Verbändereport AUSGABE 8 / 2013

Verbände digital – Aktueller Stand und Entwicklung

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Wie wirken sich die massiven Veränderungen in der Kommunikationskultur, die Konkurrenz zu verbandsexternen Interessenvertretungen und die gestiegenen Erwartungen der Mitglieder an moderne Services auf die digitale Modernisierung von Verbänden aus? Als wir Ende 2010 unsere erste Umfrage zu diesem Themenbereich durchgeführt haben, war das Thema Social Media bei Verbänden gerade angekommen. Mittlerweile haben etliche Verbände (erste) Erfahrungen gesammelt und widmen sich nun verstärkt den dahinterstehenden, essenziellen Fragen digitaler Verbandskommunikation und Verbandsarbeit. Damit einher rücken die digitale Verbandsinfrastruktur und hiermit verbundene Fragestellungen bzgl. Strategien, Services und Organisation immer mehr in den Fokus. Mit der Fortführung unserer Umfrage in Richtung eines regelmäßigen Panels zu diesem Thema wollen wir diese Entwicklungen weiter nachverfolgen und transparent machen.

Die Bedeutung digitaler Informations- und Kommunikationsmedien für Verbände steigt weiter.  Im Vergleich zu 2010 ist die Zahl leitender Verbandsmitarbeiter, die einen merklichen Einfluss auf die Verbandsführung und Organisation erwarten, auf 80 Prozent gewachsen! Davon sind 37,5 Prozent sogar der Meinung, dass digitale Medien und Services einen „grundlegenden Einfluss auf die Verbandsführung und Organisation“ haben – 2010 waren nicht einmal 14 Prozent dieser Meinung!

Der Vergleich zu der 2010er Studie lässt auch darauf schließen, dass die Unsicherheit der Verbände im Verhältnis zu neuen Online-Medien geschrumpft ist: Nur noch 27 Prozent haben im Vergleich zu 37,5 Prozent Angst vor Kontrollverlust.

Interessanterweise sehen immer noch 22 Prozent der Teilnehmer digitale Medien primär als zusätzlichen Distributionskanal, was auch daran liegen kann, dass die Verantwortung für die digitale Kommunikation immer noch zumeist in der Presseabteilung verankert ist.

Studiendesign

In Anlehnung an die bereits im Jahr 2010 durchgeführte Studie von Dr. Busch und T. Klauss (veröffentlicht im Verbändereport 03/2011) ist auch diese als Online-Umfrage durchgeführt worden. Insgesamt wurden 14 Einzelfragen in vier Fragenblöcken beantwortet:

  • Verbandsinterne Kommunikation (intern und mit den Mitgliedern)
  • Außenkommunikation
  • Auswirkungen auf organisatorische Aspekte
  • Kurz- und mittelfristige Entwicklungen

Abgesehen von einer neuen Frage zum Thema Cloud können die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage mit denen von 2010 direkt verglichen werden.

Die Befragung von mehr als eintausend Verbänden richtete sich in erster Linie an Dach- und Branchenverbände (32 Prozent bzw. 51 Prozent) mit überwiegend mehr als zehn Mitarbeitern (60 Prozent) und mehr als 100 Mitgliedern (68,5 Prozent). Knapp ein Drittel verfügt über mehr als 1.000 Mitglieder.  Die Umfrage lief in den Monaten Juli und August 2013.

1. Anwendungsbereiche intern und extern

Verbände haben bei Informations- und Kommunikationsmaßnahmen und anderen Angeboten mannigfaltige Herausforderungen unterschiedlicher Zielgruppen zu berücksichtigen. So wirken beispielsweise in der internen Kommunikation und mit Mitgliedern andere Maßnahmen als bei Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Zudem wird das Management der Außen- und Binnenkombination durch die wachsende Zahl neuer, digitaler Kanäle, die auch Erwartungen an eine zielgerichtetere, personalisierte und medienübergreifende Ansprache mit sich bringen, immer komplexer.

Welche Systeme und Services setzen Verbände heute ein und was hat sich seit 2010 verändert?

Verbandsinterne Kommunikation (Mitarbeiter und Mitglieder)

Beim Kontaktdaten- und Kommunikationsmanagement ist ein deutlicher Trend in Richtung Professionalisierung zu erkennen (siehe Abbildung 1). Während die Nutzung von Adressdatenbanken stark abgenommen hat, konnten die integrierten Kampagnenmanagementsysteme einen Zuwachs verzeichnen. Vor allem die Verwaltung über ein CRM (customer relation management) ist mit rund 14  Prozentpunkten Steigerung ein Indiz für die zunehmend digitale Unterstützung auch des Managements von Kommunikationsmaßnahmen.

In der verbandsinternen Kommunikation ist die Nutzung von digitalen Medien bis auf Blogs, Podcasts und Online-Umfragen überall gestiegen. Insbesondere die eigenen sozialen Netzwerke, die Online-Arbeitsbereiche und die personalisierten Mitgliederportale konnten einen Zuwachs um neun, zwölf beziehungsweise 18 Prozentpunkte verzeichnen.

