Wettbewerbe können die Verbandskommunikation beflügeln, Mitglieder mobilisieren, den Bekanntheitsgrad steigern und man kann mit ihnen eigene Themen platzieren. Lukas Dopstadt, der sich mit seiner Agentur auf die Planung und Realisation viraler Wettbewerbe spezialisiert hat, berichtet aus der Praxis und gibt Tipps für Verbände.
Im Gemeindehaus, beim Bäcker, Metzger oder im Supermarkt hingen die Plakate. Nach dem Gottesdienst wurden Flyer in die Hand gedrückt. Überall wurde die gleiche Nachricht verbreitet: „Wählt unsere Gemeinde zur Kirchengemeinde des Jahres!“ Der Kick um den Klick – insgesamt 196 Kirchengemeinden bewarben sich im April 2012 um den Titel und eine Förderung durch das christliche Monatsmagazin chrismon. Ziel des Gemeindewettbewerbs war es, die Lebendigkeit und Vielfalt von Kirchengemeinden zu kommunizieren und das Engagement der Gemeindemitglieder, von der Jugend- und Sozialarbeit bis hin zur Kirchenrenovierung, einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Mehr als 190.000 Personen folgten den Aufrufen der Kirchengemeinden und beteiligten sich an der Internetabstimmung. Binnen eines Monats wurden so die Gemeindeprojekte auf der Wettbewerbswebseite chrismongemeinde.de mehr als eine Millionen Mal aufgerufen. Für Dr. Stefan Hassels, Leiter Öffentlichkeitsarbeit von chrismon, war die Aktion ein voller Erfolg: „Mit unserem Wettbewerb haben wir 196 Kirchengemeinden aus ganz Deutschland mobilisiert und konnten ein lebendiges und authentisches Bild moderner Gemeindearbeit transportieren – das wäre mit klassischen Kommunikationsinstrumenten nicht möglich gewesen. Dieses Erfolgsformat werden wir auch 2013 wiederholen.“
Kommunikationsziele definieren
Im Rahmen eines Wettbewerbs lassen sich zahlreiche – auch vermeintlich langweiligere – Themen spannend transportieren. Dies eröffnet Unternehmen und Verbänden die Möglichkeit, sich mit ihren Themen und Inhalten einer definierten Zielgruppe zu präsentieren und so beachtliche Reichweiten zu erzielen. Doch wie können Sie als Verband mit einem Wettbewerb zwischen 50.000 und 200.000 Menschen binnen vier Wochen mobilisieren? Das Spek-trum unterschiedlicher Wettbewerbsformate lässt sich je nach Kommunikationsziel in drei Formate einteilen:
Publikumswettbewerbe:
Hierbei können sich Vereine, Initiativen und Projekte um eine Spende bewerben. Das Publikum wählt per Internetabstimmung, wer die ausgelobte Förderung erhalten soll. Durch die Abstimmung wird eine beachtliche Reichweite erzielt, denn der Wettbewerb verbreitet sich viral durch Mund-zu-Mund-Propaganda.
Jurywettbewerbe:
Ähnlich wie bei den Publikumswettbewerben bewerben sich Vereine und Initiativen um eine Spende. Die Preisvergabe erfolgt jedoch nach qualitativen Kriterien und eine Jury entscheidet, welche Projekte ausgezeichnet werden. Ergänzend kann in einer Abstimmung ein separater Publikumspreis vergeben werden.
Individuelle Wettbewerbsformate:
Je nach Kommunikationsinteresse lassen sich die oben genannten Typen zu individuellen Wettbewerbsformaten erweitern bzw. anpassen. Ein Beispiel hierfür sind Recherchewettbewerbe. In diesen vergibt eine Jury themengebundene Recherchestipendien an unabhängige Journalisten, sodass auch kleinere Verbände ihre Nischenthemen platzieren können.
Mit Publikumswettbewerben Menschen mobilisieren
Publikumswettbewerbe sind Wettbewerbe, bei denen online abgestimmt werden kann, welche Projekte oder Vereine eine Förderung erhalten sollen. Die Abstimmung findet auf einer eigenen Wettbewerbswebsite statt oder ist eingebunden in die Sponsorenwebsite. Hier haben die teilnehmenden Vereine und Initiativen die Möglichkeit, sich mit einem eigenen Profil vorzustellen und um die Gunst des Publikums zu werben.
Die ING-Diba hat 2011 und 2012 mit ihrem Publikumswettbewerben "DibaDu und dein Verein" die bislang größen Spendensummen mit einer Internetabstimmung in Deutschland vergeben. In beiden Jahren wurde jeweils eine Millionen Euro an je 1.000 Vereine vergeben. Die sehr heterogene Teilnehmergruppe von Kindergärten, Schulen über Sport- und Schützenvereine verhindert hierbei eine qualitative Vergleichbarkeit der einzelnen Projekte. Es zählt lediglich die Anzahl der Unterstützer, sodass insbesondere kleine, qualitativ hochwertige Projekte mit einer Enttäuschung aus dem Wettbewerb hervorgehen. Ein kleiner Kindergarten hat schließlich ganz andere Chancen als ein großer Schützenverein und lässt sich daher nicht so einfach in einen gemeinsamen Wettbewerb integrieren.
Gerade für Verbände sind monothematische Wettbewerbe daher die geeignetere Alternative: Gefördert werden nur Vereine und Projekte eines Themenspektrums, das einen Bezug zum Sponsor hat. Das Heimatmagazin „Daheim in Deutschland“ fördert beispielsweise Trachtenvereine, der Rentenservice der Deutschen Post vergibt Spenden an Ehrenamtsprojekte von und für Senioren und Union Investment prämiert Schülerfirmen. Der Bezug des Sponsors ist naheliegend und erschließt sich auch für Dritte. Die thematische Fokussierung auf eine Zielgruppe ermöglicht es Verbänden, eigene Themen zu transportieren und zu platzieren.
Die Abstimmung erfordert i. d. R. weder eine Registrierung noch sollte sie mit Kosten für den Verein oder die Vereinsmitglieder verbunden sein. Vereinsmitglieder mobilisieren Freunde und Bekannte zur Stimmabgabe. Wie stark die Mund-zu-Mund-Propaganda der Vereinsmitglieder ist, zeigt eine Analyse der Universität zu Köln: 1.200 Personen, die bei dem Chorwettbewerb „Chormeister 2010“ des Rheinischen Merkurs online für einen der teilnehmenden Chöre abstimmten, wurden befragt, über welchen Weg sie von dem Wettbewerb erfahren und wem sie vom Wettbewerb berichtet hatten. 60 Prozent der Befragten erfuhren von Verwandten und Freunden von dem Wettbewerb. Die befragten Personen erzählten wiederum acht weiteren Personen von der Abstimmung. Ein Teilnehmer erzählte somit doppelt so vielen Personen von dem Wettbewerb, wie ihm selbst davon berichteten. Das Potenzial dieses Schneeballsystems lässt sich erahnen:
Die Ausbreitung sozialer Netzwerke wie Facebook oder Xing und die überragende Stellung des Internets als Kommunikationsmedium wirken hier weiter unterstützend. Nicht selten verweisen Links von Hunderten anderer Websites auf eine Wettbewerbsseite: Einträge in Foren, Abstimmaufrufe befreundeter Vereine oder städtische Webseiten – die Möglichkeiten sind hier grenzenlos.
Je nach Wettbewerb nutzen zudem zwischen 5.000 und 18.000 Personen die Möglichkeit, per „Gefällt mir“-Button im sozialen Netzwerk Facebook um Unterstützer zu werben. Nach offiziellen Angaben hat ein Facebook-Nutzer durchschnittlich 130 Freunde, die also theoretisch über den Wettbewerb informiert werden. Wie reichweitenstark dieses Instrument sein kann, zeigt der regionale Kindergartenwettbewerb „PSD Momente“ der PSD Bank Köln eG. Im Mai 2012 beteiligten sich 120.000 Personen an der Abstimmung, wovon mehr als 17.000 Personen eines der Kindergartenprofile mit „Gefällt mir“ empfohlen haben. Da nicht alle Personen Teil des Netzwerkes sind und Vereine auch offline mit Flyern und Plakaten auf den Wettbewerb hinweisen, sollte man in der Wettbewerbskonzeption nicht ausschließlich auf dieses Instrument setzen.
Gezielte Pressearbeit
Für eine optimale Verbreitung der Aktion sind eine gezielte Pressearbeit sowie eine Bestärkung der Vereine in ihrer eigenen Pressearbeit sinnvoll. Insbesondere Musterpressemitteilungen haben sich als wirkungsvolles Instrument erwiesen. Vereine erhalten hierfür angepasste Pressemitteilungen, mit denen sie an Tageszeitungen und Radiostationen herantreten können. Die Individualisierung der Pressemitteilungen ist recht arbeitsaufwendig, zahlt sich jedoch aus: In der Regel wird durch jeden Verein mindestens ein Pressebericht erzeugt. Bei dem Kirchengemeindewettbewerb „chrismon Gemeinde 2012“ beteiligten sich 196 Kirchengemeinden und knapp 200.000 Personen. Die Gesamt-reichweite der Presseberichte, die durch die teilnehmenden Kirchengemeinden erzeugt wurde, beläuft sich auf 3,3 Millionen Pressekontakte. Die indirekte Reichweite des Wettbewerbs beträgt somit ein Vielfaches der Personen, die online abgestimmt haben.
Auch klassische Offline-Werbung wie Plakate und Flyer bietet sich zur Unterstützung an, wobei die Verwendung und Verteilung den Vereinen überlassen werden sollte. So ermöglicht man ihnen, ohne eigene Kosten im Vereinsheim, in Schulen oder beim örtlichen Bäcker und Metzger für den Wettbewerb zu werben. Nicht selten drucken Vereine sogar noch auf eigene Kosten zusätzliche Werbematerialien. So druckten Chöre des Chorwettbewerbs „Chormeister“ Transparente, die diese bei Choraufführungen aufhängten. Bands eines Nachwuchsbandwettbewerbs erstellten eigene Plakate und Flyer und verteilten diese auf einem größeren Rockfestival. Bei einem Fußballwettbewerb der regionalen Tageszeitung „Die Glocke“ im Kreis Warendorf überhängten Jugendliche die Ortsschilder mit Transparenten.
Die enormen Reichweitenpotenziale verdeutlichen, wie wichtig eine intensive Wettbewerbsbetreuung und Moderation ist. Jedes Verbandsprofil sollte eingehend geprüft und ggf. optisch überarbeitet werden. Eine intensive Betreuung der Bewerber ermöglicht es auch Personenkreisen mit geringen Internetkenntnissen, ansprechende Profile zu erstellen. Die Abstimmung muss vor dem Einsatz automatischer Abstimmsysteme geschützt werden. Manche Wettbewerbe werden – auch aus Kostengründen – exklusiv auf Face-book durchgeführt. Eine isolierte Abstimmung im Social Network schließt jedoch nach wie vor weite Personenkreise aus und ist trotz erforderlicher Registrierung nicht vor Stimmmanipulationen geschützt. Bei älteren Zielgruppen kann die Abstimmung durch gedruckte Coupons oder Postkarten erweitert werden, um auch Personenkreise ohne Internetzugang einbinden zu können.
Responsequoten zwischen zwanzig und fünfzig Prozent
Neben einer erprobten Technik wissen wir aus eigener Wettbewerbserfahrung, dass die initiierende Vereinsansprache einen wesentlichen Faktor für den Erfolg eines Wettbewerbs darstellt. Welche Vereine spricht man wie an? Die Gewinnung von Vereinen über Pressemitteilungen und Presseberichte hat nur eine sehr geringe Effektivität, da diese sich über eine indirekte Absprache nicht genügend angesprochen fühlen. Sinnvoller ist die postalische Einladung von Projekten und regionalen Multiplikatoren. Projekte werden mit personalisierten Einladungen zum Wettbewerb eingeladen. Der Aufwand zahlt sich aus. Bei einem guten Wettbewerbsdesign werden Responsequoten zwischen zwanzig und fünfzig Prozent erzielt.
Mit Publikumswettbewerben können Verbände den eigenen Bekanntheitsgrad steigern und eigene Themen platzieren. Gerade in der Nachwuchsgewinnung bieten sich Wettbewerbe an: Der Verband für christliche Popularmusik in Bayern e.V. sucht im Herbst 2012 mit einem Publikumswettbewerb das Lieblingslied zum Lutherjahr 2017. Kirchengruppen können ihr Lieblingslied online hochladen. Mit einer Onlineabstimmung wird eine jüngere Zielgruppe angesprochen, die mit klassischen Kommunikationsinstrumenten nicht erreicht worden wäre. Aber nicht nur junge Zielgruppen können mit Publikumsabstimmungen angesprochen werden. Der Rentenservice der Deutschen Post AG und der Generali Zukunftsfonds haben im Jahr 2011 Ehrenamtsprojekte von und für Senioren aus Nordrhein-Westfalen mit einem Publikumswettbewerb gefördert. 98 Ehrenamtsprojekte bewarben und binnen vier Wochen beim „VitalPokal“ und es beteiligten sich mehr als 35.000 Personen an der Onlineabstimmung. Die Reichweite und die umfangreichen begleitenden Presseberichte waren für das Seniorenportal der Post ausschlaggebend, vier weitere Wettbewerbe durchzuführen.
Einbindung einer Jury sichert Qualität
Nicht für jede Zielgruppe und jedes Thema bieten sich Publikumswettbewerbe an. Mit der Einbindung einer Jury können die Reichweiteneffekte einer Publikumsabstimmung mit dem qualifizierten Urteil von Jurymitgliedern kombiniert werden. In einer Abstimmung wird ein Publikumssieger gekürt und zusätzlich wählt eine Jury unter allen Teilnehmergruppen Projekte aus, die unabhängig von den Ergebnissen gefördert werden. Alternativ nominiert das Publikum in der Abstimmung zuerst eine Anzahl an Projekten, aus denen dann eine Jury die Preisträger auswählt. Beide Wettbewerbsvarianten können im Vergleich zu einem reinen Jurywettbewerb die virale Mund-zu-Mund-Propaganda der Projekte nutzen, ohne auf ein qualifiziertes Juryurteil verzichten zu müssen.
