Es gibt Stimmen, die sagen, dass der „War for Talents“ eine Erfindung oder doch wenigstens eine Übertreibung sei, denn sonst müssten in manchen Berufen die Gehälter geradezu explodieren. Das lässt sich aber in der Statistik nicht finden (noch nicht?). Aus vielen Branchen hört man jedoch, dass begabter Nachwuchs wirklich schwerer zu gewinnen ist. So vielfältig wie die Ursachen, so vielfältig sind die Bemühungen der Verbände, ihren Mitgliedern und sich selbst durch diesen Engpass zu helfen.
Verbände sichern Branchennachwuchs
Ihren Mitgliedern helfen Verbände oft schon sehr lange, den Nachwuchs für ihre Branche in Qualität und Quantität zu sichern. Vielen Mitgliedern ist das vielleicht nicht ganz bewusst. Auf welche Weise versuchen Verbände, den Talentnachwuchs zu fördern, den ihre Mitgliedsbetriebe brauchen?
Sie machen Bildungspolitik. Damit beeinflussen sie die Allgemein- und die Berufsbildung sowie die Hochschulen, und zwar, indem sie mitreden bei der Gestaltung der Systeme und Gesetze, der Finanzierung und Mittelverteilung, der Berufsbilder, Abschlüsse und Abschlussprüfungen, der Lehrinhalte usw. Viele Bildungsgänge und -institutionen sind durch die Initiative von Verbänden erst entstanden, manche werden sogar von ihnen getragen.
Sie wirken mit im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung und anderen Gremien, die wesentliche Entscheidungen für die Bildung treffen.
Sie betreiben eigene Bildungseinrichtungen und Bildungsgänge, vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft bis zu einer höchst anspruchsvollen postgraduellen Ausbildung zum „Aktuar DAV“, deren Bestehen Aufnahmevoraussetzung in die Deutsche Aktuarvereinigung ist (Aktuare sind spezielle Versicherungsmathematiker).
In der beruflichen Bildung übernehmen die Kammern meist die Überwachung und die Prüfungen. So sind bei der mündlichen/praktischen Prüfung von kaufmännischen Auszubildenden ein Vertreter der Arbeitnehmer und ein Vertreter der Arbeitgeber im Prüfungsausschuss natürlich über die Verbände organisiert.
Verbände machen Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für Branchen und Berufe: Messen, Schulbesuche, PR, Veranstaltungen für Studierende, Förderprogramme ... Man denke an die umfassenden Bemühungen des VDI, das Ingenieurswesen schon Schülerinnen und Schülern als spannendes, interessantes Arbeitsfeld nahezubringen – einschließlich dessen, was man dafür in der Schule lernen muss, beispielsweise die sogenannten MINT-Fächer. Ein anderes Beispiel sind Gratispostkarten, die vor wenigen Jahren für den Beruf des Chirurgen geworben haben.
Einzelne Verbände unternehmen Akquirierungsbemühungen von Fachpersonal im Ausland.
Verbände stellen ihren Mitgliedern prognostische Daten und weitere Informationen zur Verfügung und erleichtern diesen damit die strategische Personalplanung erheblich. Arbeitsmarktbeobachtung, Konzepte und vieles mehr werden oft den Mitgliedern zur Verfügung gestellt.
Denkbar ist, dass Verbände ihre Mitglieder dabei unterstützen, Ausbildungspools zu bilden, durch die sich Unternehmen Auszubildende oder auch Studierende „teilen“ und ihnen damit ermöglichen, möglichst viele verschiedene Funktionsbereiche zu durchlaufen. Viele Verbände bieten ihren Mitgliedsbetrieben Handreichungen für die Berufsausbildung und für den Umgang mit Praktikanten und Werkstudenten an.
Die Liste ließe sich sicherlich noch fortsetzen und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, doch wird hier sehr deutlich, dass Verbände erhebliche Bemühungen um den Fachkräfte-Nachwuchs leisten und diese zum Teil sogar ausbauen müssen.
Zukunftsfähige Verbände brauchen gut ausgebildete Kräfte
Auch die Verbände selbst müssen ihre Fachkräfte von morgen sichern. Insbesondere im Führungsbereich stehen hier fachspezifische Studienabschlüsse im Vordergrund. Für arbeitsrechtliche und tarifrechtliche Belange werden Juristen die richtigen Ansprechpartner sein; im technischen Bereich sind Ingenieure gefragt. Aber wer kümmert sich um die richtige Personalführung, wer koordiniert das Mitgliedermarketing, wer steuert die richtigen Prozesse bei Veranstaltungen laut Satzung oder bei Fortbildungen für Mitglieder, bei Messeauftritten? Welche Services sind die richtigen für die Mitglieder und wie gewinnt ein Verband überhaupt neue Mitglieder? Öffentlichkeitsarbeit und das Pflegen von Kontakten zur Politik stellen viele Verbände vor erhebliche Herausforderungen und binden viel Energie. Und wo gibt es auf dem Arbeitsmarkt Spezialisten für Fundraising?
Laut einer McKinsey-Studie von 2012 lässt sich der Mangel an Akademikerinnen und Akademikern bis zum Jahr 2020 auf etwa 1,2 Millionen beziffern. Es kann also keine Binsenweisheit sein, dass die High Potentials ihre Arbeitgeber zunehmend selbst aussuchen. Attraktiv werden Arbeitgeber, die ihre Studierenden als Praktikanten nicht umsonst arbeiten lassen, sondern von Anfang an als wertvolle Unterstützer ihres täglichen Geschäfts erkennen, wie etwa in einem dualen Studiengang. Als duale Partner erweisen sich Arbeitgeber als fortschrittlich und binden ihren akademischen Nachwuchs an die Organisation. Dies zeigt das Interview mit einer Studierenden der Dualen Hochschule in Heilbronn, als deren Dualer Partner der Bundesverband Deutscher Maschinenringe e.V. fungierte. (siehe Kasten).
Duale Ausbildungspartner
Interview mit Elisabeth Heinrich, Absolventin des von der DGVM mitinitiierten Studienganges Verbands- und Stiftungsmanagement im Herbst 2013
Frau Heinrich, Sie haben das Studium mit der Vertiefung Verbands- und Stiftungsmanagement im Herbst 2013 erfolgreich abgeschlossen. Wie haben Sie die Graduierungsfeier zum Bachelor erlebt?
Elisabeth Heinrich: Es war ein etwas komisches Gefühl, nach drei Jahren intensiven Lernens und Arbeitens nun wirklich mit dem Studium fertig zu sein. Ich habe mich an meine Anfangszeit zurückerinnert, als alles noch neu und ungewohnt war, selbst die zweistündigen Fahrten montagmorgens und freitagabends. Inzwischen kommt mir das alles so gewohnt vor, dass ich es mir gar nicht anders vorstellen kann. Und nun ist wieder die Zeit vorbei ...
Wie ging es Ihnen in der Praxisphase Ihrer Verbandsarbeit?
E.H.: Im Studium war ich viel in der Verbandsleitung eingebunden. Organisation von Sitzungen und Veranstaltungen gehörte unter anderem zu den Aufgaben. Das war eine gute Vorbereitung auf meine jetzige Aufgabe im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Es war bereits Mitte 2012 klar, welche Aufgabe ich nach Beendigung meines Studiums übernehme, daher konnte ich mich bereits recht früh einfinden.
Welche Aufgaben sind dies, beziehungsweise wie geht’s nun weiter in Ihrem Verband?
E.H.: Wie gesagt, ich bin aktuell mit dem Aufgabenbereich der Fort- und Weiterbildung und des Veranstaltungsmanagements im Verband betraut. Meine Herausforderung ist nun, die Verbandsbildung weiterzuentwickeln sowie das Programm weiter auszubauen.