Verbändereport AUSGABE 6 / 2008

Verbände auf dem Weg zur Management Excellence

Eine empirische Studie zum Entwicklungsstand von Verbänden, Kammern, Stiftungen und anderen Nonprofit-Organisationen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol

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Verbände und Nonprofit-Organisationen befinden sich auf dem Weg einer ständigen Verbesserung hin zu Management Excellence – so die Aussage einer internationalen Studie der B’VM (Beratergruppe für Verbands-Management), die über 240 NPO zu ihrer Entwicklung in vielfältigen Managementbereichen befragt hat. Im Folgenden werden ausgesuchte Ergebnisse präsentiert.

Anlässlich ihres 25-jährigen Firmenjubiläums wollte die B’VM wissen, auf welchem Entwicklungs- und Professionalisierungsstand sich ihre Kunden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol befinden. Unter Management Excellence versteht die B’VM dabei den höchsten Grad an Effektivität und Effizienz, den eine NPO bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erreichen kann. Im Ergebnis streben die befragten NPO dem Ziel nach Management Excellence alle entgegen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität und von differierenden Professionalisierungsgraden aus. Die Studie bietet ein Spiegelbild aller relevanten Managementbereiche, von Planung und Strategie über Organisation, Marketing, Finanzen und Human Ressource Management bis zur Thematik Ehrenamt — Hauptamt/Corporate Governance. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse wird zudem aufgezeigt, welcher Handlungsbedarf besteht und welche Möglichkeiten sich bieten, den aktuell erreichten Stand nicht nur zu halten, sondern weiterzuentwickeln.

Teilnehmer der Studie

Um den Entwicklungsstand der NPO in den beteiligten Ländern zu ermitteln, wurde eine schriftliche Befragung von ehren- und hauptamtlichen Führungspersonen durchgeführt. Von den ursprünglich im Verlaufe des Winters 2007/2008 angeschriebenen 1.221 NPO sind 241 Antworten zurückgekommen — das entspricht einer überdurchschnittlichen Rücklaufquote von annähernd 20 Prozent. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, haben sich mit großem Vorsprung zu anderen Rechtsformen Vereine/Verbände an der Umfrage beteiligt, Stiftungen sowie öffentlich-rechtliche Träger folgen danach.

Nach Ländern aufgeteilt, stammen die Antworten zu 63,1 Prozent aus der Schweiz, zu 23,2 Prozent aus Deutschland sowie zu 12 Prozent und 1,7 Prozent aus Österreich bzw. Südtirol. Als weiteres Kriterium
wurde auch die Mitarbeiterzahl in der jeweiligen Geschäftsstelle erfasst, 36 Prozent sind kleine Organisationen mit weniger als zehn Angestellten, in jeder fünften gibt es als Gegenpol dazu über 100 Beschäftigte. Die Verbände-Landschaft setzt sich im deutschsprachigen Raum aus einer großen Vielfalt von Organisationen zusammen, die sich hinsichtlich Zweck und Zielsetzung stark unterscheiden. Wie Abbildung 2 zeigt, verfolgen sie zu einem großen Teil wirtschaftliche Interessen. Arbeitgeber- und Berufsverbände machen zusammen 34,5 Prozent der Organisationen in der Stichprobe aus. Über 40 Prozent engagieren sich für soziale, gesundheits- und wohlfahrtspolitische oder kirchliche Anliegen.

Entwicklung und Widerstand

Inhaltlichen Ausgangspunkt der Studie bildet eine allgemein gehaltene Selbsteinschätzung der befragten ehren- und hauptamtlichen Führungskräfte, ob sich ihre Organisation in den letzten Jahren überhaupt weiterentwickelt hat. Überwiegend herrscht dabei die Auffassung vor, dass sich ihre Organisation umfassend (49,2 Prozent) oder in bestimmten Teilbereichen (47,5 Prozent) positiv verändert hat. Nur gerade acht Organisationen berichten, in den vergangenen fünf Jahren hinsichtlich der Führung und des Managements kaum Fortschritte erzielt zu haben. Der an die Weiterentwicklung gekoppelte Zeithorizont zeigt: Vier von fünf NPO schätzen, dass die Anstrengungen zur Professionalisierung auch in den kommenden Jahren andauern werden. Dem stehen vergleichsweise wenige Organisationen gegenüber, die ihre internen Reformbemühungen weitestgehend abgeschlossen wissen.

