Nicht wenige Stiftungen werden heute aufgrund einer Idee oder eines besonderen Bedürfnisses zu helfen mit geringem Stiftungskapital gegründet. Insbesondere die Stiftungen, die über ein geringes Startvermögen verfügen und darauf angewiesen sind, strukturiert Kapital und Spenden einzusammeln, kennen die Notwendigkeit, potenziellen Geldgebern und Spendern eine stringente soziale Investmentstory zu bieten.
Inzwischen gehören Begriffe wie „Investmentstory“, „Kunde“ und „Produkt“ wie selbstverständlich zur Stiftungsarbeit. Diese Begrifflichkeiten zeigen bereits, wie sich das Verhalten der Non-Profit-Organisationen inzwischen dem der profitorientierten Unternehmen angenähert hat. Diese Entwicklung ist dem berechtigten Wunsch der Spender und Social Entrepreneurs geschuldet, die Wert darauf legen, dass ihr Investment einen messbaren Impact hat und nicht nur in einer unbestimmten Menge „Gutes“ tut. Denn auch im Non-Profit-Sektor gilt es, Ressourcen möglichst effizient einzusetzen bzw. mit gegebenen Mitteln den größten Effekt zu erzielen.
Für Stiftungen ist es deshalb wichtig, in regelmäßigen Abständen mit Dritten Ziele, Wege und Maßnahmen der Organisation kritisch und konstruktiv zu hinterleuchten und auf Effizienz zu überprüfen. Der Deutschlandstiftung Integration stand hierfür die Unterstützung der Boston Consulting Group (BCG) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit jeweils mehrwöchigen Workshops im Rahmen des „BCG-Social Impact Programms“ zur Seite.
1. Schritt: Status Quo
Die Deutschlandstiftung Integration wurde 2008 als Initiative des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger gegründet. Eine Gruppe von Verlegern hatte einige Monate vor der Gründung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über diese Idee einer Stiftung diskutiert, die dann im November 2008 umgesetzt wurde. Als wichtige Starthilfe stand das Versprechen von mehreren Verlagshäusern, Anzeigenplätze für Integrationskampagnen zur Verfügung zu stellen. Zudem stand das reiche Netzwerk des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger mit vielen kreativen und schaffenden Köpfen der Medienbranche zur Seite. Die Gründung durch den Zeitschriftenverlegerverband und die Unterstützung der Verlagshäuser machten die besondere Beziehung zwischen Medien und Stiftung von Beginn an deutlich.
Die Deutschlandstiftung Integration wurde seit ihrer Gründung 2008 zu einem sichtbaren und beachteten Akteur beim Thema Integration. Dank großzügiger Beteiligung der Verlagshäuser fand die Kampagne „Raus mit der Sprache – rein ins Leben“ für das Erlernen der deutschen Sprache eine breite öffentliche Wahrnehmung. Für den Aktionstag „Geh Deinen Weg“ konnte im September 2012 die Unterstützung der gesamten ersten Bundesliga und ihrer Sponsoren gewonnen werden. Das Stipendienprogramm „Geh Deinen Weg“ macht seit vergangenem Jahr 180 Stipendiaten zu Botschaftern gelungener Integration und möchte damit das Gesellschaftsbild positiv
beeinflussen.
Der Stiftungsvorstand legte besonderen Wert darauf, die Ziele und Wege der Stiftung immer wieder sowohl anhand interner Strategiemeetings als auch durch externe Expertise laufend zu überprüfen und zu optimieren. Im Anschluss an die Gründungsjahre der Stiftung konnten im dritten Jahr der operativen Tätigkeit dank der pro bono Beratung der Boston Consulting Group eine präzise Evaluation der bisherigen Arbeit sowie eine fokussierte Strategiekonzipierung für die Zukunft vorgenommen werden.
2. Schritt: Zielsetzungen
Im ersten Strategieprojekt im Sommer 2012 mit der Boston Consulting Group wurden folgende Themen in einem vierwöchigen Workshop mit dem Team der Geschäftsstelle der Stiftung sowie einzelnen Vorstandsmitgliedern und BCG intensiv bearbeitet:
- Mission Statement der Deutschlandstiftung Integration
- Rollendefinition
- Arbeitsfokus (Schwerpunktthemen, Zielgruppe)
In einem zweiten Workshop im Jahr 2013 wurden die strategischen Implikationen für die konkrete Ausgestaltung der Programme der Deutschlandstiftung Integration (z. B. „Geh Deinen Weg“-Stipendienprogramm), ihre Organisationsstruktur und ihre Finanzierung vertieft.
Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Ergebnisse des Workshops war es, den Stiftungsvorstand von Beginn an in den Beratungsprozess so eng wie möglich einzubinden. Deshalb wurden so viele Vorstandsmitglieder wie möglich in einzelne Arbeitsschritte des Workshops eingebunden. Am Ende des Workshops wurden dem gesamten Stiftungsvorstand die Einzelergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die strategische Weiterentwicklung der Stiftungsarbeit vorgelegt.