Nachwuchswettbewerbe
Nachwuchswettbewerbe stellen einzelne Berufsfelder in den Mittelpunkt des Wettbewerbs: Das Ausbildungsförderwerk Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. beispielsweise veranstaltet seit 2007 einen Schulwettbewerb für die kreative Schulhofgestaltung: Schulen sind aufgerufen, Konzepte für die eigene Schulhofgestaltung einzureichen. Schüler planen den eigenen Schulhof und setzen sich durch den Wettbewerb intensiv mit dem Berufsfeld eines Landschaftsbauers auseinander. Mit Schulwettbewerben können so Ausbildungsberufe, mit und ohne Nachwuchsprobleme, in Szene gesetzt werden und bieten sich somit auch für das Employer Branding an.
Ältere Zielgruppen wie Studenten und Berufseinsteiger können mit Innovationswettbewerben angesprochen werden. Verbandsthemen lassen sich in den Mittelpunkt des Wettbewerbs rücken. Bei dem Studentenwettbewerb Greencleancities.org suchen beispielsweise drei Unternehmen nachhaltige Stadtkonzepte für Megacitys. Studenten entwickeln eigene Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft, ob im Mobilitäts- oder Infrastruktursektor. Unternehmen erhalten Kontakt zu interessierten und kreativen Studenten und können im Rahmen des Wettbewerbs eigene Einsatzfelder kommunizieren. Wettbewerbe ermöglichen so ein digitales Storytelling, das Erzählen von Geschichten mit Unternehmensbezug, und können somit Berufsfelder und Branchenherausforderungen bei Nachwuchskräften platzieren.
Recherchewettbewerbe
Mit speziellen Recherchewettbewerben können Verbände die Berichterstattung von Themen anregen und das mediale Interesse für ihre Branche unterstützen. In Deutschland gibt es nach Schätzungen des Fachmagazins „Medium Magazin“ ca. 400 Preise und Auszeichnungen, die ex post journalistische Berichte und Artikel auszeichnen. Wie können journalistische Artikel pro aktiv gefördert werden? Einen Ausblick zeigt ein Recherchewettbewerb anlässlich des internationalen Jahrs des Wassers. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Unesco-Kommission werden 2013 jeden Monat drei Recherchestipendien zu einem anderen Thema rund ums Wasser ausgelobt. Der Wettbewerb soll das Thema Wasser neu auf die öffentliche Agenda setzen. Er soll Journalisten inspirieren, üblich gewordene Klischees zu hinterfragen und Informationen aus erster Hand vor Ort zu sammeln. Journalisten sollen ein breites Publikum ansprechen und Fachdiskussionen in die Breite tragen. Die zwölf Themen, jeweils unterstützt und finanziert von einem Themenpartner, bilden während des gesamten Wasserjahres 2013 ein breites Spektrum ab: Jeden Monat gibt es neue Stipendien, mit denen die Reise- und Lebenshaltungskosten während der Recherche pauschal bezuschusst werden.
Begleitet wird der Wettbewerb von einem Onlinemagazin, das Hintergrundinformationen zu den Stipendiaten und Sponsoren liefert sowie Experten monatlich interviewt und porträtiert. Dadurch entsteht ein Fach-Kommunikationsinstrument an der Schnittstelle von Fachwelt, Journalismus und den Partnern. Ziel ist die Etablierung eines themenbasierten Verzeichnisses, das auch über das Aktionsjahr 2013 hinaus Bestand und Relevanz hat. Der Wettbewerb stützt somit das Kommunikationsziel eines jeden Aktionsjahres – das Thema selbst zu platzieren und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.
Ähnliche Wettbewerbsformate bieten sich für zahlreiche Branchen an – nicht nur in Aktionsjahren. Durch die Einteilung des Wettbewerbs in einzelne Monate können verschiedene Themen aufgegriffen und gleichzeitig die Kosten für einen Recherchewettbewerb auf zwölf Sponsoren verteilt werden. Ob als reichweitenstarke Marketingmaßnahme, CSR-Aktion zur Spendenvergabe, Mittel der Talentansprache im Employer Branding oder eben zum Agenda-Setting für einzelne Branchenthemen – Wettbewerbe werden sich aufgrund ihrer Vielfalt und ihrem hohen Grad der Involvierung aller Beteiligten im Kommunikationsmix weiter etablieren.