Neuerdings bemühen sich Verbände um die Erlangung von Zertifikaten verschiedenster Normen-reihen und Labels. Was passiert, wenn eine Zertifizierung vonstattengeht und wie sehen die praktischen Erfolge aus? Die Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes (VBZH) sind hier schon Ende der 1990er Jahre Vorreiter gewesen: Die Verbandsgeschäftsstelle in München ist seit 1999 nach ISO 9001:2000 zertifiziert, die gesamte Organisation erfüllt seit 2004 die Anforderungen des NPO-Labels für Management Excellence von SQS und VMI. Und das nicht nur aus konjunkturellen und branchenspezifischen Erwägungen heraus.
Die Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes bestehen aus zwei eigenständigen Verbänden. Dem Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks als technischem Fach- und Wirtschaftsverband und dem Verband der Zimmerer- und Holzbauunternehmer in Bayern e.V. als Arbeitgeberverband. Der Zusammenschluss im Jahr 1979 unter einem Dach erfolgte aus synergetischen Gesichtspunkten, um Leistungen wie Interessenvertretung, Koordinierungen, Beratung und Unterstützung sowie Informationsweitergabe und -aufbereitung zu bündeln. „Nach einer Konsolidierungsphase war es ein guter Zeitpunkt, um neu geschaffene Strukturen und Arbeitsprozesse systematisch zu überprüfen und nutzenorientiert anzulegen“, so Wolfgang Strauß, Direktor der Verbände. Mithin: die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems anzugehen und dieses zertifizieren zu lassen.
Folglich bezogen sich die Überlegungen in einem ersten Zugriff auf die Geschäftsstelle, die Schaltzentrale der Verbände. Mit ihren hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbringt sie Serviceleistungen gegenüber den Innungen und deren Mitgliedern. Zugleich unterstützt sie die Führungsorgane in ihren Aufgaben. Eine gut organisierte, auf das Mitglied hin arbeitende und für es wirkende Geschäftsstelle steht nicht nur nach außen für Professionalität, sondern bewirkt auch ein ergebnisorientiertes Arbeitsklima, die erste Front der Mitgliederzufriedenheit. „Entscheidend ist, dass die Mitgliedsbeiträge freiwillig erhoben werden, womit dem Mitglied der Anspruch auf ein marktwirtschaftliches Preis-Leistungs-Prinzip zusteht“ – zumal, so Strauß, der VZBH gegenüber seinen Mitgliedern auch eine Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion einnähme.
Was liegt also näher, als an diesem Gelenk der Verbandsarbeit Hand anzulegen und es für Qualität und Effizienz weiter fit zu machen? Sicherlich, verbunden mit dem Mehraufwand, ein QM-System zu implementieren, einzelne Prozesse nachzuvollziehen, Dokumentationen dieser Arbeitsabläufe zu erstellen und aufzubereiten, schließlich ein Audit durch die TÜV Rheinland Group durchführen zu lassen, fungiert am Ende nur eine Urkunde als Anerkenntnis. „Das Anerkenntnis allein ist nicht Idee eines QM-Systems!“, interveniert Strauß. „Uns überzeugte gerade die Notwendigkeit, tradierte Prozesse zu verschlanken und stetig in einen Verbesserungsprozess einzutreten. Das Zertifikat ist keine einmalig erlangte Urkunde, sondern Selbstverpflichtung zu den jeweiligen Wiederholungsaudits, Verbesserungen erreicht zu haben.“ Eine derartige Prozessorientierung, Mindestanforderung und Sprungbrett, dient immer der Effizienzsteigerung und damit der langfristigen Qualitätssicherung. Dem aber nicht genug: Im Jahr 2004 schaffte der VBZH das Assessment für das „NPO-Label für Management Excellence“ des Verbandsmanagementinstituts (VMI) der Universität Freiburg in der Schweiz.
„Gerade das Aufeinandersetzen beider Modelle verstetigt den Erfolg und die Ergebnisorientierung unserer Arbeit so-wohl in der Geschäftsstelle als auch in der -umfänglichen Verbandsarbeit“, beschreibt Wolfgang Strauß die weiteren Überlegungen. „Es hat sich gezeigt, dass für uns als großer und zugleich stark in Gremien arbeitender Verbund das Ineinanderverzahnen notwendig ist.“ Prozesse wie Führung, Organisation und schließlich Leistungsfähigkeit und Mitgliederorientierung der Geschäftsstelle standen im Vordergrund der ISO-Zertifizierung. Als Ergänzung zu den Erfordernissen der ISO-Norm legen die Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes hohen Wert auf die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt. Schlüsselthemen wie Transparenz beim Zustandekommen von Gremienentschlüssen und kooperativer Führungsstil stehen im Vordergrund des NPO-Labels für Management Excellence.
Das Label wird denjenigen Verbänden und gemeinnützigen Organisationen verliehen, die in festgelegter Weise und nachgewiesenem Maße ihr gesamtorganisatorisches Management nach dem heute verfügbaren Managementwissen organisiert haben. Als Grundlage des Managementsystems für NPO dient das Freiburger Management-Modell (FMM). Im Vordergrund der Bewertung steht nicht das QM-System, vielmehr das Gesamtmanagementsystem mit Blick auf eine reibungslose systematische Ordnung der Verbandsführungs- und Gremienleitungsarbeit.