Auf dem Weg zur Management Excellence sind auch Widerstände zu überwinden. Verbesserungsmaßnahmen erzeugten in vielen Organisationen (29,3 Prozent) zum Teil massive Widerstände, in zwei Fällen scheiterten die Anstrengungen sogar daran.

Allerdings sagt eine Mehrheit von 64 Prozent aus, dass ihre Professionalisierungsabsichten relativ konfliktfrei umgesetzt werden konnten. Trotzdem stellt sich die Frage nach den Kreisen, aus denen sich solche Hindernisse vorwiegend ergeben. Abbildung 3 dokumentiert die wichtigsten Quellen von Widerständen. Die größte Auflehnung gegen Professionalisierungsbestrebungen erfahren NPO vonseiten der hauptamtlichen Mitarbeitenden. Der Häufigkeitswert liegt deutlich über jenem der ehrenamtlichen Führungsorgane, sprich dem Vereinsvorstand, Stiftungs- oder Aufsichtsrat. Nicht zu vernachlässigen ist besonders in föderalistischen Strukturen die Gegenwehr von untergeordneten, aber rechtlich selbstständigen Organisationen. Wenig überraschend wird auch der Widerstand von Mitgliedern als bedeutendes Hindernis in Weiterentwicklungsprozessen identifiziert.

Professionalisierungs-Highlights und FĂĽhrungsinstrumente in der Anwendung

Sind etwaige Widerstände überwunden, ist der Weg frei zur Professionalisierung der eigenen Organisation. Das Hauptaugenmerk lag, wie im Schaubild 4 ersichtlich, bei den befragten NPO in den letzten Jahren dabei auf der Entwicklung eines eigenen Leitbildes, einer Vision und eines Strategiepapiers — also auf normativ-strategischen Grundlagen im Sinne eines integrierten Planungssystems. Darauf folgt die Verbesserung der Aufgaben- und Kompetenzverteilung innerhalb der Geschäftsstelle. Die am dritthäufigsten angegangene Herausforderung betrifft den neuralgischen Punkt des Verhältnisses zwischen dem ehren- und dem hauptamtlichen Leitungsorgan und damit verbunden die Verbesserung der Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen diesen beiden Ebenen. Einen ähnlichen Stellenwert messen die NPO der Entwicklung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei.

Marketing nimmt im Ranking der Entwicklungsschwerpunkte nur einen Mittelfeldplatz ein. Diese Erkenntnis mag erstaunen, wurde doch in Studien auf der Grundlage von deskriptiven und korrelationsanalytischen Betrachtungen ein positiver Kausalzusammenhang zwischen einer verstärkten Implementierung von Marketing und dem Organisationserfolg nachgewiesen.

Damit eng verbunden ist die Frage, welche Führungsinstrumente und Konzepte in den letzten Jahren bereits zum Einsatz kamen. In Abbildung 5 fällt zunächst die dominierende Stellung der Kostenrechnung auf. Demzufolge scheinen die Kriterien der Effektivität und Effizienz in NPO hochgehalten und aktiv gelebt zu werden.

Auch Strategie und Mehrjahresplanung sind weit verbreitete Führungsinstrumente. 72 Prozent der Organisationen geben an, über ein Strategie- und Planungssystem zu verfügen. Der Grad der Verbreitung dieses Führungsinstruments ist in sozialen mit 79 Prozent etwa gleich hoch wie in den weiteren NPO (80 Prozent). Es mag kaum erstaunen, dass das Führungsinstrument in Kleinstorganisationen weniger populär ist, derweil neun von zehn Organisationen mit zwischen 50 und 100 Mitarbeitenden über ein Strategie- und Planungssystem verfügen. Planungsinstrumente gehören demnach standardmäßig zur Klaviatur des NPO-Managements, ebenso wie Mitglieder-/Branchenleitbilder und Struktur-/Organisationskonzepte. Was jedoch in jeder zweiten Organisation fehlt, ist — in Abgrenzung zu einem Mitglieder-/Branchenleitbild — eine strategisch übergeordnete Verbands-/Organisationspolitik bzw. ein Verbands-/NPO-Leitbild. Äußerst selten werden NPO anhand der Balanced Scorecard gesteuert, eines Führungsinstruments, welches bei der Umsetzung der Strategie hilft, indem es die gesamte Management-Tätigkeit multiperspektiv betrachtet, systematisiert und vernetzt.

