Eine wichtige Frage für alle, die Verbandsvermögen zu verwalten haben: Mit welchen Anlageklassen und welcher zugehörigen Depotstruktur kann man in der heutigen Zeit noch ruhig schlafen und trotzdem eine hinreichende Rendite erwirtschaften? Wie schwierig diese Frage zu beantworten ist, zeigen derzeit die Kapitalmärkte. Die Kurse auf den unterschiedlichen Märkten spiegeln sehr gegenläufige Erwartungen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist es für Anleger äußerst problematisch, eine Anlageentscheidung zu treffen.
Angst
Die Angst vor einer erneuten Weltwirtschaftskrise zeigt sich am Preis des Goldes. Für eine Unze wurde am 26. November 2009 ein Rekordpreis von 1.190 US-Dollar bezahlt, ein Anstieg um 70 Prozent innerhalb eines Jahres — und das für ein Investment, das keine laufenden Erträge abwirft und enormen Kursrisiken unterliegt. Handelt es sich hier um eine spekulative Blase, oder spiegelt dieser Preis tatsächlich wider, dass man selbst bei „mündelsicheren“ Anlagen — also Staatsanleihen und Immobilien — nicht mehr sicher sein kann?
Gier
Auf der anderen Seite des Marktes stehen den „Sicherheitsspekulanten“ beim Gold die „Risikospekulanten“ gegenüber. Ein Beispiel: Die Aktien der ostasiatischen Länder haben seit Jahresbeginn mit einem Plus von 65 Prozent ähnlich stark zugelegt wie der Goldpreis. Wird dies noch durch realistische Erwartungen bezüglich der Entwicklungschancen dieser Länder gedeckt, oder handelt es sich wieder um eine spekulative Blase, die bereits den Keim der nächsten Kursstürze in sich birgt? Muss man also Aktien und andere Anlageformen mit höherem Renditepotenzial unbedingt meiden?
Unsicherheit
Die große Spannweite der Erwartungen ist ein klares Indiz für hohe Unsicherheit. Dies spiegelt sich in der Suche nach Sicherheit bei der Mehrzahl der Anleger wider. Es besteht eine enorme Nachfrage nach festverzinslichen Anlagen mit hoher Bonität. Dementsprechend sind die Kurse dieser Papiere seit Jahresbeginn 2008 sehr kräftig gestiegen. Am Beispiel eines Pfandbriefes: Einen Pfandbrief mit einer Restlaufzeit von drei Jahren und einem Kupon von 4,25 Prozent muss man derzeit zu einem Kurs von 106 kaufen. Damit errechnet sich eine effektive Verzinsung von lediglich 2,3 Prozent (WKN DE000EH093P1).
Weniger als 2,5 Prozent Rendite für die klassische Verbandsanlage sind häufig kaum auskömmlich. Inwieweit ist es also notwendig, den Pfad der Tugend zu verlassen? Muss man heute, nur um eine Rendite von drei Prozent zu erzielen, beachtliche Risiken durch lange Laufzeiten oder den Einsatz stark schwankender Assetklassen eingehen?
Grundsätze für das Anlageverhalten
Ohne zusätzliches Risiko ist eine erhöhte Rendite nicht möglich. Will man Chancen nutzen, müssen auch vorübergehend hohe Schwankungen im Wert der Kapitalanlagen getragen werden können. Von daher muss es sich um Mittel handeln, die auf längere Sicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gilt es, die bewährten Regeln der Kapitalanlage in der jetzigen Situation besonders strikt zu beachten:
Das Depot gegen unerwünscht hohe Wertschwankungen schützen. Der Anteil festverzinslicher Wertpapiere mit sehr guter Qualität sollte einen Anteil von wenigstens zwei Dritteln nicht unterschreiten. Die Laufzeiten sollten im Durchschnitt nicht länger als drei bis fünf Jahre sein, da sonst Zinssteigerungen enorme negative Auswirkungen haben. Zudem sollte man strikt darauf achten, dass es bei Laufzeiten und den Ausstellern von Wertpapieren nicht zur Ballung von Risiken kommt.
Für die Einbeziehung riskanterer Anlageklassen muss das Prinzip der gezielten Diversifizierung gelten, d. h. Anlageklassen wählen, die sich im Zweifelsfall gegenläufig entwickeln und daher eine „innere Stabilisierung“ mit sich bringen. Auch innerhalb dieser Anlageklassen sollten keine konzentrierten Risiken eingegangen werden. Also spezifische Teilmärkte, z. B. Technologieaktien oder gar Einzeltitel, strikt meiden.
