Verbändereport AUSGABE 8 / 2008

Verbände zwischen traditioneller Mitgliederorientierung und innovativem Marketing

Sponsoring, Kooperationen und Bonusprogramme – Praxisbericht aus dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels

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Noch immer werden die klassischen Marketingaktivitäten und -kooperationen nicht mit dem zentralen Aktionsportfolio der Verbandsarbeit in Zusammenhang gebracht: Verbänden wird – plakativ gesprochen – vor allem die Beschäftigung mit Themen wie Lobbyarbeit und Aus- und Weiterbildung zugedacht. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung gewinnt aber auch der Teilbereich des Marketings, der sich nicht unmittelbar mit Mitgliederbindung beschäftigt, zunehmend an Bedeutung.

Wenngleich sich hier noch immer Fragen folgender Art finden: Sponsoring oder Kooperationen mit branchenfremden Unternehmen – können diese Marketingtools einem Verband zu Gesicht stehen? Oder muss befürchtet werden, dass Öffentlichkeit oder Verbandsmitglieder eher zurückhaltend sind, wenn ein Verband sich, eventuell auch branchenfremden, Unternehmen öffnet; durch finanzielle Mittel oder Sach- und Dienstleistungen unterstützt wird und im Gegenzug das Unternehmensengagement publikumswirksam öffentlich gemacht wird? Fragen, die man sich stellen kann, die aber im Zuge der aus dem Marketing resultierenden Vorteile für die Mitglieder des Verbandes an Relevanz verlieren dürften.

Auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels1, der Dachverband der Buchhändler, Zwischenbuchhändler und Verleger in Deutschland, gegründet im Jahr 1825 in Leipzig, öffnet sich zunehmend Unternehmen aus Wirtschaft und Kultur und bietet Firmen zahlreiche Varianten und Optionen der Zusammenarbeit an. Interessen und Bedürfnisse von Verband und Mitgliedern finden gezielte und gebündelte Berücksichtigung und Erfüllung durch Marketingpartnerschaften in Gestalt von spezifischen Rahmenvereinbarungen mit unterschiedlicher Fokussierung. In Einzelfällen kann der Verband geeigneten und potenziellen Partnern auch synergetische Mischmodelle offerieren. Im Folgenden soll auf bedeutende und zukunftsfähige Kooperationen durch Rahmenvereinbarungen am Beispiel des Börsenvereins näher eingegangen werden. Hierzu zählen:

Kultursponsoring: Hier steht vor allem die finanzielle Unterstützung für bestimmte Aktionen und Veranstaltungen des Verbandes durch Partnerunternehmen der Wirtschaft im Vordergrund. Der Mittelgeber erfährt als Gegenwert seiner Leistung als Sponsor eine Imageaufwertung sowie eine gesteigerte öffentliche Wahrnehmung.

Unternehmenskooperation: In der Generierung und Etablierung einer synergetischen Win-win-Situation liegt für beide Partner das Ziel.

Bonus-/Vorteilsprogramme: Bonusmodelle gehen gezielt auf die einzelnen und bedarfsorientierten Interessen der Mitglieder ein.

Die genannten Wege der Marketingpartnerschaften finden sowohl Ursprung als auch Ziel im gemeinsamen Diskutieren, Aushandeln und Festschreiben von Rahmenvereinbarungen (vgl. Abb.1).

Rahmenvereinbarungen: Nutzen von Marketingpartnerschaften für Verbände

Versucht man den Nutzen von Rahmenvereinbarungen in Schlagworte zu fassen, kann man die folgenden Stichworte nennen, um die Bedeutung von Marketingkooperationen zu beschreiben: Orientierung, Kommunikation und Konsens, Kostensenkung und zusätzliche Ertragsquellen sowie Mitgliederbindung und -akquise.