Weiter kann die verbreitete Ansicht geteilt werden, wonach das Potenzial von Marketing in NPO tendenziell eher unter- als überschätzt wird. Informations-, Kommunikations- und PR-Konzepte und das normativ-strategische Marketing-/Leistungskonzept finden nur in jeder zweiten NPO Anwendung. Durchaus positiv fällt dagegen die Durchdringung der Zufriedenheitsanalysen auf, welche die NPO in regelmäßigen Abständen bei Klienten und Mitarbeitenden durchführen. Ein guter Entwicklungsstand kann mittleren und großen NPO beschieden werden: Sie arbeiten in 38 Prozent bis 52 Prozent der Fälle mit mindestens drei der vier beschriebenen Konzepte bzw. Zufriedenheitsanalysen. Diese Heuristik lässt sich mit der Aussage koppeln, dass in der Schweizer NPO-Landschaft die marketingbezogenen Instrumente kompletter vorhanden sind, wie das folgende Schaubild verdeutlicht.

Es wird davon ausgegangen, dass der Grad der Marketingorientierung in NPO positiv mit der Entwicklung des Mitgliederbestandes korreliert. Demnach erhalten jene NPO, die sich ausgesprochen stark an den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen und am Markt ausrichten, ihren Pay-off in der Form von wachsenden Mitgliederzahlen. Die vorliegende Studie bestätigt diesen vermuteten Zusammenhang im Grundsatz. NPO, deren Marketing-Führungsinstrumente vollzähliger und ausgereifter sind, haben bessere Chancen, dass sich ihr Mitgliederbestand progressiv entwickelt. Einem nachhaltigen Mitglieder-Marketing als Facette des NPO-Marketing darf demnach zu Recht eine organisationserhaltende Wirkung attestiert werden.

Kardinalproblem Ehrenamt — Hauptamt

Wie eingangs erwähnt, bietet die Studie einen Gesamtüberblick über den Entwicklungsstand aller Managementbereiche in der breiten NPO-Landschaft. Aber gerade die Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen ehrenamtlichen Organen und professioneller Geschäftsführung gilt in Wissenschaft und Praxis als universeller Dauerbrenner, der auch hier Eingang gefunden hat. Das Problem beschäftigt die Führungsverantwortlichen relativ häufig und intensiv und hat nicht zuletzt zu kodifizierten Normvorschriften unter dem Titel der Corporate (Nonprofit) Governance geführt. Den Corporate-Governance-Kodizes zufolge hat sich das ehrenamtliche Führungsorgan vorwiegend auf strategische und Grundsatzfragen zu konzentrieren und deren operative Umsetzung mittels Zielvereinbarung an die professionelle Geschäftsführung zu delegieren. Diese Art der Aufgabenteilung wird durch das Führungsmodell „Management by Objectives“ präzisiert.

Zunächst hat, wie in Abbildung 4 zu sehen, über die Hälfte aller NPO das Kardinalproblem — die Schnittstelle zwischen ehrenamtlicher und hauptamtlicher Führung — als den drittwichtigsten Entwicklungsschwerpunkt genannt und damit dessen Bedeutung unterstrichen. Die Aufschlüsselung der genannten 56 Prozent nach der Mitarbeitendenzahl ergibt Extremwerte von 68 Prozent in kleinsten und 38 Prozent in den größten NPO. Dieses Ergebnis lässt sich tendenziell so deuten, dass sich in den kleinen — oft infolge mangelnder Ressourcen — NPO das Corporate-Governance-Prinzip weniger gut durchsetzen kann und es häufiger zu „Einmischungen“ des Ehrenamtes in das operative Geschäft kommt. In diesen NPO kann sich die professionelle Geschäftsführung — wenn überhaupt vorhanden — wegen ungenügender Kompetenzen oder mangels Know-how weniger stark durchsetzen.

