Verbändereport AUSGABE 2 / 2007

Pressearbeit von Verbänden – aus der Sicht eines Journalisten

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So mancher Verbandspressesprecher ist fest davon überzeugt, dass die Aufgabe der Journalisten darin besteht, die Anliegen der Verbände an die Öffentlichkeit weiterzuleiten. Nicht selten sehen Journalisten das anders.

Meine neue Lieblingsserie im Fernsehen: Boston legal. Wie die gut bezahlten Rechtsverdreher die Argumente beliebig wählen, immer alles natürlich mit bester Absicht, bringt Spaß. Gewinnen halt um jeden Preis. Besonders lehrreich: Wie sich in Staffel 1 einer der Staranwälte einen Bruch hebt, als er aus dem Bau eines Einkaufszentrums eine Frage der Zukunftsfähigkeit der USA macht. Er verliert mit Pauken und Trompeten. Merke: Wer hoch stapelt, kann auch tief fallen.

Womit wir schon beim Thema wären: Pressearbeit von Verbänden. Journalisten so zu beeindrucken, dass sie einen Verband als Interessenvertretung wahr nehmen, besser noch ernst nehmen, ist kein leichter Job. Sich nicht so leicht beeindrucken zu lassen (nicht von Personen, nicht von Positionen und auch nicht von Zahlen) ist schließlich eine journalistische Grundtugend. Hinzu kommt ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber Lobbyismus im weitesten Sinne.

Die Hürde ist also hoch aber es gibt auch eine zweite Berufsvoraussetzung: Offenheit für Argumente und ein offener Umgang mit Menschen. Gute Journalisten sind also in der Regel neugierig und ein Stück weit extrovertiert. Ein Schlüsselbegriff, auf den wir später zurückkommen werden, ist Kontaktpflege.

Voraussetzung dafür, mit anderen Menschen im besten Sinne des Wortes ins Gespräch zu kommen, ist Kenntnis ihres Umfeldes, ihrer Arbeitsbedingungen. Besonders wichtig zu wissen: Journalisten sind im Regelfall Generalisten und gute Journalisten sind sich über ihre Halbbildung auf vielen Feldern der Berichterstattung auch im Klaren. Eine sachgerechte Berichterstattung hängt also aus der Sicht der Journalisten immer wieder wesentlich daran, dass sie auf externen Sachverstand zurückgreifen können, weil die Themen halt von Tag zu Tag wechseln.

Was das im Alltag bedeutet? Kenne ich einen, der was davon versteht oder auch kenne ich einen, der einen kennen könnte, der was davon versteht — es gibt keine Frage, dies sich Journalisten häufiger selbst stellen. Von der raschen Antwort und erreichbaren Gesprächspartnern hängt immer wieder ab, wie gut zur nächsten vollen Stunde die Nachrichtensendung und am nächsten Tag die neue Ausgabe der Zeitung ist.

Und genau hier muss Öffentlichkeitsarbeit von Verbänden ansetzen, wenn sie denn langfristig angelegt ist. Wer aber auf Menschen zugehen möchte, Kontakt aufnehmen und Kontakt halten will, der tut gut daran, möglichst viel zu wissen darüber, wie es aussieht in der Medienlandschaft. Dabei geht es darum, die Besitzverhältnisse bei den Medien zu kennen aber mehr noch um den redaktionellen Alltag. Die Branche hat eine schwere Krise hinter sich, die erste nach fast 50 Jahren beständigem Wachstum. Es war ein regelrechter Kulturschock. Die Folge ist nicht nur eine Ausdünnung der Redaktionen. Der Arbeitsmarkt für Journalisten ist regelrecht zusammen gebrochen. Schauen sie sich doch mal den Stellenmarkt in der wichtigsten Fachzeitschrift der Branche (Journalist) an und vergleichen sie die Stellenangebote mit der Situation etwa des Jahres 2000.

Eine Folge: Was zuvor normal war, mehrfach im Journalistenleben den Arbeitgeber zu wechseln, tendiert jetzt Richtung null. Damit aber sinkt auch die Innovationsfähigkeit, weil neue Leute mit neuen Ideen und Ansätzen die Ausnahme werden in immer mehr Redaktionen. Die Angst um den Arbeitsplatz ist heute allgegenwärtig, obwohl inzwischen die Werbeeinnahmen quer Beet wieder deutlich gestiegen sind. Medien sind inzwischen in den Fokus der Investmentfonds gerückt — hohe Renditeerwartungen inklusive.

