Verbändereport AUSGABE 7 / 2012

Trocken wie Knäckebrot

Was macht gute Redenschreiber aus? – Tipps für die Praxis

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Zwei Wachleute patrouillieren nachts durchs Weiße Haus in Washington. Sie hören ein verdächtiges Klappern aus dem Oval Office. Vorsichtig öffnen sie die Türe, da sehen sie ein Gespenst, das am Schreibtisch sitzt und auf einer alten Schreibmaschine tippt. Sagt der eine Wachmann zum anderen: „Ach, das ist nur der Ghostwriter des Präsidenten.“ Trocken wie Knäckebrot

Zwei Wachleute patrouillieren nachts durchs Weiße Haus in Washington. Sie hören ein verdächtiges Klappern aus dem Oval Office. Vorsichtig öffnen sie die Türe, da sehen sie ein Gespenst, das am Schreibtisch sitzt und auf einer alten Schreibmaschine tippt. Sagt der eine Wachmann zum anderen: „Ach, das ist nur der Ghostwriter des Präsidenten.“ In diesem uralten Witz liegt ein Fünkchen Wahrheit: Redenschreiber sind eben manchmal wie Geister: Unerkannt und nachtaktiv spuken sie in nicht öffentlichen Kellergewölben, während oben im Festsaal das Ergebnis ihrer Arbeit als glänzende Rede im Scheinwerferlicht bejubelt wird.

Das Besondere daran: Einen guten Redenschreiber macht dieser Umstand glücklich und froh. Denn bei allen Eigenschaften, die Ghostwriter im Allgemeinen und Redenschreiber im Besonderen haben sollten, ist eine besonders wichtig: Man darf nicht auf Applaus, Rampenlicht, kreischende Fans oder Interview-Anfragen hoffen. Ghostwriter arbeiten im Hintergrund. Gelegentlich wird ihnen zum Beispiel bei der Präsentation eines von ihnen maßgeblich formulierten Buches gedankt, der Ruhm aber wird anderen zuteil: den Autoren, den Rednern und Referenten. Wen das nicht stört, der kann ein prima Redenschreiber werden. Wer damit Probleme hat, ist für den Job nicht gemacht.

Dabei gibt es zwischen dem Ghostwriter und dem Redenschreiber auch noch einen gravierenden Unterschied: Ghostwriter schreiben meist Bücher für andere, Fachbeiträge für Magazine und Zeitungen, Ehrungen oder Vorworte. Redenschreiber hingegen schreiben Reden. Das eine sind Texte, die gelesen werden, Reden hingegen werden ausschließlich gehört. Der Kommunikationsweg ist ein anderer, und so gesehen ist der Begriff Redenschreiber missverständlich.

Denn bei jeder guten Rede geht es eben ums Reden, um das gesprochene Wort und nicht um das geschriebene. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt betonte immer den Unterschied zwischen „Rede“ und „Schreibe“. Und in der Tat verleitet das schriftliche Abfassen von Redemanuskripten schnell zu monströsen Schachtelsätzen und theoretischen Sachaussagen, die trocken und staubig sind wie zu lang gebackenes Knäckebrot. Kommunikation übers Hören, durch die Rede, braucht Bilder, die im Kopf der Zuhörer entstehen. Diese Bilder liefern Redenschreiber.

Eine gute Rede entsteht im Idealfall so:

  • Alle Inhalte auflisten
  • Thematisch gliedern und strukturieren
  • Dramaturgie, roten Faden und Argumentationskette bauen
  • Bilder und kreative Vergleiche für Inhalte finden
  • Per Diktat ausformulieren
  • Später am Computer den Text nachbearbeiten
  • Einstieg und Schluss vorbereiten (Klammer bilden)

Das laute Reden Reden

Nun kann nicht jeder Redenschreiber seine Textvorschläge laut ins Diktiergerät sprechen. Insbesondere in Büros, in denen mehrere Kolleginnen und Kollegen sitzen oder in denen außer Redenschreiben noch andere Aufgaben der Verbandskommunikation erfüllt werden, wäre das laute Redenreden (statt nahezu lautloses Redenschreiben) störend. Werden Redetexte also direkt am Computer geschrieben, gilt es auf den Stil der Rede zu achten. Sie setzen das fünfte Komma hintereinander? Der Satz, an dem Sie schreiben, geht bereits über zehn Zeilen? Das sind wichtige Warnsignale: Achtung, das ist Schreibe und keine Rede. Solchen Sätzen kann das Publikum später möglicherweise nicht mehr folgen.

Reden bestehen aus kurzen Sätzen und – anders als gute journalistische Texte – nur selten aus Synonymen. Wichtige Stichworte werden wiederholt und im Schrifttext werden durch Kommata getrennte Aufzählungen durch „1., 2., 3.“ ersetzt. Nur so können sich die Zuhörer zurechtfinden. Zurückspulen oder zurückblättern geht ja nicht.

