Verbändereport AUSGABE 2 / 2006

Quo vadis Berufsverband?

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Die Frage des „Wohin“ lässt sich regelmäßig leichter oder einfacher beantworten, wenn man die Frage nach dem „Woher“ beantwortet hat. Gedanken zum Verband der Zukunft und der Zukunft der Verbände.

Berufsverbände entstanden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, wohl als Gegenpol zu den Gewerkschaften, und sie waren, und das muss mit allem Nachdruck festgehalten werden, als Körperschaften selbstverständlich im vollem Umfang steuerpflichtig. Dieser Status währte bis zum Jahre 1933 als alle Verbände in der sogenannten Reichsverbändekammer zusammengefasst wurden. Ob die dort zusammengefassten Verbände steuerpflichtig waren oder nicht, ist nicht bekannt. Nach dem zweiten Weltkrieg gründeten sich viele der Berufsverbände neu oder sie setzten sich fort; über Steuerfreiheit oder Steuerpflicht dachte man nicht nach. In den Jahren 1946/1947 dachten die Hohen Kommissare über die Demokratisierung Deutschlands nach und unter dem Einfluss Großbritanniens erhielten die Berufsverbände das Privileg der Steuerfreiheit, um als Hilfsorgane der Legislative Demokratie einzuüben und zu vermitteln.

Steuerbefreiung

Die steuerbefreienden Vorschriften wurden weitgehend denen der gemeinnützigen Organisationen nachgebildet, woraus sich bis zum heutigen Tage die falsche Annahme hartnäckig hält, dass Berufsverbände wegen ihrer Gemeinnützigkeit steuerbefreit seien, was dann bei Verbänden in der starken, aber leider total falschen, Aussage gipfelt: „Wir sind ein gemeinnütziger, steuerbefreiter Berufsverband“. Eine gemeinnützige Organisation kann kein Berufsverband sein und ein Berufsverband kann niemals gemeinnützig sein.

Da der Berufsverband bewusst als Lobby ausgestaltet worden ist, sollte er dieses Privileg auch nutzen, indem er sich akkreditieren lässt; leider nehmen nur sehr wenige Berufsverbände die Möglichkeit wahr, sich so am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.

Eine der deutschen Spielart eines Berufsverbandes vergleichbare Organisation gibt es in den anderen Ländern der Europäischen Union nicht, was in der Vergangenheit zu erheblichen Irritationen geführt hat und sich nun zu einem starken Druck auswächst, indem die europäischen Nachbarn zu Recht monieren, dass in Deutschland im Schutz einer steuerbefreiten Organisation ziemlich umfangreiche unternehmerische Aktivitäten entfaltet werden.

Aus den wenigen Berufsverbänden im Jahre 1947 sind mittlerweile über 12.000 Berufsverbände geworden, die dem Markt, aber auch untereinander, heftige Konkurrenz entwickelt haben.

Wirtschaftliche Aktivitäten

In der irrigen Annahme, dass man generell das Privileg der Steuerfreiheit habe und unter der Vorstellung, dass man ja Gutes tue und darum natürlich steuerfrei sein müsse, haben viele Berufsverbände innerhalb der eigenen Organisation oder in sogenannten Servicegesellschaften ganz massive wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt, die regelmäßig eher selten nach den bestehenden steuerlichen Gesetzen gewürdigt oder gar erfasst werden. Hier ist die Kritik der deutschen Marktteilnehmer, die dieses Handeln natürlich als Konkurrenz empfinden und bewerten, aber auch der europäischen Nachbarländer, berechtigt. Es hat in der Vergangenheit verschiedene Anstöße aus der Politik gegeben, die aber bislang nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt haben.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang unbedingt die Sechste Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Umsatzsteuern und hier insbesondere der Artikel 13 zu den Steuerbefreiungen im Inland. Diese Richtlinie ist insofern besonders zu beachten, da das Umsatzsteuerrecht kein nationales Recht, sondern ausschließlich europäisches Recht ist. Alle Bestimmungen zu Steuerbefreiungen enden mit dem Schlusssatz: Vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt.