Anlageklassen für ein Musterdepot
Zum Schutz vor extremen Wertschwankungen sollte ein Depot wenigstens zu 70 Prozent aus festverzinslichen Wertpapieren hoher Qualität bestehen. Bundesanleihen sollten trotz der geringen Rendite nicht außen vor gelassen werden. Sollte die Konjunktur wieder einbrechen und/oder politische Risiken virulent werden, sind sie das wirksamste Mittel gegen erheblichen Wertverfall bei allen anderen Anlageklassen.
Die Einbeziehung von Aktien birgt zwar erhebliche Schwankungsrisiken, eröffnet aber die Chance, an den Wachstumspotenzialen der Weltwirtschaft zu partizipieren. Natürlich nur mit begrenztem Risiko. Der Anteil sollte maximal 20 Prozent betragen und die gesamte Breite des Marktes großer europäischer Titel beinhalten.
Rohstoffe sind zwar ebenfalls sehr stark konjunkturanfällig und reagieren mit heftigen Kursausschlägen. Sie können allerdings zwei ganz wesentliche Argumente für sich in Anspruch nehmen. Sie sind und bleiben knapp. Schon bei relativ geringem Wachstum der Weltwirtschaft wird die Nachfrage nach Rohstoffen und damit werden auch die Preise steigen. In der gegenwärtigen Situation bieten sie zudem willkommenen Schutz vor Inflation. Angesichts gering ausgelasteter Kapazitäten und weltweiten Konkurrenzkampfs ist Inflation auf den realen Gütermärkten vorerst nicht zu erwarten. Sollte es zu Preissteigerungen kommen, werden es in erster Linie die Rohstoffe sein.
Musterdepot
Ein Musterdepot mit universeller Gültigkeit kann selbstredend nicht empfohlen werden. Letztlich muss die spezifische Risikotragfähigkeit des Verbandes bei der Festlegung der Struktur entscheidend sein. Von daher haben die Durchschnittsergebnisse der Tabelle lediglich informativen Charakter. Die Daten für die einzelnen Anlageklassen sind jedoch repräsentativ und zeigen die gegenläufigen Entwicklungen, die sich durch die Differenzierung der Anlagestruktur ergeben:
- Mit festverzinslichen Wertpapieren konnte man in den letzten Jahren vergleichsweise sehr hohe Rendite erwirtschaften. Auch wer einmal gekaufte Papiere bis zur Fälligkeit hielt, konnte von den hohen Kupons profitieren. Diese Situation hat sich gravierend verändert. Selbst bei einer Laufzeit von vier Jahren und einem relativ hohen Anteil von riskanteren Unternehmensanleihen bleibt die effektive Verzinsung deutlich unter drei Prozent.
- Die Einbeziehung der stärker risikobehafteten Anlageklassen kann in guten Jahren zu einem wesentlich höheren Ertrag führen. In wirklich schlechten Jahren sind dagegen auch sehr hohe Verluste einzukalkulieren.
- Ein derart diversifiziertes Depot kann aber auch Katastrophenjahre „mit Anstand“ überstehen. Dem dramatischen Verlust bei Aktien in 2008 stehen die hohen Erträge bei festverzinslichen Wertpapieren gegenüber.
Umsetzung der Investments
Die Diversifikation nach Laufzeiten und Ausstellern von Wertpapieren ist bei Festverzinslichen mit Einzeltiteln möglich, allerdings mit relativ hohem Aufwand verbunden. Zur Streuung der Risiken ist eine Vielzahl von Papieren nötig, folglich ist es schwierig, den Überblick bezüglich der Kursentwicklungen zu halten. Bereits bei der Einbeziehung von Unternehmensanleihen ist es in unsicheren Zeiten aber nahezu zwingend, ein laufendes Controlling durchzuhalten.
Für die Umsetzung des Musterdepots wurden daher Indexfonds gewählt. Sie sind das einfachste und ein sehr sicheres Mittel, um den Anforderungen für den Risikoschutz gerecht zu werden. Da sie wegen niedriger Kosten und damit ungünstiger Ertragsstruktur für die Banken nur selten empfohlen werden, ist die Nutzung noch nicht weit verbreitet, trotz erheblicher Vorteile:
- Indexfonds bilden analog zu herkömmlichen Investmentfonds ein Sondervermögen, d. h. die enthaltenen Wertpapiere sind als direktes Eigentum des Verbandes bei einer Depotbank hinterlegt — sie stellen also keine Schuldverschreibungen oder Zertifikate dar.
- Sie bilden die gesamte Breite des Marktes 1 : 1 ab. So kommen beispielsweise über den Indexfonds für Unternehmensanleihen 76 verschiedene Anleihen mit hoher Bonität ins Depot.
