Verbändereport AUSGABE 4 / 2004

Satzungspraktikum: Innerverbandliche Schiedsgerichte

Logo Verbaendereport

Zahlreiche Verbandssatzungen sehen zur Schlichtung innerverbandlicher Konflikte so genannte Schiedsgerichte vor. Über die Anforderungen an diese Gremien und ihre Befugnis bestehen oft unzutreffende Vorstellungen.

Fall:

Die Mitgliederversammlung eines Verbandes beschließt, in Zukunft Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern in Verbandsangelegenheiten oder zwischen Mitgliedern und dem Vorstand durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, das sich aus drei Verbandsmitgliedern zusammensetzen soll, die nicht dem Vorstand oder einem sonstigen Organ des Verbandes angehören. Zwischen dem Mitglied A und dem Vorstand entstehen Meinungsverschiedenheiten, ob der Mitgliedsbeitrag für A nach der Beitragsordnung richtig berechnet worden ist. Der Vorstand übersendet die Korrespondenz in dieser Angelegenheit an die Mitglieder des Schiedsgerichts und bittet um eine Entscheidung. In einem von dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts unterschriebenen Brief teilt dieser dem Vorstand mit, dass die Beitragsberechnung durch den Vorstand rechtens gewesen sei. Mitglied A möchte wissen, ob er gegen diese Entscheidung gerichtlich vorgehen kann.

Lösung

Zur Satzungsautonomie zählt auch die gesetzlich anerkannte Einrichtung von Schiedsgerichten. Ein Schiedsgericht tritt an die Stelle staatlicher Gerichte. Seine Entscheidungen sind bindend (§ 1055 ZPO: „Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.“)

Allerdings sind an diese Übertragung staatlicher judikativer Tätigkeit bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die sich auf die Bestellung des Schiedsgerichts, das anzuwendende Verfahren und auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts beziehen.

Bei Verbänden und Vereinen muss das Schiedsgericht grundsätzlich in der Satzung verankert sein, wobei bestimmte inhaltliche Anforderungen zu erfüllen sind. Fehlt es an einer Satzungsklausel, dann kann die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nur durch eine wirksame Schiedsvereinbarung zwischen den Beteiligten erfolgen. Eine solche Schiedsvereinbarung zwischen Beteiligten, sofern diese die Vereinbarung nicht ausschließlich im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit eingehen, muss in einer eigenhändig von den Parteien unterschriebenen Urkunde enthalten sein, die keine anderen Bestimmungen enthalten darf als solche, die sich auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen (§1031 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

Der Beschluss der Mitgliederversammlung allein war daher keine ausreichende Grundlage für die Bildung eines Schiedsgerichts. Aber es fehlten auch noch weitere Voraussetzungen.

Ist ein Schiedsgericht in der Satzung vorgesehen, so müssen folgende weitere Anforderungen erfüllt sein: Es muss die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Regeln über die Auswahl und die Bestellung der Schiedsrichter bestimmt sein. Ferner sollte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts möglichst präzise in der Satzung bestimmt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Entscheidungsbefugnis eines verbandlichen Schiedsgerichts grundsätzlich nur auf Verbandsmitglieder bezieht. Das Schiedsgericht muss als eine von den übrigen Vereinsorganen unabhängige und unparteiische Stelle eingerichtet werden. Daher können Vorstandsmitglieder nicht Mitglieder des Schiedsgerichts sein. Üblicherweise besteht das Schiedsgericht aus drei Personen, dem Vorsitzenden und jeweils einem von den Parteien benannten Beisitzer. Trifft die Satzung keine Bestimmung über die Zahl der Schiedsrichter, gilt die gesetzliche Regelung von drei Schiedsrichtern. Diese können, müssen aber nicht Vereinsmitglieder sein. Sie dürfen keine sonstige Organstellung in dem Verband wahrnehmen.

Vor dem Schiedsgericht kann man die Hilfe von Anwälten in Anspruch nehmen.

Das schiedsgerichtliche Verfahren muss im Wesentlichen dem der staatlichen Gerichte entsprechen. Ist dies nicht der Fall, kann der bereits erwähnte Aufhebungsantrag zur Kassation des Schiedsspruchs bei staatlichen Gerichten gestellt werden. Funktionell zuständig ist hierfür das in der Satzung vorgesehene, sonst das örtlich zuständige Oberlandesgericht.

Sofern ein wirksames Schiedsgericht eingerichtet ist und dieses in verfahrensmäßig einwandfreier Weise zu einem Schiedsspruch im Rahmen seiner Verbandsgerichtsbarkeit gelangt ist, tritt der Schiedsspruch an die Stelle staatlicher Urteile. Staatliche Gerichte sind damit ausgeschlossen, sofern nicht Mängel des Schiedsgerichts (Zuständigkeit, Zusammensetzung, Verfahren, rechtliches Gehör) vorgelegen haben. Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Desgleichen ist eine Begründung nötig, es sei denn, die Parteien hätten auf eine Begründung verzichtet. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, ist in dem Schiedsspruch auch über die Kosten zu entscheiden.

Nach § 1041 ZPO kann das Schiedsgericht auch Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes treffen, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

Erfüllt eine verbandliche Satzung nicht die vorstehenden Anforderungen, kann es sich gleichwohl um einen „Schiedsausschuss“ handeln, der nicht die Wirkung eines gerichtlichen Urteils hat. Dabei ist zu beachten, dass es auf die Bezeichnung „Schiedsgericht“ oder „Schiedsausschuss“ nicht ankommt – entscheidend ist, wie das Schiedsgericht oder der Schiedsausschuss inhaltlich und verfahrensrechtlich ausgestaltet ist. Die Wirkungen eines in der Satzung vorgesehenen Schiedsausschusses bestehen lediglich darin, dass vor Anrufung der staatlichen Gerichte das Schiedsverfahren durchgeführt werden muss. Solange dies noch nicht erfolgt ist, kann vor den staatlichen Gerichten von der Gegenseite die Einrede der Schiedsvereinbarung erhoben werden.

Im vorliegenden Fall reichte der Beschluss der Mitgliederversammlung aber noch nicht einmal für die wirksame Bestellung eines Schiedsausschusses aus. Ferner entsprach das Verfahren nicht den rechtlichen Anforderungen, da zum Beispiel kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, was grundsätzlich auch schriftlich erfolgen kann.

Der Beschluss ist daher für das Mitglied A in keiner Weise bindend. Es kann in dieser Angelegenheit unmittelbar die staatlichen Gerichte anrufen.

Artikel teilen: