Verbändereport AUSGABE 4 / 2007

Qualitätsmanagementsysteme für Verbände

DGVM ZERT und TQE-Fundraising – ein Systemvergleich

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Nahezu gleichzeitig sind zwei scheinbar konkurrierende Qualitätsmanagementsysteme auf dem Markt erschienen. Auf der einen Seite DGVM ZERT der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM), auf der anderen Seite das TQE-System der Fundraising Akademie Frankfurt. Basis beider Systeme ist die Normenfamilie ISO 9000:2000. Im Übrigen bestehen zwischen den Systemen jedoch gravierende Unterschiede.

Das Qualitätsmanagementsystem DGVM ZERT

DGVM ZERT wurde vor zwei Jahren in Abstimmung mit den Zertifizierungspartnern TÜV-Rheinland-Group und DQS entwickelt, um den Anforderungen der in der DGVM zusammengeschlossenen Berufsverbände nach einem einheitlichen Organisationsstatut gerecht zu werden. Die bereits existierende Qualitätsnorm ISO 9001:2000 ist vorrangig technikorientiert und auf den Verbandssektor schon deshalb nicht 1:1 übertragbar. Darüber hinaus fehlen in dieser Normengruppe einige für die Berufsverbände wesentliche Bestandteile komplett. Die Bereiche Finanzen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kommen dort beispielsweise ebenso wenig vor wie die für Berufsverbände überaus wichtige Lobbyarbeit.

Dies hatte zur Folge, dass die Vorgaben der Norm zwar einzuhalten, in ihrer Diktion jedoch auf die Bedürfnisse der Berufsverbände abzuwandeln und um die fehlenden Bereiche zu ergänzen waren. Dadurch entstand der seit vorigem Herbst vorliegende Kriterienkatalog, der in erster Linie als Organisationshilfe für die Arbeit in Berufsverbänden dient, darüber hinaus aber auch die Möglichkeit der Zertifizierung bietet. Dieser Gesichtspunkt ist besonders für solche Verbände interessant, deren Mitglieder selbst DIN-zertifiziert sind oder die sich in einer Konkurrenzsituation zu Organisationen mit ähnlichem Verbandszweck befinden.

Aus dieser verstärkt auf das Innenleben der Organisationen fokussierten Sicht ergibt sich eine Vielzahl handfester Vorteile, von denen an dieser Stelle nur zwei Gesichtspunkte besonders hervorgehoben werden sollen.

Die Suche nach ehrenamtlichen Vorständen wird immer schwieriger. Dies liegt weniger an der mit einem Ehrenamt verbundenen zusätzlichen Arbeitsbelastung, sondern eher daran, dass die Haftungsgefahren für Vorstandsmitglieder in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind. Das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme steht in keinem Verhältnis zum Nutzen oder Mehrwert einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Dies hat inzwischen vermehrt zur Folge, dass Vorstandsmitglieder zur Abwehr von Imageschäden länger im Amt bleiben, als es ihrer eigentlichen Lebensplanung entspricht.

Dieses Risiko mildert eine dokumentierte Organisationsstruktur deutlich ab. Voraussetzung ist natürlich, dass die gefundene Struktur in der Organisation von allen Mitarbeitern verinnerlicht und auch mit Überzeugung gelebt wird. Orientiert sich die dokumentierte Struktur an den verbandlichen Interessen, können potenzielle Vorstandsmitglieder ziemlich sicher sein, dass sie in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht nur einem zu vernachlässigenden Haftungsrisiko ausgesetzt sind, sondern bei ihrer Arbeit in positivem Sinne unterstützt werden.