Beispiel: Schrifttext:

Politische Mitbestimmung ist mehr als nur die Einführung von Volksabstimmungen und Bürgerbegehren, sondern setzt auf die bewusste Wahrnehmung, kritische Auseinandersetzung, das Einbringen und Vorschlägen und damit auf eine aktive Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess.

Redetext:

Politische Mitbestimmung ist mehr als Volksabstimmung und Bürgerbegehren.

Echte Mitbestimmung setzt vielmehr die aktive Teilnahme am politischen Prozess der Willensbildung voraus.

Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das:

Politische Diskussionen in unserem Land bewusst zu verfolgen.

Es bedeutet, auch selbst Alternativen aufzuzeigen – kritisch und konstruktiv kritisch.

Es bedeutet, sich an politischen Diskussionen aktiv zu beteiligen, den eigenen Standpunkt zu betonen und zu versuchen, andere davon zu überzeugen.

Und – auch das ist Teil der politischen Mitbestimmung – bereit zu sein, sich selbst von anderen überzeugen zu lassen.

Wie wird man überhaupt Redenschreiber?

In aller Regel auf eher ungewöhnlichen Wegen oder schlicht durch Zufall. Der Redenschreiber ist ein sogenannter freier Beruf – ähnlich wie Journalisten oder Personal Trainer: Es gibt keine einheitliche Ausbildung und kein Examen. Kaum ein Redenschreiber hat sich zielstrebig in dieses Genre bewegt. Viele haben einen journalistischen Hintergrund oder haben als Theologen gearbeitet und Predigten verfasst und gehalten; andere als Juristen oder in Pressestellen – oder sie arbeiten dort heute noch. Denn Redenschreiben zählt zu den Aufgaben, wie sie eine Presse- oder Kommunikationsabteilung in Unternehmen, in der öffentlichen Verwaltung oder in Verbänden erfüllt. Nur wenige Redenschreiber beschränken sich auf das Verfassen von Redeentwürfen. Die meisten schreiben auch Pressemitteilungen, Beiträge für Zeitungen, Grußworte für Festschriften und vieles mehr.

Und da liegt eine Herausforderung an die Redenschreiber: Sie schreiben nämlich einerseits Texte, die ins Ohr gehen, und solche, die (hoffentlich nicht) ins Auge gehen. Einen Beitrag aus der jüngsten Verbandsbroschüre mal eben auch als Rede zu verwenden, verbietet sich angesichts der unterschiedlichen Sinneskanäle „hören“ und „sehen“. Je nach Anlass und Zielgruppe müssen Redenschreiber ähnliche Aussagen, Inhalte, Argumente und Appelle unterschiedlich und immer wieder neu verpacken – idealerweise noch mit einem aktuellen Einstieg garniert.

Sie tun das – um auf den Ghostwriter des amerikanischen Präsidenten zurückzukommen – auch schon mal zu ungewöhnlichen Uhrzeiten. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Denn viele Redeauftritte sind terminiert, lassen sich planen und der Redetext entsprechend vorbereiten. Aber es gibt auch unvorhergesehene Anlässe: eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz, die Bitte um ein Statement für einen Radiobeitrag, Streiks in der Luftfahrt oder bei Ärzten – so vielfältig wie Interessen- und Berufsverbände agieren, so vielfältig sind die Möglichkeiten, wann und wo nach einer Rede oder zumindest einer kurzen Stellungnahme verlangt wird.

Den Redenschreibern und allen, die mit der Vorbereitung und dem Verfassen von Reden betraut sind, verlangt dies auch schon mal ein gutes Stück Flexibilität ab. Und Diskretion! Die Rede muss verfasst sein, bevor der Redner sie hält. Doch das gesprochene Wort gilt erst ab dem Moment, in dem es gesprochen wurde. Solange es noch nicht das Licht der Scheinwerfer erblickt hat und noch auf dem Papier schlummert, darf es nicht öffentlich werden.

Was zeichnet gute Redenschreiber aus?

Sie fragen. Sie sind die Vorinstanz vor dem Publikum. Je mehr sie fragen, umso konkreter werden die Texte und umso bildhafter die Sprache. Das Auf und Ab einer Bilanz als gemeinsames Bergsteigen zu verpacken, bei dem jeder auf den anderen angewiesen ist, damit nicht die gesamte Belegschaft in den Abgrund stürzt, kann Mitarbeiter in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eher fesseln und motivieren als das Vortragen buchhalterischen Zahlenmaterials. Abiturienten, Azubis oder Absolventen erhalten ein „be-greifbares“ Bild von dem, was ihnen in ihrem Berufsleben bevorsteht, wenn man ihnen sagt: Ihr seid wie das Meisterstück eines Schreiners oder ein gutes Musikinstrument – handwerklich perfekt, aber im Laufe der Jahre erhalten sie durch viele kleine Korrekturen und Erfahrungen eine besondere Aura oder einen einzigartigen Klang.

