Verbändereport AUSGABE 6 / 2011

Sozialversicherungspflicht für Bezüge von Verbandsvorständen?

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Anlässlich von Sozialversicherungsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) bei Verbänden zeigt sich vermehrt die Tendenz, die Zahlungen an die Vorstandsmitglieder der Beitragspflicht zur Sozialversicherung zu unterwerfen.

Anschaulich zeigt dies folgendes Schreiben an einen Mitgliedsverband der DGVM, das wir aus aktuellem Anlass im Wortlaut wiedergeben (Hervorhebungen durch den Bearbeiter):

„(Es ist) von uns zu prüfen, ob für die ehrenamtlich beschäftigten Mitglieder des Vorstandes ein abhängiges, dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist Voraussetzung für das Entstehen von Versicherungspflicht. Es ist nicht identisch mit dem Arbeitsverhältnis, das die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (z. B. Beschäftigungsdauer, Entgelthöhe und -zahlung, Urlaub, Kündigung usw.) regelt und durch den Arbeitsvertrag zustande kommt. Nach der Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis ist der Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht erforderlich; das Arbeitsverhältnis entsteht schon durch die mit der Arbeitsaufnahme verbundene Eingliederung in den Betrieb.

Das Beschäftigungsverhältnis ist dagegen die Gesamtheit aller versicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und der Sozialversicherung. Es kommt – obwohl die Rechtsprechung bisweilen die Arbeitsaufnahme genügen lässt – dadurch zustande, dass der Beschäftigte nach übereinstimmendem Willen mit dem Arbeitgeber fremdbestimmte Arbeit leistet oder zu leisten hat und dafür eine Vergütung erhält. Ob der übereinstimmende Wille zu einem gültigen Arbeitsvertrag geführt hat, ist nicht maßgebend. Ebenso kommt es nicht darauf an, welche Bezeichnungen vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer für ihre Beziehungen und die dem Beschäftigten zugewiesenen Aufgaben gewählt werden. Entscheidend ist vielmehr allein, wie der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ihre Beziehungen tatsächlich gestaltet haben.

Wesentliches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit. Sie äußert sich vornehmlich in der Eingliederung „in“ einen Betrieb, womit regelmäßig die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über „Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung“ verbunden ist. Diese Weisungsbefugnis kann aber – besonders bei Arbeitnehmern in leitender Stellung – bei Ausführung der Arbeit auf ein äußerst geringes Maß herabgesetzt sein. Auch wenn die persönliche Einwirkung des Arbeitgebers in Gestalt ausdrücklicher Weisungen nicht in Erscheinung tritt und dadurch die Durchführung der Arbeit dem selbstverantwortlichen Ermessen des Arbeitnehmers überlassen bleibt, liegt eine fremdbestimmte Dienstleistung vor, wenn die zu erfüllende Aufgabe

  • von der Ordnung des Betriebes geprägt wird,
  • sich aus Übung oder Herkommen ergibt
  • und die Arbeitskraft im Dienste des Unternehmens eingesetzt wird.

Insgesamt gesehen ist die persönliche Abhängigkeit daher stets zu bejahen, wenn der Dienstleistende „in“ einem Betrieb arbeitet, d. h. also in den Betrieb eingegliedert ist und als Angehöriger des Betriebes angesehen wird, selbst wenn die Weisungsgebundenheit – was die Ausführung der Arbeit anbetrifft – stark eingeschränkt ist.