Auffallend ist parallel dazu der Rückgang des passwortgeschützten Bereichs im Internet, der auf eine Tendenz zu personalisierten Portalen und Instrumenten schließen lässt. Dennoch sind passwortgeschützte Bereiche immer noch stärker vertreten (56 Prozent) als personalisierte Mitgliederportale (49 Prozent)
(siehe Abbildung 2).

Außenkommunikation

Die Kommunikation mit Politik und Branchenvertretern ist bei den meisten Instrumenten gestiegen. Einen besonders hohen Zuwachs konnten Twitter, personalisierte Newsletter und Online-Umfragen verzeichnen. Einzig die Kommunikation über Blogs ist im Vergleich zur Studie von 2010 leicht rückläufig (siehe Abbildung 3).

Auch in der Kommunikation mit Presse und Öffentlichkeit haben die digitalen Medien und Dienste im Vergleich zur Vorstudie stark zugenommen. Hier sind die sozialen Medien besonders hervorzuheben. Videocommunities, soziale Netzwerke (als Gruppe oder als Profil), RSS-Feeds und Microblogging-Instrumente wie Twitter haben Zuwachsraten von mindestens über 15 Prozentpunkten. Lediglich die Podcasts sind in dieser Betrachtung leicht zurückgefallen (siehe Abbildung 4).

Auswirkungen auf die Organisation

In der Befragung 2013 neu hinzugekommen ist die Frage zu einem Thema, welches 2010 noch bei kaum einem Verband auf der Agenda stand: Cloud Computing oder einfach Cloud. Die Auswirkungen einer Einführung von Cloud-Lösungen reichen von der Organisation der Verbandsarbeit über Mitgliederservices, rechtliche, fiskalische, personelle Aspekte bis hin zu Fragen der Verbandsausrichtung und -aufstellung.

Ähnlich wie 2010 beim Thema Social Media stehen die Verbände bei Handhabung des Themas Cloud heute noch sehr am Anfang. Im Unterschied dazu werden Cloud-Lösungen wie Doodle, Dropbox, Google Doc etc. bei fast jedem Verband in der täglichen Arbeit von den Mitarbeitern oder Mitgliedern wie selbstverständlich eingesetzt. So entwickelt sich eine parallele Infrastruktur außerhalb des Verbandes, die immer mehr Verbandswissen absorbiert.

So riskieren Verbände, dass sich Mitglieder zunehmend auf externen Plattformen selbst organisieren und so ein beträchtlicher Teil des Verbandswissens nach außen abfließt.

Nur etwas mehr als fünf Prozent der Antwortenden setzen in ihrem Verband Googles Cloud-Services ein, wohingegen dies für fast 72 Prozent nicht einmal ein optionales Thema ist! Dagegen setzen immerhin 17,5 Prozent bereits eine Collaboration-Plattform wie z. B. Drupal, Teamspace, Microsoft Sharepoint, o. Ä. ein. Dies könnte ein Hinweis auf die Bedeutung vertraulicher, nach außen zumindest in höherem Grad abgesicherter Plattformen für die Verbandsarbeit sein, als dies bei den freien Diensten etwa von Google oder Microsoft der Fall ist.

Die mit Abstand am häufigsten eingesetzten Cloud-Services sind Web- und/oder Videokonferenzsysteme, die von jedem Dritten eingesetzt werden und für die wenigsten kein Thema ist.

Bei der organisatorischen Verantwortlichkeit für digitale Kommunikation und Information gab es keine signifikante Entwicklung zu beobachten: Bei fast jedem zweiten Verband (46,7 Prozent) liegt sie in der Pressestelle verortet, gefolgt von der Geschäftsführung (26,3 Prozent) und Marketing (12,3 Prozent). Nur die wenigsten haben eine eigene Abteilung für Online-Kommunikation.

Was die Einschätzung der Bedeutung von digitalen Medien und Services für die Verbandsarbeit in den nächsten drei Jahren betrifft, zeigt sich ein klares Bild: Sämtliche Kommentare von den Teilnehmern gehen von einer weiter wachsenden Bedeutung aus!

Dies soll abschließend durch drei persönliche Einschätzungen führender Verbandskräfte illustriert werden (anonymisierte Zitate von Umfrageteilnehmern):

„Die Verbandsarbeit wird langfristig gesehen nicht mehr ohne digitale Medien auskommen. Wichtig wird sein, die Medien strategisch auszuwählen und zu bespielen. Ganz wichtig wird auch der Know-how-Aufbau sein, da gerade in der Führungsebene häufig wenig Kenntnisse vorhanden sind.“

„Digitale Medien werden die klassische Pressearbeit mehr und mehr ablösen. […] Die Chancen der Gestaltung der öffentlichen Meinung über Social Media müssen aktiv genutzt werden. Kunden und Mitglieder wollen das!“

„Steigende Bedeutung auch als Arbeitsmittel, die den E-Mail-Verkehr ergänzen oder ersetzen können.“

Chancen und Risiken

Wie sind die bisherigen Erfahrungen, die Verbände mit aktuellen digitalen Informations- und Kommunikationsmaßnahmen gemacht haben?

