Verbändereport AUSGABE 6 / 2004

Public Affairs

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Sind Public Affairs (PA) nur der sprichwörtliche alte Wein in neuen Schläuchen, also nur ein modisches Etikett für die herkömmliche Öffentlichkeitsarbeit, oder bezeichnet der Begriff doch etwas Neues, was es so und mit dieser Zielrichtung bislang in Deutschland nicht gegeben hat?

Die European Public Relations Confederation (CERP) definierte 1991 Public Affairs als Summe aller Maßnahmen, die eine Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Klimas durch die Bemühungen von Regierungen, Meinungsbildern und der breiten Öffentlichkeit bewirkt und die negativen Auswirkungen der Aktivitäten einer Regierung in wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten begrenzt.“ Relativ vage bleibt auch der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten mit seiner Beschreibung von Public Affairs als „Gestaltung der Beziehungen zur sozialen und politisch aktuellen Umwelt, zur Verbreitung gesellschaftspolitischer Informationen nach außen und innen sowie als Öffentlichkeitsarbeit für das Gemeinwohl und im Dienste gesellschaftlicher Problemlösungen“. Das ist ebenso knapp wie unspezifisch.

Treffender bringt es der Public-Affairs-Berater Dr. Peter Köppl auf den Punkt: „Public Affairs ist die Managementaufgabe, die das gesellschaftliche Umfeld einer Organisation analysiert und interpretiert und die zweckmäßigen Antworten und Maßnahmen organisiert.“

Unter Public Affairs versteht man in Deutschland zunehmend diejenige Öffentlichkeitsarbeit von Verbänden, Unternehmen und Agenturen, deren Zielgruppe die politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildner und Entscheider sind, und deren Ziel es ist, unmittelbar oder mittelbar politische Entscheidungen zu beeinflussen oder das Vorfeld für günstige Entscheidungen zu bereiten.

Dabei bedienen sich die Public-Affairs-Verantwortlichen unter Berücksichtigung des Stakeholder-Ansatzes des klassischen Instrumentenkastens der Öffentlichkeitsarbeit, der jedoch im Blick auf die besonderen Zielgruppen durch einige spezifische Maßnahmen ergänzt werden kann. Public Affairs sind also gekennzeichnet durch spezifische Adressaten, spezifische Aufgabenfelder der Öffentlichkeitsarbeit sowie durch Maßnahmen und Techniken, die diese Aufgaben lösen sollen.

Aufgabenfelder

Public Affairs umfasst üblicherweise folgende Basis-Aufgabenfelder:

Information und Monitoring

„Man sieht nur, was man kennt“, heißt es in den Dumont Reiseführern. Das gilt auch für die Public Affairs. Um Entscheidungen oder Einstellungen zu beeinflussen, sind umfangreiche Kenntnisse und ein stets aktuelles Wissen nötig. Mittel hierfür sind beispielsweise:

    • Beobachtung und Analyse der politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten in relevanten Themenfeldern
    • Beurteilung der eigenen Betroffenheit
    • Bewertung der Interessenlage und Analyse von Handlungsmöglichkeiten
    • Regelmäßiges Reporting ergänzt durch ‚Flash’-Meldungen

Frühwarnfunktion

Ist der Zug erst abgefahren, kann man nicht mehr einsteigen. Daher muss Wissen rechtzeitig zur Verfügung stehen, damit es entscheidungserheblich werden kann. Dazu ist unter anderem erforderlich:

    • Frühzeitige Definition von potentiell kritischen Themen
    • Planung und Einrichtung von Frühwarnsystemen innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation

Bewertung

Ohne Bewertung sind Informationen ein Haufen nutzlosen Zeugs. Die Bewertung setzt Beurteilungsvermögen und prognostische Phantasie voraus. Daten-Buchhalter sind hier fehl am Platz. Die abschließende Bewertung muss daher der obersten Managementebene vorbehalten sein. Sie haftet auch für die Angemessenheit der Bewertung. Auch hier erfolgt die Beurteilung anhand der folgenden Kriterien:

    • Analyse der eignen Interessenlage und Bewertung konfligierender Interessen
    • Bewertung aktueller Entwicklungen im Hinblick auf die Realisierungschancen der eigenen Interessen
    • Gemeinwohlverträglichkeit
    • Abschätzung der Erfolgsaussichten eines Projektes

Beratung

Abgeleitet aus den Beobachtungsdaten und ihrer Analyse werden konkrete Pläne und Alternativen zur Beeinflussung und erwünschten Weichenstellung entwickelt, bewertet und ausgewählt. Hierzu bedienen sich auch große Unternehmen oft der Hilfe von spezialisierten PA-Agenturen.