Größere, organisch gewachsene Verbände kämpfen häufig mit dem Problem nicht ausgewogener Auslastung der Mitarbeiter. Die Gründe hierfür sind vielfältig und lassen sich häufig nicht auf den ersten Blick erkennen. Die Ursache hierfür liegt häufig darin, dass größere Projekte abgeschlossen sind, die daraufhin erforderlich gewordene Anpassung von Tätigkeitsfeldern und Verantwortlichkeiten jedoch nicht vorgenommen wurde. Diese Folge stellt sich nicht selten auch dann ein, wenn sich Verbandsaufgaben durch Zeitablauf erledigen. Derartige Mängel deckt ein Qualitätsmanagementsystem, dessen Kern immer der kontinuierliche Verbesserungsprozess sein muss, zeitnah auf.

Das Total-Quality-Excellence nach TQE-Fundraising

Das TQE-Modell (Total-Quality-Excellence)- der Fundraising Akademie beruht zwar auch auf der Normengruppe ISO 2001:9000; die Unterschiede zu DGVM ZERT ergeben sich aber aus den gegenüber DGVM ZERT weitergehenden Bedürfnissen der Zielgruppe.

Ausgangspunkt der Entwicklung des TQE-Guides (Gegenstück zum Kriterienkatalog DGVM ZERT) war die Wahrnehmung von Defiziten in der Struktur von Spenden sammelnden Organisationen durch die Dozenten der seit 1998 bestehenden Fundraising Akademie, deren Geschäftsfeld in der Ausbildung von Mitarbeitern (Fundraisern) der Spendenabteilungen gemeinnütziger Organisationen besteht. Neben – ähnlich wie bei DGVM ZERT – erkannten Strukturdefiziten fehlt häufig eine Erfolgskontrolle im Hinblick auf die erzielten Spendenergebnisse, die bei Berufsverbänden nicht erforderlich ist.

Dieser Unterschied mag auf den ersten Blick geringfügig erscheinen, in Bezug auf die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ergeben sich daraus jedoch grundlegend andere Anforderungen. Ein für Spenden sammelnde Organisationen sinnvolles System muss daher zwingend eine Ergebniskontrolle unter Berücksichtigung interner und externer Benchmarks vorsehen, auf das DGVM ZERT im Wesentlichen verzichten kann. Aus diesem Grunde wurde für die Fundraisingabteilungen Spenden sammelnder Organisationen – mit der TÜV-Rheinland-Group als Zertifizierungspartner – das TQE-Modell Fundraising entwickelt, das eine Ergebniskontrolle neben der Optimierung interner Prozesse und Verfahren zwingend vorsieht.

Die Vorteile, die sich im Hinblick auf die Organisationsstruktur ergeben, entsprechen den Vorteilen, wie sie bei Einführung von DGVM ZERT im Hinblick auf die Berufsverbände entstehen.

Ein weiterer, für Spenden sammelnde Organisationen besonders wichtiger Vorteil besteht aber in der Zertifizierung durch den TÜV. Spenden sammelnde Organisationen verwalten das Geld der Spenderinnen und Spender, das zum überwiegenden Teil – nach Abzug der Verwaltungskosten – den satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecken zugutekommen muss. Die Öffentlichkeit fordert daher in immer stärkerem Masse Transparenz im Hinblick auf die Mittelverwendung. Die Diskussion darüber, welches der bekannten Systeme dieser Forderung genügt, währt schon sehr lange und ist immer noch nicht abgeschlossen. Die Kritik entzündet sich zum einen an der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit dessen, was den Verwaltungskosten einer Spenden sammelnden Organisation hinzuzurechnen ist, zum anderen daran, dass keine dieser Organisationen sich einer externen Überprüfung in ihren Geschäftsräumen stellen muss.

Diese systematische Lücke in der Bewertung Spenden sammelnder Organisationen schließt die TÜV-Zertifizierung auf der Grundlage des TQE-Systems Fundraising, mit der die Organisationen sicherlich auch öffentlich werben werden.

