Die Welt verändert sich. Andauernd und seit jeher. Permanenter Wandel bestimmt auch unsere Arbeitswelt. Organisationsentwicklung ist eine Daueraufgabe. Die Bedeutung von Change Management steigt weiter. Mit der Integration einer Generation in unsere Arbeitswelt, die Kommunikation, Information und Wissensmanagement völlig neu lebt und einfordert, steht auch Verbänden ein Kulturwandel bevor.
Dieser Beitrag beginnt mit einer Plattitüde: Die Welt verändert sich. Ständig. Seit jeher. In der Tat ist die einzige Konstante der Wandel. Wir wohnen nicht mehr in Höhlen, holen unser Wasser nicht aus dem Brunnen, reisen nicht mit der Dampflok und nutzen unsere Telefone mittlerweile als Filmkamera, Musikspieler und mit einem Internetzugang als Tor zur Welt.
Die permanente Weiterentwicklung auch von Organisationen ist daher die Regel. Dass auf Veränderungen eine Zeit der Stabilität, eine Zeit des organisatorischen Durchschnaufens folgt, ist nicht anforderungsgerecht. Organisationen müssen sich ständig veränderten Rahmenbedingungen, Anforderungen und technischen Möglichkeiten stellen, sonst erleiden sie einen Nachteil im Wettbewerb um Gestaltungsmöglichkeiten, Einfluss und Reputation und damit einen Nachteil im Wettbewerb um ihre (potenziellen) Mitglieder, also ihre Zukunft.
Das Verbandsmanagement reagiert darauf, dass die Führung der Organisation nicht unter sterilen Bedingungen, sondern in einem sozioökonomischen Umfeld stattfindet: Strukturierte Ziel- und Strategiediskussionen, Stärken- und Schwächen-Analysen, Mitgliederbefragungen sowie die bewusste Auseinandersetzung mit den Wünschen und Anforderungen weiterer Zielgruppen sind zunehmend selbstverständliche Bestandteile moderner Verbandsführung.
Zahlreiche Veränderungsprojekte haben derweil ihren Ursprung in den umwälzenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie. Computer, mobile Endgeräte, Internet, Intranet und Extranet sowie eine Flut von Anwendungsprogrammen prägen die Art und Weise, wie wir arbeiten.
Technische Innovationen erleichtern die Kommunikation, die Organisation von Wissen, den ortsunabhängigen Zugriff auf und die Weiterverarbeitung von Dokumenten. Dies ist für die gremiengeprägte Welt der Verbände von unschätzbarem Vorteil. Technische Innovationen stellen Mitarbeiter aber auch vor Herausforderungen: Die permanente Weiterentwicklung und die damit verbundene Neuausrichtung von Strukturen, Arbeitsabläufen und Einflussbereichen prallen auf unser grundlegendes Bedürfnis nach Klarheit, Sicherheit und Verlässlichkeit. Die Bedeutung von Change Management ist daher auch für Verbände nicht hoch genug einzuschätzen – und wird doch immer noch massiv unterschätzt.
Digitale trifft auf analoge Mitarbeiterschaft
In die Situation der fortgesetzten Digitalisierung unserer Arbeitswelt mit ihrer analogen, digital angelernten Mitarbeiterschaft rücken nun sukzessive Vertreter einer Generation nach, die mit den digitalen Möglichkeiten aufgewachsen sind und mit ihrer natürlichen, intuitiven Anwendung ein eigenes Selbstverständnis von Kommunikation, Information und Wissensmanagement mitbringen.
Welche unterschiedlichen Kosmen aufeinanderprallen, lässt sich am Einsatz von Social Media für die Verbandskommunikation darlegen: Schnell werden Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht, wenn der Einsatz von Social Media als weitere technische Möglichkeit missverstanden wird, tradierte Informations- und Kommunikationsziele zu erreichen.
Social Media aber ist zunächst keine Frage von Technik, sondern vielmehr eine Haltung, eine Philosophie. Mit sozialen Medien verlassen Organisationen endgültig das Zeitalter der Einbahnstraßenkommunikation und signalisieren vielmehr das Angebot, ins Gespräch zu kommen, einen Dialog aufzunehmen, auf die Zielgruppen zuzugehen und mit ihnen aktiv zu kommunizieren. Dies wiederum bedingt eine veränderte Einstellung zu Offenheit, Transparenz, interner wie externer Interaktion und kurzen Reaktions- und Redaktionswegen. Um dies für die analog geprägte Mitarbeiterschaft nachvollziehen zu können, lohnt die aktive Beschäftigung mit der Generation, die die Anwendung moderner Kommunikationsmedien sowie die digitale und soziale Vernetzung als erste quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat, denn sie bildet einen wachsenden Teil der Zielgruppen sowie der eigenen Mitarbeiterschaft.
Die Lebenswirklichkeit der „Generation Y“
Diese „Generation Y“, also die etwa nach 1985 Geborenen, versteht Social Media nicht als Medium von Sendern und Empfängern oder Anbietern und Konsumenten. Jeder ist vielmehr aktiver Teilnehmer und kann im Web 2.0 mit seinen Veröffentlichungen sofort weltweit Menschen erreichen. Für die „Digital Natives“ oder auch „Digital Residents“ ist es Alltag, dass mit einem Video auf Youtube oder einem Podcast in Tagen mehr Menschen erreicht werden können, als dies Schriftsteller, Schauspieler oder Regisseure mit ihrem Angebot während ihres gesamten Lebens schaffen.