Dabei ist ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen Haupt- und Ehrenamt für jede NPO sowohl auf operativer wie auf strategischer Ebene essenziell. Beide sind im Idealfall an der Erarbeitung neuer Strategien gleichgewichtig beteiligt. Die Entscheidungsfindung läuft laut Umfrageergebnissen in der Praxis aber nur in etwas über der Hälfte der Fälle nach dem Idealfall der kooperativen Interaktion zwischen Haupt- und Ehrenamt ab. Dem Ehrenamt werden nach diesem Muster Analysen, Optionen und Vorschläge unterbreitet, aus denen in Diskussion mit dem Hauptamt die strategischen Entscheide gemeinsam erarbeitet werden. In mehr als einem Drittel der Fälle allerdings legt das Hauptamt dem Ehrenamt gleich beschlussfertige Anträge und Vorlagen zur Genehmigung respektive Ablehnung vor — das Ehrenamt partizipiert an der Erarbeitung und Bestimmung der Strategieinhalte nur unzureichend. Mit dem Ziel der Entscheidungsfindung treffen sich Ehren- und Hauptamt nur in jeder zweiten NPO zu einem jährlich stattfindenden Strategieworkshop (Klausur), bei dem beide Führungsebenen gemeinsam die wichtigen Fragen diskutieren.

Insgesamt verweisen die Ergebnisse der Studie daher eindeutig auf die Wichtigkeit und den Entwicklungsbedarf des Verhältnisses von Ehren- und Hauptamt. Es scheint offenbar von wesentlicher Bedeutung zu sein, dass die Anforderungen qualitativer Art an das Ehrenamt tendenziell im Steigen begriffen sind. Sehr bemerkenswert ist deshalb, dass — wie aus Abbildung 4 ersichtlich — die Entwicklung des Managements von Human Resources, zu denen bekanntermaßen auch die Ehrenamtlichen gehören, nur von 29 Prozent der NPO als Entwicklungsschwerpunkt genannt wird. Im Weiteren gibt die Tatsache zu denken, dass in NPO, in denen Widerstände gegen Professionalisierungsprojekte aufgetreten sind, das Ehrenamt zu den hartnäckigsten Widerstandsgruppen zählt (siehe Abbildung 3).

Populäre NPO-Labels

Sichtbares Zeichen einer fortgeschrittenen Professionalisierung ist der Ausweis eines Zertifikats für Qualitätsmanagement. In selbem Maße wie die Studie Verbände und NPO insgesamt auf dem Weg zur Management Excellence sieht, so hat auch der Stellenwert einer Zertifizierung ihrer Management-Systeme zugenommen. Nichtsdestoweniger sieht über die Hälfte der befragten Verbände keine Notwendigkeit, sich zertifizieren zu lassen, obwohl einige Organisationen darauf hinweisen, dass sie eine Zertifizierung nicht kategorisch ausschließen. Jede fünfte NPO geht diesbezüglich einen Schritt weiter und hat bereits eine Zertifizierung erlangt. In 46,2 Prozent der Fälle hat sich diese an den Kriterien der ISO orientiert, 3,8 Prozent haben sich am Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) ausgerichtet und 17,3 Prozent besitzen das NPO-spezifische Label des schweizerischen Verbandsmanagement Instituts (VMI) oder DGVM ZERT. Jeder vierte Verband fasst eine Zertifizierung in naher Zukunft ins Auge.

Fazit

Nonprofit-Organisationen haben in den letzten Jahren in der Gesamtbetrachtung zweifellos beträchtliche Professionalisierungsfortschritte erzielt. Themenspezifisch genießen Planungs- und Strategieinstrumente eindeutig Vorrang vor dem Marketing oder dem Human Resources Management. Ein besonders wichtiges Entwicklungsfeld ist und bleibt das Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamt.

Die vollständige Studie umfasst neben einer Gesamtbetrachtung auch eine themenspezifische Auswertung, deren Ergebnisse zudem nach Aktivitätsbereichen und Organisationsgrößen aufgeschlüsselt sind. Dazu bietet sie Sonderbetrachtungen beispielsweise zu Sportverbänden oder Stiftungen.

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Autor/in

Charles Giroud

ist Direktor der B’VM (Beratergruppe für Verbands-Management) in Bern, Linz, Stuttgart und Berlin.

http://www.bvmberatung.net
Autor/in

Claus Philippi

war Partner der B’VM|Beratergruppe für Verbandsmanagement. Bern. Linz. Stuttgart. Berlin. Als langjähriger Experte in der Verbandsberatung waren seine Schwerpunkte Mitgliederbefragungen, Leitbild- und Strategieentwicklung, Schnittstelle von Haupt- und Ehrenamt, Konfliktmanagement und die Begleitung bei komplexen Reorganisationsprozessen. Ende 2018 ist er aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden.

http://www.bvmberatung.net

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