Betrachtet man diese Nutzenfacetten näher, kristallisieren sich fünf Aspekte heraus, die gemeinsame Aktivitäten attraktiv machen:

- Schaffung von Gestaltungsspielräumen für Marketingziele wie Bekanntheitssteigerung, Imagegewinn, interne und externe Kommunikation

- Durch Rahmenvereinbarungen können Transparenz auf mitgliederrelevanten Märkten und Chancengleichheit für umsatz- und größenunterschiedliche Mitgliedsunternehmen geschaffen werden

- Festlegung allgemeiner Grundsätze der Zusammenarbeit und Vereinbarung der gegenseitig zu erbringenden Leistungen

- Möglichkeit der Konsensbildung durch Kommunikation und kooperatives Verhandeln unter der Prämisse von einheitlichen und rechtlich überprüfbaren Regelungen

- Rahmenvereinbarungen sichern Verbandsprinzipien wie Mitgliederorientierung, Leistungsfähigkeit, Zukunftsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

Um diese Ziele zu realisieren, sollten wirksame Rahmenvereinbarungen folgende Bestandteile beinhalten: Definition der Vertragspartner, Auflistung und Beschreibung der gegenseitig zu erbringenden Leistungen, Definition und Inhalt der Partnerschaft oder Kooperation, Festlegung der Ziele, Zuständigkeiten und Ansprechpartner sowie Zahlungsmodalitäten.

Werden diese Faktoren berücksichtigt, ergeben sich sowohl für den Verband und seine Mitglieder als auch für die Partnerunternehmen Vorteile in verschiedener Hinsicht. Beispielhaft werden im Folgenden drei Arten und Ausprägungen von Marketingpartnerschaften skizziert.

Marketingpartnerschaften im Börsenverein des Deutschen Buchhandels

Sponsoring

Als Sprachrohr der Branche zu Politik und Öffentlichkeit bietet der Verband Firmen oder Institutionen, die kulturellen Aktivitäten nahestehen, die Möglichkeit eines Sponsorings ausgewählter Veranstaltungen – eine Offenheit des Verbandes, die aufgrund der allgemeinen Beliebtheit und Akzeptanz des Kunst- und Kultursponsoring einerseits bei der Chance einer adäquaten Partnerwahl andererseits keine weitreichende Bedeutung im Sinne eines negativen Imagetransfers hat. Hier zeigt der Sponsor durch sein Engagement, dass er den Idealen und Zielen, die der Börsenverein, in dessen Mittelpunkt der Arbeit das Leitmedium Buch steht, nahesteht und sich einer Verantwortung im Bereich des Lesens und damit auf den Ebenen von Bildung und Weiterbildung, das heißt letztendlich Zukunftssicherung, bewusst ist. Dabei sind es insbesondere Veranstaltungen oder Auszeichnungen mit einer großen Medienwirkung einerseits oder speziell zielgruppenorientierte Events andererseits, die von kulturaffinen Unternehmen durch finanzielle Mittel, Sach- oder Dienstleistungen unterstützt werden. Hier profitieren sowohl der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – und damit seine Mitglieder – als auch der Sponsor: ersterer, indem die finanzielle oder sonstige Unterstützung die Verbandsmittel schont beziehungsweise die Veranstaltung durch finanzielle Zuwendungen noch öffentlichkeitswirksamer und damit das Kulturgut Buch und die Bedeutung des Lesens noch medienwirksamer dargestellt werden können; Letzterer, indem er seine Affinität zum Buch öffentlichkeitsstark präsentieren kann, bei zielgruppenspezifischen Veranstaltungen ein passgenaues Publikum vorfindet oder insgesamt einen positiven Imagegewinn durch das Engagement bei seinen Zielgruppen erreichen kann.

Unternehmenskooperationen

Im Vergleich zum klassischen Sponsoring, bei dem es sich um einen Geldtransfer für zumeist eine ganz bestimmte Veranstaltung gegen ein Plus an Image und Öffentlichkeit für die geldgebende Seite handelt, steht bei Unternehmenskooperationen die Schaffung von erwerbswirtschaftlichen Zielen für beide Seiten der Partnerschaft im Vordergrund.

Der Verband übernimmt in einem solchen Konstrukt entweder die Rolle eines Kunden oder aber er tritt in Funktion einer zwischen Hersteller und Endkunden (Mitglied) geschalteten Instanz auf. Jedoch geht es immer um mehr als nur das traditionelle Verkäufer-Kunden-Verhältnis. Ein konkretes Kooperationsprojekt mit verbindlich fixierten Absprachen, Regelungen und Vereinbarungen – auch bezüglich Provisions- oder Werbeleistungsmodelle – ist die existenzielle Grundlage einer langfristig angelegten Unternehmenszusammenarbeit.

