Es liegt nur wenige Jahre zurück, dass die Finanzverwaltung zur Überraschung der Fachwelt die Auffassung vertrat, jegliche Erwähnung wirtschaftlicher Tätigkeiten in der Satzung eines Berufsverbandes führe zum Verlust der Berufsverbandseigenschaft (wir berichteten). Diese Auffassung erschien als höchst fragwürdig, weil in der maßgeblichen Steuerbefreiungs-Vorschrift (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG) die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Betätigung von Berufsverbänden ausdrücklich bejaht wird. Dann kann es auch nicht steuerschädlich sein, diese wirtschaftliche Tätigkeit in der Satzung zu erwähnen.
Im Frühjahr 2002 hat nun - mit einiger Verzögerung - auch die Finanzverwaltung erkannt, dass ihre Auffassung nicht haltbar war. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind daher von ihrer zuvor vertretenen Auffassung ausdrücklich abgerückt. Dieser grundsätzliche Meinungswandel schlägt sich jedoch leider nicht in einer für die ganze Bundesrepublik gültigen, veröffentlichten Verwaltungsanweisung nieder. Vielmehr gibt es zu dieser Problematik nur Verfügungen einiger Oberfinanzdirektionen oder Einzelschreiben von Länderfinanzministerien, die aufgrund von Einzelanfragen von Verbänden ergangen sind.
So heißt es z.B. in einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Kiel (vom 7.3.2002, Aktenzeichen: S 2727 A - St 262, NWB-Eilnachrichten Fach 1 Seite 127):
„Anders als bei der Gemeinnützigkeit enthält das Gesetz für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG keine Vorgabe, nach der jedwede wirtschaftliche Tätigkeit, die in der Satzung genannt wird, schädlich für die Steuerbefreiung ist. Die Steuerbefreiung wird nur dann gefährdet, wenn die tatsächliche Geschäftsführung so gestaltet ist, dass die wirtschaftliche Tätigkeit dem Verband das Gepräge gibt“.
Die gleiche Auffassung kommt auch in einer Verfügung der OFD Hannover vom 6.6.2002 (Aktenzeichen: S 2725 - 32 - StH 233/ S 2725 - 20 - StO 214, DStR 2002, 1305) zum Ausdruck. Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vertritt in mehreren unveröffentlichten, an einzelne Verbände gerichteten Schreiben die gleiche Auffassung (so z.B. vom 4.7.2002 und vom 10.7.2002, Aktenzeichen: S 2725 - 2 - VB4).
Der gesamte Vorgang belegt deutlich die leider häufiger zu beobachtende Tendenz der Finanzverwaltung, Regelungen des sehr viel restriktiveren Gemeinnützigkeitsrechts kritiklos auf die Besteuerung von Berufsverbänden zu übertragen. Dieser Tendenz gilt es nachdrücklich entgegenzutreten.
Da die Finanzämter nicht generell über den Sinneswandel ihrer vorgesetzten Behörden informiert wurden, kann es im Einzelfall bei der Steuerveranlagung von Berufsverbänden zu Schwierigkeiten kommen. Es empfiehlt sich in diesem Fall, das jeweils zuständige Landesfinanzministerium einzuschalten, um das örtlich zuständige Finanzamt über die geänderte Auffassung der obersten Finanzbehörden zu informieren.