Instrumente und Techniken

Um die genannten Aufgaben zu erfüllen bedienen sich die Public-Affairs-Verantwortlichen unter anderem folgender Instrumente und Techniken:

Issue Management

Unter ‚Issue’ versteht man in diesem Sinne eine mögliches Problem, wie es etwa dann auftaucht, wenn das tatsächliche Verhalten einer Organisation oder eines Unternehmens nicht mit den Erwartungen der Öffentlichkeit, der Politik oder anderer Stakeholder übereinstimmt, wenn also eine „Verhaltenslücke“ klafft oder droht. Im Rahmen des Issue- Managements sind folgende Aufgaben zu erfüllen:

    • Beobachtung und Beeinflussung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Themen unter Berücksichtung eigener Interessen
    • Konzeption und Umsetzung von themenorientierten Kampagnen

Beispiel von Issues und Stakeholdern am Beispiel einer Aussaat von gentechnisch veränderten Saaten (GVO) - siehe Grafik.

Daueraufgaben

Zu den regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben zählen unter anderem:

  • Herstellung und Pflege von Kontakten zu Betroffenen (‚stakeholders’) und Experten
  • Initiierung von Gutachten und Sicherstellung ihrer Finanzierung
  • Erarbeitung von Stellungnahmen und ihre Vermittlung bei den ‚Stakeholdern’
  • Bekanntgabe und Vermittlung eigener Interessenlagen bei den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft
  • Round-Table Gespräche mit Betroffenen, Fachleuten und/oder Medienvertretern mit der doppelten Funktion einerseits die anderen Standpunkte genauer kennen zu lernen und andererseits für die eigenen zu werben
  • Vermittlung von geeigneten Rednern und Referenten
  • Gezielte Beurteilung möglicher Tendenzen und absehbarer Entwicklungen durch Kontakte zu Experten und Betroffenen
  • Aufbau von effektiven Kommunikationsstrukturen mit relevanten Entscheidungsträgern innerhalb eines Unternehmens/einer Organisation

Strategie

Aufgrund der Analyse der Umwelteinflüsse und der eigenen Situation und Interessenlage ist je nach Aufgabenstellung eine lang- oder mittelfristige Strategie zu entwickeln, die aufzeigt, wie man vom Status quo zu den angestrebten Zielen gelangt. Dabei sind die Spielräume realistisch einzuschätzen, Alternativen zu bewerten und regelmäßige Fortschreibungen vorzusehen. Aus dem übergreifen strategischem Kurs leiten sich dann die konkreten, mit der Strategie kompatiblen Maßnahmen ab.

Lobbying

In der Phase des Lobbying werden die Positionen „an den Mann (oder die Frau) gebracht“. An folgende Maßnahmen ist beispielsweise zu denken:

  • Aufbau von politischen Netzwerken
  • Eingabe und Vortag von Stellungnahmen
  • Hintergrundgespräche
  • Organisation des Dialogs mit Entscheidungsträgern und Meinungsführern
  • Bildung strategischer Allianzen
  • Planung und Umsetzung von Veranstaltungen zur zielgerichteten Präsentation der eigenen Positionen (Parlamentarischer Abend, Kongresse, Workshops, Kundgebungen)

Pressearbeit

Ohne die Einbindung der Presse, den ‚medialen Resonanzboden’, würden die geplanten Maßnahmen vielfach ohne Echo bleiben. Eine mit der Strategie abgestimmte und zeitlich mit den Einzelmaßnahmen koordinierte Pressearbeit muss die Public-Affairs-Aktivitäten daher begleiten. Mögliche Einzelmaßnahmen sind beispielsweise:

  • Planung und Umsetzung der adressatenspezifischen Presse- und Medienarbeit
  • Pressemitteilungen und -konferenzen
  • Autorenbeiträge
  • Hintergrundmaterial
  • Videofilme
  • Bereitstellung von Grafiken und Bildern
  • Journalistenreisen
  • Besichtigungen

Krisen-PR

  • Analyse von Risiken
  • Schaffung von kompetenten und reaktionsfähigen Krisenstäben
  • Konzepte zur Vermeidung negativer Folgewirkungen
  • Krisenkommunikation

Der kurze Überblick mag genügen, um die Grundzüge und Eigentümlichkeiten von Public Affairs zu beleuchten. Weitgehend handlt es sich also um das bekannte Instrumentarium der Public Relations, das nur insofern abgewandelt und ergänzt wird als sich dies aus den Besonderheiten der Zielgruppen oder der Zielsetzung ergibt.

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