Die beiden Schwerpunktentscheidungen, über die der Vorstand Entscheidungen treffen sollte und die aufgrund der Workshop-Ergebnisse erarbeitet werden sollten, umfassten:
- Weiterentwicklung der strategischen Ausrichtung der Deutschlandstiftung Integration mit einem dazugehörigen Mission Statement, einer klaren Rollendefinition und einem abgrenzbaren Arbeitsfokus
- Entscheidung über und Unterstützung eines Finanzierungs- und Fundraisingmodells
- Um diese Entscheidungen optimal vorzubereiten, wurde eine Analyse über die gesamte Organisation und ihre Projekte durchgeführt.
3. Schritt: Analyse
Die Analyse der eigenen Organisation beginnt mit der Bestimmung der Rolle und des Mandats. Als Nächstes sollte der Arbeitsfokus definiert und davon die Finanzierungs- und Allokationsstrategie abgeleitet werden.
Aufbauend auf die drei Blöcke Rolle, Fokus und Finanzierung kann zusammenfassend das Mission Statement hergeleitet werden, das genau diese drei wesentlichen Grundaspekte widerspiegeln sollte, die jeder Organisation inhärent sind. Wie in der Abbildung verdeutlicht, fungieren die Blöcke Rolle, Arbeitsfokus und Finanzierung als Säulen des Organisationsdaches „Mission Statement“. Wie beim Bau eines Gebäudes steht die Definition der Mission am Ende des Prozesses und fungiert als Dach, unter dem sich die Spezifikationen wiederfinden.
4. Schritt: Rolle und Mandat bestimmen
Jede Organisation sollte sich ihrer Rolle und ihres Mandats bewusst sein. Die Rolle einer Organisation ist prägend für ihr Selbstverständnis. Ein zentraler Teil der Analyse besteht darin, sich Klarheit über die Kernkompetenzen der Organisation, über die Betätigungsfelder und den Ansatzhebel zu verschaffen. Woher kommt die Organisation? Wer ist sie? Was ist ihre „DNA“? Aus diesen Einzelaspekten ergeben sich das Gesamtbild der Stiftung und das Selbstverständnis für die innere und äußere Wahrnehmung.
Für die Rollenbestimmung und das Selbstverständnis der Deutschlandstiftung Integration war es deshalb besonders wichtig, den Verband der Zeitschriftenverleger, den Initiator, immer im Blick zu haben. Denn eine zentrale Funktion des Verbandes wurde auch von der Stiftung wahrgenommen – die Schnittstellenfunktion zwischen Medien und Politik.
Der Zugang zu Medienorganisationen, das Know-how über den Werbemarkt sowie Kampagnen-Expertise gepaart mit der Unterstützung durch Verlagshäuser gehören zu den Besonderheiten der Stiftung, die sie bis heute prägen.
Mit diesen Alleinstellungsmerkmalen konnte der Hebel eindeutig identifiziert werden, mit dem die Stiftung den größten gesellschaftspolitischen Beitrag leisten kann. Die Stärke liegt mit diesen Voraussetzungen weder in „Grassroots“-Arbeit noch dem Advocacy an der Basis. Vielmehr soll die Stiftung aufklären, für bestimmte Positionen werben, Best Practices und Leuchttürme in den Vordergrund stellen und als Plattform für interessierte Akteure fungieren. Wenn eine Organisation sich über ihre größte Hebelwirkung im Klaren ist, kann sie den Hebel auch konsequent weiterentwickeln.
5. Schritt: Arbeitsfokus
Anhand der eingenommenen Rolle einer Organisation kann der Arbeitsfokus abgeleitet werden. Unter dem Arbeitsfokus werden all jene Themen und Zielgruppen versammelt, für die sich die Stiftung verantwortlich fühlt. Am Ende dieser Herleitung sollten eine klare Themenwahl und eine abgrenzbare Zielgruppe definiert sein.
Die konsequente Beibehaltung der definierten Rolle und ihres Arbeitsfokus vermeidet eine Überlastung der Stiftung mit operativen Tätigkeiten, die gar nicht im Zentrum ihres Interesses stehen. Genauso wichtig wie die positive Bestimmung von Themen und Zielgruppen ist die Abgrenzung gegenüber solchen Dingen, um die sich die Stiftung nicht kümmern sollte.
Gerade mit limitierten Ressourcen ist es für eine junge und kleine Organisation wichtig, eine selbstbewusste Position darüber einzunehmen, was die Organisation ist, welche Rolle sie übernehmen kann und welchen Aufgaben sie nachgehen sollte und welche nicht in ihre Zuständigkeit fallen. Gerade wenn die Identität noch nicht gefestigt ist, sind die Versuchungen stets groß, sich für viele Themenfelder verantwortlich zu fühlen und dabei mehrere Rollen einzunehmen.
