärtig einen Anlagehorizont von mehr als zehn Jahren.

Wer sein Laufzeitrisiko auf fünf Jahre verkürzen will, wird bereits die Ratinggruppe BBB akzeptieren müssen. Also deutliche Abstriche bei der Qualität machen und sowohl Kursänderungsrisiken bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung als auch gewisse Ausfallrisiken in Kauf nehmen.

Aktien als Alternative?

Da nach Abzug der Inflationsrate ein positiver risikofreier Zins faktisch nicht mehr erzielbar ist, stellt sich derzeit für viele die Frage, ob in dieser Situation nicht Aktien die besseren Rentenpapiere wären. Zudem bieten sie ja auch einen gewissen Inflationsschutz. Tatsächlich haben institutionelle Investoren den Anteil festverzinslicher Wertpapiere in ihren Portfolios zuletzt deutlich reduziert. Was die Anleger zum Nachdenken bringt, am konkreten Beispiel von Siemens: Die Aktie bot in 2013 eine Dividendenrendite von 3,6 Prozent, eine Siemensanleihe mit einer Restlaufzeit von 3,5 Jahren notiert aktuell mit einer Rendite von 0,94 Prozent. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlustes in beiden Fällen faktisch gleich hoch.

Ein sicherheitsbewusster Anleger, dessen Interesse auf laufende Erträge aus der Kapitalanlage gerichtet ist, sollte allerdings bei einem Aktieninvestment zwingend beachten:

  • Aktien sind haftendes Eigenkapital und daher im Krisenfall vor allen anderen Verbindlichkeiten eines Unternehmens negativ betroffen.
  • Aktien haben kein Laufzeitende, bei dessen Erreichen mit Kurs von 100 zurückbezahlt wird. Sie können dauerhafte Kursverluste und einen entsprechenden Vermögensschaden verursachen.
  • Investiert werden darf nur ein Anteil des Verbandskapitals, der wirklich längerfristig zur Verfügung steht. Verkaufszwang in Verlustsituationen sollte verhindert werden.
  • Die Anlage darf nicht spekulativ – also mit Blick auf Kursgewinne – erfolgen, sondern ist wie ein festverzinsliches Wertpapier mit unbegrenzter Laufzeit zu betrachten. Kursschwankungen sollten für diesen Teil der Vermögensanlage keine Rolle spielen, entscheidend ist der Dividendenertrag.
  • Um Ausfallrisiken und mögliche hohe Kursverluste bei einzelnen Aktien zu minimieren, empfiehlt es sich, in eine breite Auswahl von großen Titeln mit nachhaltiger Dividendenhistorie zu investieren.

Was natürlich in jedem Fall verbleibt, ist ein hohes Schwankungsrisiko. Auch erstklassige Aktien können in Krisenjahren schon mal um 50 Prozent an Wert verlieren. Von daher ist es hier besonders wichtig, innerverbandlich die zugehörige Risikotragfähigkeit sicherzustellen. Der Verkauf nur aus Sorge um weitere Verluste hat sich in der Vergangenheit stets als die schlechteste aller Alternativen erwiesen.

Zum Umgang mit Risiken – wie investieren?

Für den Umgang mit Risiken bei der Anlage in stärker risikobehafteten Wertpapieren gilt als unabdingbarer Grundsatz: Diversifizierung! Dies gilt selbst für den Teil des Vermögens, der zur Liquiditätsvorsorge von den Verbandsverantwortlichen selbst verwaltet wird. Selbst wenn man sich hier auf festverzinsliche Wertpapiere mit sehr gutem Rating beschränkt, sollte man Ausfallrisiken, die aus einem hohen Anteil einzelner Emittenten, und Wiederanlagerisiken, die aus der Häufung termingleicher Fälligkeiten entstehen, dringend meiden.

Für Vermögen, die aufgrund ihrer Größe und des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes eine breite Streuung stärker risikobehafteter Titel nicht ermöglichen, wird die Nutzung von professioneller Beratung oder Investmentfonds kaum zu umgehen sein. Natürlich können Einzelrisiken in Vermögenverwaltungsmandaten überwacht und über Fonds sehr breit gestreut werden. Ganz unproblematisch ist die Nutzung dieser Instrumente aber natürlich trotzdem nicht:

Investmentfonds haben im Regelfall keine Fälligkeiten. Ihre Kurse verhalten sich wie der Durchschnitt der enthaltenen Papiere. Sollte unerwartet Liquiditätsbedarf entstehen, wäre man im Zweifelsfall gezwungen, Verluste zu realisieren.

In einem Umfeld, das für hinreichend sichere Anlagen kaum zwei Prozent Rendite ermöglicht, können die Verwaltungskosten sehr schnell ähnlich hoch liegen wie die absehbaren Erträge.

Eine intensive Prüfung der Kosten für alle Angebote aus dem Bereich der Vermögensverwaltung – im Zweifelsfall unter Hinzuziehung unabhängiger Beratung – ist derzeit besonders wichtig.

Eine kostengünstige Lösung stellen sogenannte Indexfonds oder Exchange Traded Funds (ETFs) dar – sie werden daher von Banken auch nur in seltenen Fällen angeboten. ETFs bilden einen Index – beispielsweise die 15 dividendenstärksten Titel aus dem DAX – im Verhältnis 1:1 ab, allerdings ohne weiteres Management der Anlage und damit zu vergleichsweise niedrigen Kosten. Der Investor erhält also jeweils exakt das Marktergebnis für eine ausgewählte Vermögensklasse. Bei der Auswahl sollte man aber darauf achten, voll replizierende Fonds zu kaufen, d.h., sie investieren ohne den Einsatz sonstiger Finanzprodukte direkt in die entsprechenden Wertpapiere und das Vermögen wird als Sondervermögen bei einer Depotbank hinterlegt. Der Investor trägt daher keinerlei Risiko bezogen auf den Emittenten des Fonds.

Allerdings setzt die Nutzung dieser kostengünstigen Alternative eine klare Vorstellung über die Risikotragfähigkeit des Verbandes und damit über die möglichen Anteile der einzelnen Vermögensklassen an der Verbandsanlage voraus. Als Faustregel könnte hierbei gelten:

Aufgrund der Schwankungsrisiken sollte der Aktienanteil – selbst wenn er ausschließlich aus dividendenstarken DAX-Titeln besteht – ein Drittel nicht übersteigen.

Entsprechende Indexfonds für Staatsanleihen mit hohem Rating und Pfandbriefe sollten mit ebenfalls einem Drittel Anteil als Risikoausgleich dienen.

Für das verbleibende Drittel empfiehlt sich ein Investment in Unternehmensanleihen. Hier kann über entsprechende Fonds auch noch nach der Risikoklasse der Titel differenziert werden.

Wichtig hierbei ist, dass ETFs eine hohe Risikostreuung bieten. So enthalten beispielsweise große ETFs für Unternehmensanleihen Papiere von mehreren Hundert Emittenten. Aber unabhängig von Faustregeln, Diversifizierungsmöglichkeiten und Niedrigzinsumfeld gilt natürlich, dass jeder Verband, bezogen auf seine individuelle Risikotragfähigkeit, die Anlageentscheidungen zu treffen hat.   

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Autor/in

Franz März

war vor Beginn seiner Tätigkeit als Berater für Verbände siebzehn Jahre in leitender Position für Unternehmensverbände tätig. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung bei der strategischen Ausrichtung von Verbänden sowie der institutionellen Vermögensverwaltung.

http://www.franz-maerz-consulting.de