Das dieser Verbreitung zugrunde liegende Teilen, Weitersagen und Empfehlen von Inhalten funktioniert ausschließlich über das Kriterium Qualität. Unabhängig davon, ob es um Fotos, Videos oder Textbeiträge geht. Es gibt so unendlich viel Content im Netz, dass die Digital Residents eines besonders beherrschen: zu selektieren und auszusondern. Nur das, was wirklich Relevanz entfaltet und nachhaltiges Interesse weckt, hat in den sozialen Medien eine Überlebenschance.
Und das Prinzip des Teilens nimmt immer mehr Lebensbereiche ein: Der BITKOM meldet, dass die „Shareconomy“ mittlerweile Wirtschaft und Gesellschaft revolutioniert, da immer mehr Menschen über das Internet nicht nur persönliche Erfahrungen und digitale Inhalte, sondern auch Gegenstände aller Art mit anderen teilen. Der wachsende Erfolg der Car-Sharing-Modelle in Großstädten insbesondere bei jungen Menschen basiert auf dem gleichen Selbstverständnis: Ich teile und muss es nicht besitzen.
Wir „Digital Immigrants“ nehmen Computer immer noch ganz wesentlich als Arbeitsgeräte wahr. Für Digital Natives dagegen sind Computer Medien, die unendlich viel generieren, das ganze Leben darstellen, unter anderem auch Arbeit. Computer und Internet ermöglichen es, den Tatort, die im TV noch nicht angelaufene US-Serie, Filme oder Dokumentationen zu jeder x-beliebigen Zeit anzuschauen, anstatt sich dies über Sendetermine vom Fernsehen vorschreiben zu lassen.
Auch ein anderes Medium hat bei der Generation Y einen schweren Stand: Es werden immer weniger Zeitungen gelesen. Warum sich auch durch acht bis zwölf Stunden alte Nachrichten blättern, wenn man im Internet ständig auf dem neuesten Stand ist? Der Springer-Konzern hat jüngst mit dem Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften realisiert: Die Zukunft der Printmedien ist endlich, Überlebenschancen haben ausschließlich digitale Angebote.
Digital Residents sind kommunikativ und gut vernetzt. Sie sind ferner kreativ, weil dies in den sozialen Medien zur eigenen Profilierung beiträgt. Gefragt sind klare, eigene Ideen, Positionen und Argumente, keine Kopien und Plagiate, die immer entdeckt und gnadenlos mit Häme bedacht werden. Digital Residents werden auf diese Weise konflikt- und kritikfähig und erleben Autorität durch Glaubwürdigkeit und Überzeugung, nicht durch Hierarchie. Und schließlich sind Digital Residents Teamplayer, weil sie gelernt haben, dass sie bei bestimmten Fragen im Austausch mit der Gemeinschaft, der „Community“, zu interessanteren Ideen und zu schnelleren und besseren Resultaten kommen.
Mit diesen Ein- und Vorstellungen von Transparenz und Offenheit, einer kommunikativen Kultur des Teilens von Informationen, Wissen und Ideen und dem Glauben an Autorität, die auf Argumenten und Überzeugung basiert, erreicht die Generation nun den Arbeitsmarkt. Einen Arbeitsmarkt, der ihnen viele Möglichkeiten bietet, sodass sie in der Lage sind, sich ihren Arbeitgeber auszusuchen und nicht darauf warten müssen, dass sie ausgesucht werden.
Werden die Erwartungen der Digital Natives an das berufliche Umfeld erfüllt, sind die Bindung an und die Identifikation mit dem Arbeitgeber sehr hoch und sie werden sich mit Spaß, Leidenschaft und hohem Engagement einbringen. Andernfalls werden die Rahmenbedingungen an anderer Stelle gesucht – und gefunden.
Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, als ob derzeit jeder nach 1985 Geborene zwangsläufig ein Digital Native ist und jeder Digital Native zwangsläufig als beeindruckendes Talent zu gelten hat. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass die Lebenswirklichkeit der Generation Y mit den sich daraus ergebenden Fähigkeiten für und Erwartungen an die Arbeitswelt völlig verkannt werden.
Die Generation Y wird die Unternehmenskultur auch in Verbänden spürbar verändern. Je früher sich Organisationen damit beschäftigen und je früher Digital Natives in die Organisation eingebunden werden, desto größer wird ihr Wettbewerbsvorteil um Einfluss, Reputation und Mitglieder, also um ihre Zukunft sein.
Erwartungen von Digital Natives an ihre berufliche Tätigkeit
- Hohes Maß an Sinnhaftigkeit und Relevanz
- Offene, transparente Kommunikationskultur
- Systematisches Informations- und Wissensmanagement
- Einsatzmöglichkeiten, bei denen ihre Stärken und Talente voll zum Tragen kommen
- Beteiligung an Entscheidungsprozessen, die über die Zukunft der Organisation entscheiden
- Hohes Maß an Freiheit, Flexibilität und selbstständigem Handeln
- Teamwork, Feedback und interner wie externer Austausch
- Arbeit darf und soll Spaß machen
- Abkehr von der klassischen strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit
- Zugang zu neusten Technologien und Medien
- Entscheidungsfindung aufgrund von Argumenten statt Hierarchie
- Positives Image und Reputation des Arbeitgebers
Weiterführende Literatur:
- Philipp Riederle: Wer wir sind und was wir wollen. Ein Digital Native erklärt seine Generation. Knaur 2013
- Reto Baumgartner: Digital Natives werden die Unternehmenskultur verändern, Marketing & Kommunikation 5/12, S 48 ff.