Wichtig für alle, die mit Journalisten umgehen wollen: Der Zeitdruck in den Redaktionen ist durch die geänderten Rahmenbedingungen noch einmal gewachsen. Um das mal ganz platt zu sagen: Wenn Sie nun einen Redakteur anrufen und ihm freudestrahlend erzählen, ihr Verbandsboss hätte Lust, ihm mal richtig ausführlich einen Tag lang die Wichtigkeit des Verbandes zu erläutern, machen sie neun von zehn so angesprochenen Journalisten Angst — sie wollen ihm seine Zeit stehlen, sein kostbarstes Gut.

Vielleicht erklärt dieser Hintergrund auch die rollenden Augen und Grimassen, mit denen Journalisten auf Verbandspressekonferenzen reagieren, bei denen vorne freudestrahlend neben dem Präsidenten des Verbandes und dem Geschäftsführer auch noch drei Vizepräsidenten Platz nehmen und ihre jeweiligen (!) Redeunterlagen ausbreiten. Ich gestehe an dieser Stelle: Es hat schon ähnliche Pressekonferenzen gegeben, bei denen ich angesichts der Referentenzahl auf dem Fuß Kehrt gemacht habe. Der Aufwand an Zeit stand schlicht in keinem angemessenen Verhältnis zum erwartbaren Ertrag.

Der Anekdote kurzer Sinn: Machen sie sich ein Bild von ihrem Gegenüber, seinen Arbeitsbedingungen, Abhängigkeiten, seinen Lieblingsthemen, von Redaktionsschlusszeiten. Bombardieren sie Redakteure um Himmels Willen nicht mit immer mehr E-Mails, denen vielleicht auch noch umfangreiche Anlagen beigefügt sind. Die nämlich verurteilen den Redakteur zum Nichtstun, während der Computer beim Runterladen quälend langsam wird und fast in die Knie geht.

Jede Annäherung muss überlegt erfolgen. Natürlich sind Journalisten druckempfindlich. Abonnenten, Anzeigenkunden, wichtige Honoratioren ergeben durchaus ein Drohpotenzial. Aber Journalisten sind auch nachtragend, sie vergessen solche Pressionsversuche nicht und geben gerne Revanche. Eben weil man sich im Spannungsfeld zwischen Journalisten und Pressestellen nicht nur zweimal sondern im Regelfall immer wieder trifft, ist es so wichtig, eine ordentliche Mischung aus Nähe und Distanz hinzukriegen.

Vor allem aber warne ich vor Drohgebärden, weil sie das langfristige Ziel gefährden, ein regelrechter Ansprechpartner zu werden für den Journalisten. Der Weg dahin hat — leicht vereinfacht — drei Stufen: Kennen lernen, Vertrauen fassen, in seinem Telefonbuch eine feste Größe werden. Der Journalist muss mit dem Verbandsvertreter (egal ob Pressesprecher, Geschäftsführer, Vorsitzender) ein Gesicht verbinden und diese eine klare Erinnerung: Diese Person quasselt nicht einfach sondern hat was zu sagen, hat Fachkompetenz.

Übrigens: Fachkompetenz beeindruckt Journalisten viel mehr als die branchenüblichen Geschenke und das völlig überzogene Buffet am Rande einer Pressekonferenz. Trotz der Krisensymptome in der Medienwirtschaft: Journalisten nagen in der Regel nicht am Hungertuch und empfinden viele Versuche, sie im fast jeden Preis abzufüttern, als peinlich. Das wiederum ist genau keine gute Voraussetzung, um sich anschließend auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.

Apropos Begegnung: Pressearbeit funktioniert dauerhaft nur, wenn sich so etwas wie Vertrauen einstellt auf beiden Seiten. Die ganz einfache Voraussetzung dafür ist, dass man sich kennt. Nehmen wir als Beispiel die ABC-Regeln. Sie besagen, dass Äußerungen (in diesem Fall des Verbandsvertreters) unter A zitiert werden können mit Quellenangabe. Unter B gemachte Äußerungen sind inhaltlich verwendbar ohne Quelle, Äußerungen unter C sind nur als Hintergrund gedacht für den Journalisten, also für den Hinterkopf bestimmt.