Eine bildhafte Rede bleibt jedoch kaum in guter Erinnerung, wenn sie mit einer Bruchlandung endet, sich der Redner verhaspelt oder das Ende der Rede nicht deutlich wird. Die Kernbotschaft gerät dann in Vergessenheit, die Motivation von Mitarbeitern ist dahin, die Überzeugung von Lobbyisten nicht gelungen, die Bildersprache verliert ihre Wirkung. Ebenso gilt: Wer mit leeren Phrasen startet, mit schlechten Witzen oder langatmigen Begrüßungen, verliert schnell die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Daher gilt für jede Rede-Vorbereitung, besondere Sorgfalt auf Einstieg und Schluss zu legen – und auf den roten Faden, der Anfang und Ende möglichst knapp verbindet, ohne dabei an Spannung zu verlieren. Hier sind Redenschreiber und Redner gleichermaßen gefordert.

Eine Rede muss zum Redner passen

Regelmäßig werden Vorstandsvorsitzende deutscher Aktiengesellschaften für unverständliches Kauderwelsch und endlose Zahlenreihen gerügt, mit denen sie Aktionäre und Investoren auf Hauptversammlungen langweilen. Eine gute Rede soll mehr als Fakten vermitteln. Sie soll nützen, appellieren und erfreuen.

Und sie muss zum Redner passen. Gute Redenschreiber stellen sich auf Stimme, Ausdrucksweise, Redewendungen und andere besondere Sprachmerkmale und Eigenschaften des Redners bzw. der Rednerin ein. So sprach der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder oft von seiner Mutter, die im Publikum saß, Angela Merkel erwähnt gelegentlich den Einkaufszettel, den sie Herrn Sauer in die Hand drückt. So sind bei Kanzlers daheim die Haushalts-Aufgaben verteilt. Persönliches macht eine Rede interessanter und rückt Redner und Zuhörer näher zusammen.

Daher gehört es auch zur Aufgabe von Redenschreibern, selbstständig Inhalte, Anlässe und andere Aspekte zum Redethema zu recherchieren und eigene Formulierungen und Inhalte vorzuschlagen. Die Grenze zwischen dem Ausformulieren und der inhaltlich-geistigen Zuarbeit sind durchaus fließend. Ein Ghostwriter ist schließlich mehr als nur eine „Schreibmaschine“. Wichtig ist, dass alle Formulierungen abgestimmt werden und sich die Redner vor einem Auftritt mit dem Manuskript befassen. Wer sich eine Rede schreiben lässt und sie vorträgt, ohne sie vorher zu lesen, handelt fahrlässig und verkennt Sinn und Zweck einer Rede.

Wer als Redenschreiber arbeitet, muss Freude haben am Umgang mit anderen Menschen und am Umgang und der Arbeit mit Sprache. Eine 1 in Deutsch zu Schulzeiten ist kein Garant für den Erfolg als Redenschreiber, eine 3 muss der Karriere aber auch nicht zwingend entgegenstehen. Aber: Wer ungern Texte liest, kann Sprachvielfalt weniger verinnerlichen und ist deshalb möglicherweise nicht so gut geeignet für den Job, weil ihm oder ihr der Umgang mit Sprache wenig Spaß macht. Überhaupt empfiehlt es sich als Ghostwriter im Allgemeinen und Redenschreiber im Besonderen, Bücher und Zeitungen zu lesen,

  • um auf dem Laufenden zu sein,
  • um aktuelle Aufhänger zu finden und damit mehr Aufmerksamkeit zu erreichen,
  • um das Spiel mit Sprache zu lernen,
  • um treffend formulieren und Zitate wirkungsvoll nutzen zu können.

 Gerade für den Zitatenschatz ist es nicht verkehrt, sich in der Literatur ein wenig auszukennen. Man muss nicht gleich die gesamte Goethe- und Schiller-Sammlung auswendig können, um ein guter Redenschreiber zu sein. Schaden tun die Klassiker aber nicht, ein gutes Feuilleton in der Tagespresse im Übrigen auch nicht.

Eine Rede ist kein Monolog, sondern ein Dialog

Haben Redenschreiber alle relevanten Inhalte für die anstehende Rede zusammengetragen und strukturiert, geht es ans Ausformulieren. Auch wenn nur einer redet: Eine Rede ist kein Monolog, sondern ein Dialog. In dieser Wechselbeziehung zwischen Redner und Publikum ist es wichtig, die Sprache der Zuhörer zu sprechen. Damit ist nicht (nur) die Landessprache gemeint, sondern vor allem die Verständlichkeit. Redet jemand vor Handwerkern, vor Führungspersonen, dem Management oder Investoren, vor Technikern oder vor Endverbrauchern? Nur wenn die Zuhörer die Botschaften wirklich verstehen – wenn Redner in ihrer Sprache sprechen – können Reden ihr Ziel und ihre Wirkung erreichen. Dann gibt es Zustimmung, Applaus und Dankeschön – für die Redner auf der Bühne und hinter den Kulissen auch für manche Redenschreiber.     

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