Mit dem Forschungsvorhaben „Bürgerschaftliches Engagement & Management“ des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend wurde erstmals die Leitungsebene gemeinnütziger Organisationen systematisch untersucht. Im Mittelpunkt der quantitativen Untersuchung stand die telefonische Befragung haupt- und ehrenamtlicher Führungskräfte in Vereinen und Verbänden. Die Forschungsergebnisse beruhen auf den Aussagen von mehr als 2.000 Führungskräften, die in den befragten Organisationen auf unterschiedlichen föderalen und fachlichen Gliederungsebenen haupt- oder ehrenamtlich tätig waren. Nachstehend die wichtigsten Forschungsergebnisse im Überblick.
Kompetenz in Haupt- und -Ehrenamt
In Studium und Ausbildung erworbene Qualifikationen wurden von allen Befragten als wichtig für eine qualifizierte Mitarbeit in einer gemeinnützigen Organisation erachtet. Aber auch Kompetenzen, die auf Lernprozesse in einer hauptamtlichen Tätigkeit oder einem früheren Ehrenamt zurückverweisen, sowie das „learning on the job“ in der aktuellen Tätigkeit wurden als wichtig eingeschätzt. Trotz dieser vielfältigen Lernkontexte sahen die meisten Befragten Weiterbildungsbedarf. Während Fort- und Weiterbildungen im Aufgabengebiet der Organisation und der Öffentlichkeitsarbeit bei allen Befragten ganz oben auf der Präferenzliste standen, formulierten die ehrenamtlichen Führungskräfte ausgeprägte Weiterbildungswünsche im Bereich des Freiwilligenmanagements, hauptamtliche im Projektmanagement und im Bereich Finanzen.
Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt
Die Zusammenarbeit auf der Leitungsebene wurde von den Befragten positiv gewertet. Potenzielle Reibungsflächen zeigten sich in der unterschiedlichen Beurteilung von Sachfragen sowie Koordinations- und Kommunikationsproblemen. Hierbei fiel die Bewertung der Kooperation aus Sicht der Hauptamtlichen im Vergleich zu den Ehrenamtlichen wesentlich kritischer aus. Knapp zwei Drittel der hauptamtlichen Führungskräfte kritisierten darüber hinaus Informationsdefizite aufseiten des ehrenamtlichen Vorstands.
Perspektiven auf die -Organisation
Bei der Wahrnehmung der Organisation und ihrer Aufgabenbereiche bestanden zwischen den haupt- und ehrenamtlich tätigen Führungskräften deutliche Unterschiede. Im Fokus der Hauptamtlichen dominierten Geschäftsbereiche, die den Außenbezug und die Funktionen der Organisation (insbesondere Dienstleistungs- und Interessenvertretungsfunktion) charakterisieren. Im Blickfeld der Ehrenamtlichen waren hingegen stärker der Binnenbezug, also die Funktion der Mitgliederorganisation, und schließlich der nicht formal-organisationale lebensweltlich-gemeinschaftliche Bezug der Engagierten sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander.
Soziale Herkunft
Das Elternhaus hat deutlichen Einfluss auf die Karriere von Führungskräften in NPOs. Fast 60 Prozent der Väter und über 40 Prozent der Mütter der befragten Führungskräfte übten ein ehrenamtliches Engagement aus. Auch das Bildungsniveau in den Elternhäusern war im Vergleich zum allgemeinen Bildungsniveau der Bevölkerung überdurchschnittlich hoch.
Bildung
Haupt- und ehrenamtliche Führungskräfte in gemeinnützigen Organisationen haben eine überdurchschnittlich hohe schulische und berufliche Bildung. Vier von fünf Befragten verfügten über die fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife. Knapp 60 Prozent der ehrenamtlichen und 86 Prozent der hauptamtlichen Führungskräfte haben darüber hinaus einen Hochschulabschluss erworben.
Motivation
Der Einsatz für andere, eine Tätigkeit auszuüben, die Spaß macht, sowie Teil einer Gemeinschaft mit gemeinsamem Anliegen zu sein, waren die wichtigsten Motive für die Übernahme einer Führungstätigkeit. Charakteristisch für die Einstiegsmotivation der Befragten war eine spezifische Verbindung zwischen Fremd- und Selbstbezug, bei der ein sozial motiviertes Verantwortungsbewusstsein mit Freude an der Tätigkeit einhergeht. Diese Motive waren im subjektiven Wertgefüge der Führungskräfte fest verankert.
Aufstieg
Der Übernahme einer Führungsposition in einer gemeinnützigen Organisation ging in der überwiegenden Anzahl der Fälle eine mehrjährige Engagementkarriere voraus. Hauptamtliche verfügten im Vergleich zu den Ehrenamtlichen über eine früher einsetzende und dichter gewebte Ehrenamtsbiografie. Neben hohen Qualifikationsstandards ist der Zugang zu einer hauptamtlichen Führungsposition im Dritten Sektor also an eine langjährige Sozialisation im Dritten Sektor gekoppelt, die über das ehrenamtliche Engagement verläuft.
Frauen
Die befragten Frauen in Führungspositionen stiegen später als die Männer in eine ehrenamtliche Laufbahn ein und übernahmen seltener mehrere Ämter gleichzeitig. Weibliche Führungskräfte waren häufiger als ihre männlichen Kollegen geschieden und kinderlos. Frauen mit Kindern oblag weitaus öfter die Hauptzuständigkeit für die Betreuung der Kinder im Vorschulalter. Dennoch verbanden die befragten Frauen mit ihrer Tätigkeit in geringerem Maß das Gefühl, Abstriche in anderen Lebensbereichen hingenommen haben zu müssen.
Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen in gemeinnützigen Organisationen wurden von den Befragten überwiegend positiv bewertet. Rund 80 Prozent der hauptamtlich tätigen Führungskräfte arbeiteten zum Zeitpunkt der Befragung in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis. Arbeitsplatzsicherheit sowie eine gute Bezahlung bilden Faktoren, die zur Arbeitszufriedenheit beitragen. Gleichzeitig unterstrich die Hälfte der Befragten, dass für sie der Stellenwert der Tätigkeit gegenüber der Bedeutung der Entlohnung überwiegt. In Kombination mit einem hohen Grad an Zielverwirklichung, gemessen an der Einstiegsmotivation, zeichnete sich in der Zusammenschau eine relativ hohe Arbeitszufriedenheit der Hauptamtlichen ab.
Vor neuen Herausforderungen
Als größte Zukunftsprobleme identifizierten die hauptamtlich tätigen Führungskräfte die Erschließung neuer Finanzquellen und eine wachsende Bürokratisierung. Dagegen wurde von den Ehrenamtlichen an erster Stelle die Mobilisierung freiwillig Engagierter benannt, wobei vor allem die Besetzung ehrenamtlicher Führungspositionen als problematisch erachtet wurde. (HM)