Das ABC-Spiel ist für jeden Journalisten Alltagsgeschäft aber nach diesen Spielregeln kann man nur mit jemandem umgehen, den man auch kennt. Schließlich müssen sich beide Seiten aufeinander verlassen können. Wie aber soll das funktionieren mit einer völlig fremden Person. Die Mischung aus Nähe und Distanz setzt also voraus, dass man sich von Zeit zu Zeit mit dem Anderen quasi zweckfrei unterhält. Die berühmte Tasse Kaffee und ein ordentlicher Small Talk.

Noch einen Schritt weiter gedacht: Krisen-PR ist ohne solche Kontakte völlig undenkbar. Je größer das Problem ist, umso wichtiger ist es, dass Journalisten überhaupt noch bereit sind, ihnen zuzuhören. Man kann es als Pressesprecher beklagen, sollte aber lernen, damit zu leben: Für Journalisten sind nun mal die schlechten Nachrichten die guten Nachrichten, weil sie Schlagzeilen versprechen. Umso entscheidender, dass sie den Fuß in der Tür haben — und sei es auch nur, um Zeit zu gewinnen für bessere eigene Informationen.

An dieser Stelle darf eine zentrale Botschaft an die Adresse aller Hauptgeschäftsführer, Präsidenten und Vorstände nicht fehlen: Nichts ist für Pressesprecher tödlicher als schlechte Informationsweitergabe im eigenen Hause. Journalisten merken sofort, wenn ihr Gesprächspartner nicht im Film ist, weil er von wichtigen Entscheidungsabläufen und Inhalten nicht informiert worden ist. Wer so negativ auffällt, landet nicht im Telefonbuch sondern mit seinen Pressemitteilungen im „Rundordner“ = Papierkorb.

Noch einige Tipps zum Schluss:

Was Journalisten mögen sind Pressemitteilungen, die nicht länger sind als nötig. Ich werde niemals begreifen, woher Pressestellen den Irrglauben nehmen, die Wichtigkeit einer Presseinformation werde durch die möglichst hohe Zeilenzahl noch unterstrichen.

Was Journalisten brauchen können, ist häufig Hilfe bei der Personalisierung eines Themas. Eine Reportage, in der das jeweilige Thema beispielhaft geschildert wird, liegt im Trend. Ähnlich sieht es mit geeignetem Bildmaterial aus — es erhöht die Chance, mit einem Thema zu landen.

Was Journalisten erwarten, ist eine hohe Erreichbarkeit ihrer potenziellen Ansprechpartner, also Handy-Nummern. Journalismus kennt kein Wochenende. Und der Hinweis vom Band, der Pressesprecher werde am Montag/nach dem Urlaub wieder gerne Rede und Auskunft stehen, ist Frustpotenzial pur.

Was Journalisten nicht leiden können, sind die zahllosen Anrufe mit der vorwurfsvollen Frage, warum sie denn für die Pressekonferenz in X zum Termin Y das Bestätigungsformular nicht zurückgefaxt haben.

Was Journalisten als unprofessionell empfinden, sind E-Mails, wo nach Studium der Absender- und Betreffzeile nicht mehr bekannt ist als der Namen einer Sekretärin und die Tatsache, dass es sich hier um die Pressemitteilung Nummer 3 im Jahr 2007 handelt. Stattdessen: Sekretärinnenname raus, Verbandsname + Presseinfo hier rein und bei Betreff bereits die Botschaft der Pressemitteilung.

Autor:

Ludger Fertmann hat Anfang der 70er Jahre bei einer Lokalzeitung in NRW volontiert, war Ressortleiter Politik in NRW, Agenturjournalist in Kiel und ist jetzt seit zehn Jahren Korrespondent erst der Welt und nun des Hamburger Abendblatts für Niedersachsen in Hannover. An Journalistenakademien trainiert er junge Journalisten im Kernfach Recherche.

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Autor/in

Ludger Fertmann

freier Journalist, ist bereits seit den 1970er-Jahren im Pressegeschäft. Als Korrespondent berichtet er u. a. für das Hamburger Abendblatt. Er ist außerdem als Trainer an Journalistenakademien tätig und seit vielen Jahren als Referent bei den Kölner Verbände Seminaren – durchweg mit Topbewertungen der Teilnehmer/-innen.

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