Das der Unternehmenskooperation zugrunde liegende Konzept sind der Austausch von Kontakten, Erfahrungen und Kenntnissen in unterschiedlichen Branchen oder Märkten und die Kombination von Kernkompetenzen mit dem Ziel der Schaffung von Synergien. Zusammengefasst lässt sich dies wie folgt formulieren: Das Ganze ergibt mehr als die Summe der jeweiligen Einzelteile. Dabei sind Vertrauen und Integrität wesentliche Elemente einer solchen unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. Dies zeigt sich insbesondere bei der Bestimmung der jeweils verantwortlichen Ansprechpartner. Auch sollte sichergestellt sein, dass den beteiligten Unternehmen im Vorfeld der eigene Nutzen und das Potenzial einer Kooperation bewusst und deutlich sind.

Bonusprogramme

Eng verbunden mit dem Thema Unternehmenskooperation, beziehungsweise daraus resultierend, ist das Thema Bonus- oder Vorteilsprogramm. Hier stehen im Vergleich zur Unternehmenskooperation zusätzlich und primär die einzelnen Interessen der Mitglieder im Vordergrund der Betrachtung, und der Nutzen von Marketingpartnerschaften für die Mitglieder zeigt sich in seiner konkretesten Form.

Das Vorteilsprogramm des Börsenvereins bietet unter seinem Namen „Seitenreich – mehr Vorteile für Mitglieder“ (s. Abb 2) neben zahlreichen Möglichkeiten, Kosten zu sparen, auch eine branchenspezifisch sinnvolle Erweiterung des Programms durch exklusive Kulturangebote und genussvolle Freizeit- und Feierabenderlebnisse. Abgerundet wird Seitenreich durch ein deutliches Serviceplus, welches sich in einem benutzerfreundlichen und übersichtlichen Internetauftritt und persönlichen Ansprechpartnern für alle Themen zeigt. Systematisiert man die Angebote, so sind die Themen Kostenersparnis2 sowie Exklusivität3 entscheidende Parameter, die das Vorteilsprogramm bestimmen. Beispielhaft sind in der nebenstehenden Auflistung drei Angebote des Börsenvereins aufgezeigt.

Fazit

Die Anforderungen, die von Mitgliederseite heutzutage an Verbände gestellt werden, sind, begründet durch verstärkte Veränderungsprozesse in den jeweiligen Branchen, ebenso vielfältig wie gerechtfertigt. Immer deutlicher ist ein Verband nicht mehr nur in seiner ihm originären Funktion als Interessenvertreter und Verwalter gefragt, sondern als service- und bedarfsorientierter Dienstleister. In diesen wachsenden Ansprüchen, einhergehend mit der Erweiterung von Funktion und Rolle des Verbandes, liegen Sinn und Nutzen für beide Seiten – Mitglieder und Verband – begründet.

Dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels steht auf Mitgliederseite eine branchenbedingte äußerst heterogene Unternehmensstruktur entgegen. Wie eingangs beschrieben, gilt es die Interessen dreier Sparten zusammenzuführen, darüber hinaus müssen auch sehr unterschiedliche Unternehmensgrößen zufriedenstellende Berücksichtigung finden. Dass ein Vorgehen nach dem „Gießkannenprinzip“, was die Ausgestaltung von Kooperationsangeboten und Rahmenvereinbarungen betrifft, hier weder für Effizienz noch für Zufriedenheit sorgen kann, wird bei der Auswahl und Anwendung der Mitgliederansprache schnell deutlich. Daher ist eine sinnvolle Verzahnung der Marketingbereiche zur Erzielung von individuellen Mehrwerten von Verband, Mitgliedern und Partnern maßgeblich.

1 Im Mittelpunkt der Arbeit des Börsenvereins steht das Buch als Leitmedium unserer Gesellschaft. Als bedeutende Kulturinstitution hat der Verband der Buchhandlungen und Verlage den Anspruch, das geistige und kulturelle Leben Deutschlands mitzugestalten. Er veranstaltet die Frankfurter Buchmesse und Buchwochen auf regionaler Ebene. Er verleiht jährlich den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Deutschen Buchpreis und vergibt über seine Landesverbände verschiedene Literaturpreise; er organisiert Leseförderungswettbewerbe und engagiert sich für den UNESCO-Welttag des Buches. Als Berufsverband setzt sich der Börsenverein für wirtschaftlich und politisch optimale Rahmenbedingungen ein.