Die immer wieder eingeforderte Transparenz im Hinblick auf die Mittelverwendung Spenden sammelnder Organisationen wird nämlich dadurch sichergestellt, dass der TÜV-Auditor die zu zertifizierende Organisation in Begleitung eines Fachauditors-Fundraising während ein bis zwei Tagen besucht und sich vor Ort ein Bild von der TQE-Dokumentation der Fundraisingabteilung sowie davon macht, ob die Organisation die Vorgaben der Dokumentation auch tatsächlich auf allen Hierarchieebenen lebt.

Um die Zertifizierung zu erhalten, ist darüber hinaus die Erreichung von mindestens 400 von 1.000 Punkten der Bewertungsskala des TQE-Modells erforderlich. Die Bewertung erfolgt dadurch, dass den einzelnen Prozessschritten bestimmte, von der jeweiligen Bedeutung abhängige Punktzahlen zugeordnet sind, die sich je nach erreichtem Perfektionsgrad bemessen. Zwingende Voraussetzung für die Zertifizierung ist darüber hinaus, dass für den Fundraisingbereich ein TQE-Beauftragter bestellt wird, der die entsprechende Ausbildung erfolgreich absolviert haben muss.

Gemeinsamkeiten beider Systeme

Trotz der bestehenden Unterschiede, die sich in erster Linie aus den unterschiedlichen Zielgruppen ergeben, weisen beide Systeme Gemeinsamkeiten auf, die auf der Systematik jedes Qualitätsmanagementsystems beruhen.

Beide Systeme orientieren sich an den zwingenden Voraussetzungen der Normenfamilie ISO 9000:2000: kontinuierlicher Verbesserungsprozess, Dokumentation, jährliches internes Audit, Rezertifizierung alle drei Jahre.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist die Meta-Ebene eines jeden Qualitätsmanagementsystems, dem im Ergebnis alle anderen dokumentierten Prozesse dienen müssen. Funktionsfähige Abläufe können beibehalten werden, nicht oder nicht mehr fähige Prozesse müssen im Sinne einer Verbesserung angepasst werden. Beim TQE-Modell muss sich darüber hinaus zu jeder Rezertifizierung die Punktzahl erhöht haben.

Die Dokumentation ist zwingende Voraussetzung für die Zertifizierung. Sie muss die Verfahren und die Verzweigungen zu den einzelnen Geschäftsabläufen darstellen. Im Übrigen spielt die Form eine untergeordnete Rolle; sie muss lediglich der zugrunde liegenden Funktion folgen. Sie kann verbal oder mit Flussdiagramm – die Kombination beider Varianten ist sinnvoll – geschrieben in Ordner abgelegt und/oder entsprechend im Intranet hinterlegt sein.

Einmal im Jahr ist ein internes Audit entsprechend den Vorgaben der jeweiligen Zertifizierung durchzuführen. Der interne Auditor muss nicht unbedingt Arbeitnehmer der zertifizierten Organisation sein, sondern kann auch auf Beraterbasis hinzugezogen werden. Das interne Audit muss nicht in zeitlichem Zusammenhang durchgeführt werden. Eine Auditierung einzelner Abteilungen oder Sparten, die in einem Zusammenhang stehen, kann in mehrmonatigem Abstand erfolgen. Es muss aber gewährleistet sein, dass das interne Audit innerhalb eines Jahres abgeschlossen wird.

Die Erstzertifizierung und die Rezertifizierung nach jeweils drei Jahren müssen von den akkreditierten Auditoren durchgeführt werden. Es ist sinnvoll, die Dokumentation vor der Auditierung einzureichen und in einem Vorgespräch zu klären, ob diese den Anforderungen der Zertifizierung genügt.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist. Aus diesem Grunde ist eine Erfolg versprechende Einführung nur möglich, wenn nicht nur einzelne Mitarbeiter die Einführung befürworten; es müssen vielmehr alle Mitarbeiter und insbesondere auch die oberste Leitung von den Vorteilen des Qualitätsmanagementsystems überzeugt sein und dessen Einführung befürworten. Dann werden sich die organisatorischen und werblichen Vorteile innerhalb relativ kurzer Zeit positiv bemerkbar machen.

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