Innerhalb der Berufsverbände dürfen die wirtschaftlichen Betätigungen nur in einem solchen Umfang anfallen, dass diese dem Berufsverband nicht das Gepräge geben. Diese Definition hört sich einfach an, ist jedoch sehr unbestimmt und von Fall zu Fall jeweils für den jeweiligen Verband zu ermitteln. Man geht zur Zeit davon aus, dass ein Gepräge nur stattfinden kann, wenn mehr als die Hälfte der Aktivitäten in wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben erfolgt.

Hierzu hört man aus der Politik, dass es mit dem Wesen eines Steuerprivilegs nur vereinbar sei, wenn eine wirtschaftliche Betätigung nur von untergeordneter Bedeutung oder in ganz geringem Umfang erfolge; hiernach ist wohl ein Umfang in der Größenordnung von um oder unter 10 Prozent an wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben zu verstehen.

Eine solche Größenordnung würde dazu führen, dass ein großer Teil der Berufsverbände kein Berufsverband mehr sein könnte.

Die Auslagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten in eine Kapitalgesellschaft löst die Probleme nur zum Teil, oder meist gar nicht, denn diese Gesellschaften werden regelmäßig von den Berufsverbänden zu 100 Prozent gehalten und im wahrsten Sinne des Wortes beherrscht, was regelmäßig dazu führt, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochter-Kapital-Gesellschaft dem Mutterunternehmen, nämlich dem Berufsverband, zugerechnet werden.

Handlungsbedarf für die Politik

Hier ist Handlungsbedarf für die Politik, denn die Berechtigung für das Wirken der Berufsverbände ist unbestritten, wenn auch häufig Politiker in der letzten Zeit über die Macht der Verbände geklagt haben.

Es wird die Meinung vertreten, dass nur klare und eindeutige Regelungen die zur Zeit bestehende Unsicherheit auf steuerlichem Gebiet auflösen können:

  1. Der Berufsverband bleibt als deutsche Spielart mit einem Steuerprivileg ausgestattet, aber er betätigt sich ausschließlich (100 Prozent) als Lobby-Verband.
  2. Alle wirtschaftlichen Betätigungen werden von einer Kapitalgesellschaft – GmbH oder AG – durchgeführt, die regelmäßig in ihrem eigenen Erscheinungsbild dem Erscheinungsbild des Verbandes sehr ähnlich sein kann.
  3. Der Berufsverband kann das Kapital der Kapitalgesellschaft zu 100 Prozent halten und er kann und darf auch die Kapitalgesellschaft „beherrschen“, indem gleiche Führungsgremien wie im Verband vorherrschen und auch Aufsichtsgremien aus dem Verband gebildet werden. Nur eine solche Konstellation ist lebensnah und praktikabel.
  4. Die Kapitalgesellschaft ist als Non-Profit-Organisation auszugestalten, die aber natürlich in vollem Umfang allen steuerlichen Vorschriften unterliegt.
  5. Sollte die Kapitalgesellschaft doch größere Gewinne erwirtschaften, so sind diese an der Quelle zu besteuern und die Nettodividende führt im Berufsverband zum Zufluss im Bereich der Vermögensverwaltung.

Zur Zeit werden regelmäßig Servicegesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH – gehalten, zukünftig bietet sich hier aber wesentlich besser die sogenannte Kleine Aktiengesellschaft – Kleine AG – an. (Anmerkung der Redaktion: Die „Spielregeln“ einer Kleinen AG werden im nächsten Heft erläutert.)

Die Darstellung versucht darzulegen, dass der Berufsverband eine interessante und erhaltenswerte deutsche Spielart in der Verbandslandschaft ist, dass sie aber im Laufe der letzten 50 Jahre durch eine drastische Ausweitung der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe „verkommen und in Verruf“ geraten ist.

Der Berufsverband muss zurück zu den Anfängen, um eine Zukunft zu haben.

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