Bedeutsame Anhaltspunkte für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind auch das Vorhandensein oder Fehlen einer eigenen Betriebsstätte und insbesondere eines eigenen Unternehmerrisikos sowie die wirtschaftliche und soziale Stellung des Dienstleistenden. Die versicherungsrechtliche Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung vorliegt oder nicht, hat zunächst allein unter Beachtung der vertraglichen und tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden ehrenamtlichen Tätigkeit zu erfolgen . …

Das Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses wird nicht von vorneherein dadurch ausgeschlossen, dass die Tätigkeit ehrenamtlich ausgeübt wird (vgl. BSG-Urteil vom 1.2.1979-12 RK 7/77 - USK 7929). Bei mitarbeitenden Vereinsvorständen bzw. Vorständen von Verbänden besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15.12.1983 - 12 RK 57/82 - USK 83188) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, sofern kein maßgeblicher Einfluss auf die Vereinsführung ausgeübt wird. Im Übrigen ist die Versicherungspflicht/-freiheit nach den durch die Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit zu prüfen. Für die versicherungsrechtliche Beurteilung von Vereinsvorständen ist weiterhin erheblich, ob neben der Organstellung als Vereinsvorstand eine dem allgemeinen Erwerbsleben zuzurechnende Verwaltungsfunktion ausgeübt und dafür eine entsprechende Vergütung gewährt wird.“

Nach dieser allgemeinen Einleitung vertritt der Prüfer die Auffassung, dass im konkreten Fall die Vorstandsmitglieder eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Als Begründung führt der Prüfer an, dass der Vorstandsvorsitzende den Verband nach der Satzung gerichtlich und außergerichtlich vertritt und nach der Satzung alle Urkunden oder Verträge, die den Verband verpflichten, vom Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter und einem weiteren Vorstandsmitglied unterzeichnet werden müssen. Daneben stützt der Prüfer seine Auffassung auf den Umstand, dass der Vorstand die Verwaltung des Verbandes führt, die Mitgliederversammlung vorbereitet und deren Beschlüsse ausführt sowie den Haushaltsplan und die Jahresrechnung aufstellt. Einzelne Vorstandsmitglieder könnten den Verband nicht maßgeblich beeinflussen, da letztlich alles von den Entscheidungen der Mitgliederversammlung abhänge.

Zusätzlich beruft sich der Prüfer darauf, dass die gewährten Aufwandsentschädigungen nach Ecklöhnen ermittelt wurden und den Zeitaufwand und Verdienstausfall abgelten sollten. Die Zahlungen hätten daher Entgeltcharakter.

Anmerkungen:

Wohl die allerwenigsten Vorstandsmitglieder in Verbänden werden die Ausübung ihres Vorstandsamtes als abhängige Beschäftigung im Dienste eines arbeitgebenden Verbandes ansehen. Dies gilt insbesondere bei ehrenamtlich tätigen Vorständen. Gleichwohl zeigt das vorstehend zitierte Schreiben der DRB, dass die Behörde eine völlig andere Grundauffassung vertritt. Ihr kommt dabei zugute, dass die sozialversicherungsrechtlichen Abgrenzungskriterien zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit ungewöhnlich schwammig sind. Sie bestehen aus einer Aneinanderreihung auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe, sodass das Ergebnis so gut wie nicht im Voraus kalkulierbar ist – also ein gefundenes Fressen für eine Sozialversicherung, deren Kassen dringend auffüllungs-
bedürftig sind.

Man muss daher leider konstatieren, dass die Tendenz der Sozialversicherungsprüfer eher zur Annahme der Sozialversicherungspflicht geht. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte ist hier kaum hilfreich, weil eher staatsfreundlich. Gelegentlich gibt es aber auch Lichtblicke: So entschied das schleswig-hosteinische Landessozialgericht, dass eine sozialversicherungsrechtlich irrelevante ehrenamtliche Tätigkeit vorliege, wenn sich die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes auf wöchentliche Treffen zur Regelung der Belange des Vorstandes und gelegentliche Repräsentationsfunktionen beschränkt (Urteil vom 11.1.2006 - L 5 KR 18/05–). Allerdings erhielt der Vorstand in diesem Falle lediglich eine monatliche Fahrtkostenerstattung von 80 Euro. Immerhin verwies das Gericht darauf, dass ein Beschäftigungsverhältnis nur vorliege, wenn es sich um eine wirtschaftliche Betätigung, d. h. eine auf Gewinn gerichtete Tätigkeit mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung, handelt.       

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.