2 Hier steht die Verbindung von betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit mit dem Servicegedanken im Vordergrund. Die Mitgliedschaft wird mit rationalen und rechenbaren Vorteilen aufgewertet. Die zu kommunizierende Botschaft lautet: Schaffung von Mehrwerten durch die Vereinbarung von Sonderkonditionen im Bedarfsbereich des alltäglichen Geschäftslebens.

3 Im Sinne des Besonderen: Der Kerngedanke hier ist, den Mitgliedern Leitungen anzubieten, zu denen sie ansonsten keinen Zugang hätten. Die Mitgliedschaft erfährt Mehrwert durch das Angebot von emotionalen Vorteilen.

Angebotsbeispiele des Börsenvereins

Kostenersparnis:

Bargeldloser Zahlungsverkehr für Buchhandlungen und Verlage

Hier kooperiert der Börsenverein mit der Betriebs-Center für Banken Processing GmbH (BCB) – ein vom zentralen Kreditausschuss zertifizierter technischer Netzbetreiber im kartengestützten Zahlungsverkehr. Die BCB hat ein spezielles Angebot zusammengestellt, um den Mitgliedern des Börsenvereins die Verarbeitung von EC- und Kreditkarten zu Vorzugskonditionen zu ermöglichen.

Der Vergleich von bestehenden Verträgen mit dem neuen Angebot des Börsenvereins zeigt ein Einsparpotenzial von 30–60 Prozent der anfallenden Kosten. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Kosteneinsparung im lokalen Buchhandel liegt in den sehr günstigen Transaktionsgebühren und der Reduzierung der Buchungspostengebühren der Hausbank. Im Zusammenwirken mit der BCB als technischem Netzbetreiber und zum Zwecke eines nachweislich günstigen Angebots erfüllt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in dieser Kooperation die Funktion des zwischengeschalteten kaufmännischen Netzbetreibers. Dies ist eine innovative Aufgabenstellung für einen Verband, da hier in Verbindung mit einem kalkulierbaren und bestimmbaren unternehmerischen Risiko direkt auf die Kostenstruktur Einfluss genommen werden kann.

Hardware/Kommunikation/PC

Mit Hewlett-Packard ergeben sich vielfältige Ansätze der Kooperation. Neben dem Zugang zu besonderen Großkundenkonditionen für die Mitgliedsunternehmen unterstützt HP auch diverse andere Projekte des Börsenvereins wie Digitalisierung, Internetpiraterie oder die Buchmesse durch sowohl Produktleistungen als auch Know-how im IT-Bereich. Ein weiterer Vorteil, der sich für Verband und Mitglieder in der Zusammenarbeit mit einem weltweit agierenden und bekannten Unternehmen wie HP ergibt, sind ein Imagetransfer und die Erhöhung der Bekanntheit sowohl einzelner Verbandsaktivitäten wie der gesamten Branche. Den Mitgliedern des Börsenvereins steht des Weiteren ein eigens hierfür benannter HP-Ansprechpartner für alle Fragen zur Verfügung.

Exklusiv: Kunst & Kultur

Ein Jahr Museumsbesuche als persönliche Kundenpflege durch die „KunstKarte“. Hier profitieren die Mitglieder von ausgewählten Kunstgenüssen. Die KunstKarte wird jährlich neu aufgelegt und kann exklusiv nur von Unternehmen und Verbänden erworben werden. Der Besitzer einer KunstKarte ist mit einer Begleitperson in über 60 Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein ganzes Jahr lang bei freiem Eintritt herzlich willkommen. Die Kunstkarte eignet sich als Exklusivbaustein für hochwertige Vorteilsprogramme und kann vielfältig als Bonus und Dankeschön genutzt werden:

- Individuelle Geschenkverpackungen
- Anwendbarkeit in der gesamten deutschsprachigen Museumslandschaft
- Variable Preisgestaltung – zusätzliche Einnahmen für den Verband
- Originelles Instrument zur Mitglieder- und Kundenbindung
- Emotionaler und rechenbarer Vorteil
- Mit eigenem Logoeindruck möglich

Ilona Schönle ist Projektleiterin für „Seitenreich – mehr Vorteile für Mitglieder“, das Vorteilsprogramm des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und verantwortlich für den Bereich strategische Unternehmenskooperation.

Christoph Kochhan ist Leiter Marketing und Marktforschung im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und zentraler Ansprechpartner für den Bereich Kultursponsoring.

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