Interessant ist zu beobachten, wie sich die Sicht auf Social Media mit eigenen praktischen Erfahrungen bis dato entwickelt hat. Als Erstes fällt auf, dass nur noch halb so viele eine Ablenkung der Mitarbeiter von ihren Kernaufgaben befürchten (9,9 statt 18,8 Prozent).

Als größte Risiken, die mit dem verstärkten Einsatz einhergehen, werden wie schon 2010 Kontrollverlust und Gegenöffentlichkeiten gesehen, wobei die Angst vor einem Kontrollverlust über den Kommunikationsverlauf von 37,5 auf 27 Prozent deutlich gesunken ist (siehe Abbildung 5).

Als Chancen werden jetzt zunehmend die interaktiven Eigenschaften der neuen Medien gesehen: Agenda Setting, Monitoring, der öffentliche Dialog und Mitgliederservices sind im Vergleich zu 2010 stärker in den Vordergrund gerückt, auch wenn die Informationsverbreitung immer noch knapp vorne liegt.

Fazit

Die aus der Umfrage 2010 abgeleitete These, dass sich der Schwerpunkt in Richtung konzertierter Maßnahmenbündel verschieben wird, hat sich bestätigt. Das Gros der Verbände hat in den letzten drei Jahren zunächst Gehversuche mit einzelnen Maßnahmen, wie etwa Twitter-Accounts oder Präsenzen in anderen sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing oder LinkedIn unternommen und dabei erfahren, dass einzelne Maßnahmen kaum etwas bewirken.

Auch haben die meisten Verbände gelernt, die neuen, digitalen Medien und Dienste gezielter einzusetzen als noch vor drei Jahren. Das zeigt sich in den signifikant differenzierenden Antworten zu den nach Zielgruppen/Anwendungsbereichen wie z. B. Öffentlichkeit, Politik, Mitglieder, Mitarbeiter unterscheidenden Fragen.

Twitter hat sich als PR-Instrument eindeutig etabliert, genauso sind die meisten Verbände mittlerweile auf mindestens einem der großen sozialen Netzwerke vertreten. Hierbei hat sich Youtube durchgesetzt und gewinnt weiter, wohingegen der Einsatz von Facebook sich mehr und mehr auf einzelne Anwendungsbereiche wie vor allem Mitarbeitergewinnung und als Teil von Themenkampagnen reduziert.

Ein Megatrend scheint zu sein, dass immer mehr Verbände ihre alten Adressdatenbanken durch moderne Kommunikationsmanagement-Systeme ersetzen: Der Einsatz von CRM-Systemen ist um 95 Prozent gestiegen, wohingegen Adressdatenbanken um mehr als 40 Prozent zurückgegangen sind!

Da die meisten CRM-Systeme auch Funktionalitäten zum Mitgliedermanagement umfassen, könnte dies auch eine Rolle bei der Einführung solcher Systeme spielen. Dies wird unterstützt durch die wachsende Bedeutung von personalisierten Mitgliederportalen (+56 Prozent), die zunehmend den einfachen, passwortgeschützten Bereich im Internet ablösen.

Damit verbunden sind auch neue Optionen der Gremienarbeit und des Networkings, die sich in dem zweiten Mega-Trend zur Einführung von Collaboration (+84 Prozent) abzeichnen (siehe Abbildung 6).

Insgesamt sind viele Verbände auf dem richtigen Weg, aber noch längst nicht so weit, ein übergreifendes Gesamtkonzept vorliegen oder gar umgesetzt zu haben. Meist fehlt noch eine klare Vorstellung davon, wo welche Technologien wie eingesetzt werden können, damit sie möglichst ressourcensparend die größte und nachhaltigste Wirkung erzielen.      

 

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Autor/in

Hans Werner Busch

ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Verbandsmanagement Potsdam. Von 2000 bis 2005 führte er als Hauptgeschäftsführer den Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Dr. Busch kommt ursprünglich aus dem Krupp-Konzern, in dem er personalpolitische Gesamtverantwortung für den Konzern wahrgenommen hat.

http://www.ivm-busch.de
Autor/in

Thomas Klauß

ist Geschäftsführer der Netzwerkorganisation Xpoint0 – Moderner Verband, die strategische Beratung, Lösungssuche, -Entwicklung, Projekt- & Changemanagement für die digitale Transformation der Verbandsarbeit anbietet. Er ist Autor des Ende 2014 im Springer-Fachmedienverlag erschienenen, ersten umfassenden Praxisbuchs zur digitalen Verbandstransformation.

http://verband.xpoint0.de

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