Grundlage der Assessments bildet die vom VMI entwickelte Checkliste. Gegliedert in fünf unterschiedlich gewichtete Handlungsfelder, führt sie einzelne Fragen zur Zielerreichung vor. Entsprechend dem Bewertungsmuster errechnet sich aus der Benotung eines jeden Fragekomplexes der sogenannte Reifegrad einer Organisation. (1. Management-Systeme, 2. System-Management, 3. Marketing-Management, 4. Ressourcen-Management, 5. Controlling.)
Der Reifegrad einer Organisation drückt sich in einer 5er-Skala aus, die von 1, als schlechteste Bewertung, bis einschließlich 5 für Exzellenz reicht. Erforderlich für die Verleihung des NPO-Labels ist mindestens ein Reifegrad der Stufe 3.
Von den ersten Überlegungen bis zur Vergabe des NPO-Labels durch das zuständige schweizerische Verleihungsgremium nahm die Etablierung lediglich sieben Monate in Anspruch. Diese Zeit habe sich gelohnt, betont Wolfgang Strauß. „Wenn wir bedenken, dass Mitarbeitereinsatz bei der Einführung sowohl der ISO-Norm als auch für das erfolgreiche Assessment des VMI notwendig ist, haben wir uns die Frage gestellt, was demgegenüber für Mehraufwand entstände, wenn wir ineffektiver handelten. Von der sinkenden Mitgliederzufriedenheit und den resultierenden Konsequenzen einmal abgesehen.“
Die Beteiligung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle oder auch die konsequente Information und Teilhabe verschiedener Gremien des Verbandes, schließlich die Durchführung von Bezirksversammlungen fundierten diesen Erfolg erheblich. An Arbeits-prozessen hängen auch Mitarbeiter, die in diesem Prozess die treibende Kraft darstellen. Ihre Motivation, sich neuen Wegen zu öffnen, neue Instrumente anzuwenden und tradierte Handlungsweisen zu hinterfragen, ist ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zur erfolgreichen Implementierung. Dieser Erkenntnis trägt das NPO-Label Rechnung, in dem die Einbindung der Mitarbeiter auf der einen Seite wie gleichermaßen die konzeptuelle Beteiligung ehrenamtlicher Gremien auf der anderen Komplexe des Assessments bilden.
„Stolz sind wir insofern, als wir es als erster deutscher Verband und als erstes deutsches Non-Profit-Unternehmen geschafft haben, dieses europäische Zertifikat zu erreichen. Wir haben damit und basierend auf der vorgängigen Implementierung eines QM-Systems nach ISO-Norm bewiesen, dass wir bei unserer Verbandsarbeit im Besonderen auf Qualität und Effizienz Wert legen“, lenkt Strauß das Augenmerk auf die Vorbildfunktion.
Doch nicht nur Vorbildfunktion – auch Zukunftsfestigkeit und Mitgliederzufriedenheit haben sich zum Positiven weiterentwickelt: Inwieweit die Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes der Zielsetzung von QM-Systemen gerecht werden, wird in der regelmäßigen Mitgliederbefragung deutlich, die nach 1996 und 2000 auch fünf Jahre später bei den Mitgliedsunternehmen durchgeführt wurde. Im Ergebnis verstetigt sich die enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und ihrem Verband, vor allem auf Feldern wie Informationsaustausch und Informationsversorgung. Die besondere Rolle des Bekenntnisses zu Qualität und Qualifizierung wird zunehmend von den Mitgliedern unterstrichen und in praktische Erfolge umgewandelt. Gleichermaßen positiv entwickelte sich die Bewertung von Führung, Organisation und Leistungsfähigkeit der Geschäftsstelle. „Diese insgesamt positive Rückmeldung ist Anerkennung für das Zurückliegende. Sie ist aber auch Messlatte für die zukünftige Ausrichtung der Verbandsarbeit.“
So regte der Verband beispielsweise Qualitätsoffensiven an, die – gerade in Zeiten schwankender Konjunktur – den Produkten der Mitgliedsunternehmen Aufwind bringen sollen. Der Qualitätsverbund DachKomplett bildet einen Zusammenschluss von Mitgliedsunternehmen zum vollständigen Dachausbau unter Ägide eines einzelnen branchenerfahrenen Ansprechpartners, ohne als Kunde selbst mit Planern, Zimmerern, Dachdeckern, Spenglern, Maurern und Elektrikern die Abstimmungen vorzunehmen. Ein aus Sicht des VBZH gelungenes Unternehmen, bei dem nicht nur die finale Qualität der Arbeit im Vordergrund steht, sondern auch die qualitätsbürgende Rückkopplung mit dem Verband. Auch IQ-Check, ein Programm zur Senkung des Energieverbrauchs in Gebäuden, und andere Offensiven sind ohne die stete Professionalisierung der verbandlichen Arbeit nicht möglich. Ein Beweis dafür liefert sicherlich der Gewinn des Internetpreises des Deutschen Handwerks für DachKomplett (2006) und – ganz aktuell verkündet – ebenso für IQ-Check.
„Nicht nur die Vorarbeiten zur Zertifizierung, sondern vor allem die alltägliche Orientierung an beiden Qualitätsmanagementsystemen bringt für unsere Verbandsarbeit – und dies in allen Bereichen – enorme Vorteile, die wir heute nicht mehr missen wollten. Ein ganz gravierender Vorteil ergibt sich beispielsweise bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern, die unsere Arbeit wesentlich schneller verstehen und so auch zeitiger ins Team integriert werden. Auch sonstige Reibungsverluste haben sich auf das Minimalste beschränkt“, fasst Wolfgang Strauß die Aufgabe, den Weg und das Ziel zusammen. (TR)