- Trotzdem kann der Aufbau einer gewünschten Vermögensstruktur in beliebig kleinen Stückelungen vorgenommen werden, ebenso die Liquidierung, die Fonds werden ständig an der Börse gehandelt.
- Es gibt kein aktives Management — wird beispielsweise die Einbeziehung von Aktien beschlossen, bekommt man genau das Marktergebnis und muss sich nicht für einen unglücklich gewählten Manager rechtfertigen.
- Bei Fälligkeiten werden die neuen Papiere entsprechend der geforderten Qualität und Laufzeit innerhalb des Fonds angepasst. Damit wird das Controlling wesentlich vereinfacht, man muss nur den Kurs des Fonds im Auge behalten.
- Schließlich wird die Liquiditätsvorsorge wesentlich erleichtert. Statt einer Vielzahl von Zinsterminen und Fälligkeiten können die regelmäßigen Ausschüttungen einfach kalkuliert werden.
Eine Ausnahme bei der realen Hinterlegung bildet der Fonds für Rohstoffe. Diese können im Regelfall nicht real bei einer Depotbank hinterlegt werden (Ausnahme: einzelne Goldfonds) und werden über geeignete Finanzmarktinstrumente abgebildet. Zwischen diesen Indexfonds gibt es große Unterschiede und wichtige potenzielle Nachteile können mit der Wahl des richtigen Fonds vermieden werden. Was aber auf jeden Fall beachtet werden sollte, ist der Diversifizierungseffekt. Der hier genutzte Rohstofffonds setzt sich aus einer Vielzahl verschiedener Rohstoffarten — von Edelmetallen über Energie bis Lebensmittel — zusammen.
Vermögensverwaltung
Selbstverständlich sollte man immer nur Risiken eingehen, die man auch tragen kann. Bei der Festlegung der zulässigen Anlageklassen und deren Anteil am Verbandsdepot ist es unumgänglich, „mit dem Schlimmsten“ zu rechnen und auf dieser Basis zu investieren. Allerdings bleibt natürlich die Frage, wie man sich verhält, sollten sich aufgrund von starken Kursbewegungen die Anteile der einzelnen Anlagesektoren nachhaltig verändern. Der häufig vorzufindende hektische Verkauf gefallener Werte stellt sich im Nachhinein fast immer als die schlechteste Alternative dar.
Eine einfache, aber effektive und mit geringem Beratungsaufwand durchzuführende Methode ist es, um die festgelegten Anteile der einzelnen Assetklassen Spannbreiten zu bilden. Sobald diese über- oder unterschritten sind, wird in zu definierenden Abständen die ursprünglich gewollte durchschnittliche Struktur wieder hergestellt. Gut verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel von Staatsanleihen und Aktien im Zeitraum 2008 bis März 2009:
- Der starke Kursanstieg bei Staatsanleihen hätte bei gleichzeitig stark fallenden Aktienkursen zu einem gesunkenen Aktienanteil und einem gestiegenen Anteil der Bundeswertpapiere geführt.
- Als Folge hätte man die Anleihen mit Gewinn verkauft und Aktien zu niedrigeren Kursen gekauft. Der damit verringerte durchschnittliche Einstandswert für die Aktien hätte dazu geführt, dass man beim Wiederanstieg der Kurse weit früher wieder die Gewinnzone erreicht hätte.
Vom Prinzip her entspricht dieses Vorgehen der ältesten und einfachsten aller Börsenregeln: Verkaufen, wenn’s teuer ist, und kaufen, wenn’s billig ist. Setzt aber natürlich voraus, dass man auch eine Durststrecke überstehen kann und dass man die Regel des „Hold and Buy“ auch wirklich eisern durchhält.
Die zweite Möglichkeit für die Vermögensverwaltung mit Blick auf das Risikomanagement besteht darin, dass man die einzelnen Wertpapiere beim Anstieg des Risikos für die betroffene Anlageklasse und bei sinkenden Vermögenswerten systematische Absicherungen der Kurse vornimmt. Für sehr große Vermögen geschieht dies im Regelfall im Rahmen einer Vermögensverwaltung. Zwischenzeitlich gibt es aber auch eine Vielzahl von Publikumsfonds, die unter Einbeziehung verschiedener Assetklassen einen möglichst konstanten Ertrag anstreben (Multi-Asset-Total-Return-Fonds). Hier gibt es jedoch sowohl bezüglich der Einbeziehung von Assetklassen als auch bei der Risikoakzeptanz sehr große Unterschiede, dasselbe gilt für die Kosten. Anbieterunabhängiger Beratung bei der Auswahl des richtigen Fonds für die spezifischen Bedürfnisse kommt hier entscheidende Bedeutung zu.