Um die Organisationsziele möglichst effizient zu erfüllen, sollten die Themen unterschiedliche Prioritäten erhalten. Bestimmte Themen eignen sich zur Mandatserfüllung besser als andere, sodass es hilfreich ist, Schwerpunktthemen zu benennen und diese in Unterthemen zu untergliedern. Jedem Thema sollte wiederum eine klar abgrenzbare Zielgruppe gegenübergestellt werden. Die Zielgruppe kann nach verschiedenen Gesichtspunkten – Alter, Schuldbildung, Geschlecht, Migrationshintergrund etc. – segmentiert werden.
Die Gebiete Bildung, Arbeit und Gesellschaft hat sich die Deutschlandstiftung Integration als Themenfelder gesetzt. Innerhalb dieser Gebiete wurden jeweils Perspektiven identifiziert, in denen ein Bedarf für zusätzliche Tätigkeit erkannt und ein signifikanter Mehrwert erzeugt werden konnte. Insbesondere das Stipendienprogramm „Geh Deinen Weg“ schafft auf dem Gebiet der Bildung und Karriereförderung einen Mehrwert für junge Talente mit Migrationshintergrund. Die geförderten Stipendiaten sind dabei anschauliche Beispiele – „Leuchttürme“ – für gelungene Integration und wirken als Multiplikatoren gegenüber einer breiten Öffentlichkeit. Die Stiftung unterstützt die öffentliche Darstellung, indem sie Gelegenheiten für Medienauftritte mit den Stipendiaten anbietet, das Programm mit einer Werbekampagne begleitet und gemeinsam mit Mentoren und Mentees bundesweit Inhalte für Redaktionen liefert.
6. Schritt: Finanzierung
Um die Ziele der Stiftung zu erreichen, bedarf es angemessener Finanzmittel und einer Ressourceneinsatzplanung, die in einer Finanzierungsstrategie abgebildet werden sollten. Die Finanzierungsstrategie muss dabei im Einklang mit der Gesamtstrategie stehen.
Für die Erstellung der Finanzierungsstrategie gilt wie bei der Erstellung der Gesamtstrategie, dass sie mit der Rolle, dem Mandat und dem Selbstverständnis der Stiftung übereinstimmen sollte. Deshalb ist die Finanzierungsstrategie ebenfalls individualisiert zu erstellen. Die Deutschlandstiftung Integration hatte hierfür Gelegenheit, in einem separaten Workshop an diesem Thema zu arbeiten. Gerade weil das Thema Finanzierung für viele Organisationen sehr wichtig ist, sollte es mit den strategischen Erwägungen nicht vermengt, sondern gesondert behandelt werden.
Gute Tipps für das Fundraising, die sich mit den Erfahrungen der Deutschlandstiftung Integration decken, bietet der Artikel „Six Corporate Fundraising Tips for NGOs“ von Katinka Barysch auf dem Blog des World Economic Forums.
7. Schritt: Mission Statement
Am Ende des Strategieprozesses sollte die Erstellung des Mission Statements stehen, das alle bisherigen Ergebnisse widerspiegelt. Das Statement, das die Quintessenz einer Organisation ist, sollte daher nicht nur die bloße Aneinanderreihung von Einzelergebnissen sein. Es gibt sowohl Auskunft über Wahrnehmung und Selbstverständnis der Organisation als auch über die Ziele und Wege. Jedes neue Thema und jedes neue Projekt muss sich in diesem Statement wiederfinden können.
Anhand dieser Formulierung sollte jeder Stiftungsmitarbeiter einem Dritten, einem „Stakeholder“ und insbesondere potenziellen Investoren innerhalb von 30 Sekunden nachvollziehbar das Wesen der Stiftung vorstellen können (Elevator Statement), um dann im gegebenen Kontext für konkrete Projekte werben zu können.
Die Mission der Deutschlandstiftung Integration ist es, „als medienverbundene Stiftung die Entstehung eines neuen, vorurteilsfreien Gesellschaftsbildes, das zur aktiven Integration von Personen mit Migrationshintergrund motiviert, zu fördern. Durch Informationskampagnen, öffentlichkeitswirksame Darstellung erfolgreicher Integration und Leuchtturmprojekte gibt sie hierzu Impulse und gezielte Hilfestellungen. Die Verankerung der deutschen Sprache als gemeinsame Basis sowie die Schaffung gleicher Zugangs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Migranten v.a. in Bildung und Beruf betrachtet sie dabei als zentrale Themen ihrer Arbeit.“
Das strategisch erarbeitete Mission Statement wird so zur Grundlage der täglichen Arbeit und nützliche Hilfestellung für jeden Mitarbeiter. Der Stiftung hilft es, die Ziele auch in allen operativen Prozessen stets im gesetzten Rahmen zu halten.