Verbändereport AUSGABE 1 / 2007

Positionierung: Die Marke GWA

Logo Verbaendereport

Jeder von uns kennt die Situation. Beim Small Talk stellt der Gesprächspartner die Frage: „Und was machen Sie denn so?“ Mit der Kurzversion „Geschäftsführer eines Verbandes“ kann man durchkommen, wenn der Gesprächspartner zwischenzeitlich interessantere Anlaufstellen gesichtet hat. Wenn er aber nachfragt, steht man vor der Chance, sich auf ewige Zeiten als Langweiler ins Gedächtnis zu brennen. Nämlich dann, wenn man die üblichen fünf oder sieben Hauptaufgaben des Verbandes aufzählt. Je größer der eigene Eifer bei der Berichterstattung ist, desto stärker könnte man das abschlaffende Interesse beim Gegenüber bemerken, wenn man es denn bemerken wollte.

Lässt sich denn über Verbände überhaupt interessant erzählen? Man fühlt sich an einen Business-Joke aus der American-Express-Reihe erinnert, der sinngemäß so geht, dass zwei Manager zusammensitzen und der eine zum anderen eifrig vorgebeugt sagt: „Ich bin in der Schnürsenkel-Branche tätig. Aber wenn Sie es nicht verraten – der Job ist weniger aufregend, als man denkt.“

Seit wir im GWA unseren – von Marc Sasserath auf den vorstehenden Seiten geschilderten – Positionierungsprozess hinter uns gebracht haben, hat sich eine neue Möglichkeit erschlossen. Ich kann nun wie früher von drei, vier oder sieben gleichwertigen Aufgaben sprechen oder ich kann mich auf eine Aussage beziehen. Es ist dies eine zentrale Botschaft der Marke GWA.

Aufgabe des Verbandes ist es demnach, die Aussage „Gute Kommunikation treibt die Wirtschaft“ glaubwürdig bekannt zu machen. Unsere spezielle Aufgabe als Verband ist es, dazu die Standards zu setzen.

Damit ist auch im oberflächlichsten Small Talk die Tür geöffnet für Nachfragen, die an den Kern führen. Was ist gute Kommunikation? Glauben Sie, dass Werbung etwas bewirkt? Wirkt Werbung nicht über Wirtschaft hinaus? (Antwort: Ja.) Was heißt „Standards setzen“? In welchen Gebieten, mit welcher Aussicht?

Alle Fragen sind spannend. Und sie verführen nicht dazu, über Dinge zu reden, die einem als Verbandsmann am Herzen liegen, aber außerhalb des Verbandes niemanden ernsthaft interessieren.

Positionierung nach dem Vorbild einer Marken-Positionierung führt auf einen Punkt. Entschlossen und entschieden. Das löst nicht nur Freude aus. Übrigens auch in der Wirtschaft. Da kommt die Agentur nach sorgfältigem Sondierungsprozess zu dem Ergebnis, der Claim, also die Kernbotschaft, solle so und so lauten. Der Claim stellt eine radikale Vereinfachung kompliziertester Sachverhalte dar. Er beleuchtet die der Marke, auf die es nach Ansicht der Kommunikatoren ankommt. Gleichzeitig bleibt alles andere im Dunkel der Nichterwähnung. Manchen Anzeigen kann man ansehen, wie die Bedenkenträger im Unternehmen eine Aussage nach der anderen wieder dazugehoben haben. Das Ergebnis ist eine Unübersichtlichkeit. Es erfreut den Absender, weil alles richtig ist, beim Empfänger löst sie noch nicht einmal Aufmerksamkeit aus, geschweige denn Handlungsänderung zugunsten dieses Produktes. Am Ende, wenn die Absender die Ergebnisse der Begleitforschung auswerten, haben auch sie Grund, sich zu ärgern oder zu rechtfertigen. Denn es wurde Geld vernichtet.

Ähnlich ist es mit vielen Empfehlungen von Beratern. Jeder, der mit Verbänden zu tun hat, wird mit Beispielen aufwarten können, die belegen, wie mit Berater-Empfehlungen, wie es denn so schön heißt, „politisch“ verfahren wurde. Ein etwas zurückliegendes Beispiel: Ein Verband will sich mit Hard- und Software ausstatten und bittet einen IT-Berater um eine Empfehlung. Als die Empfehlungsliste im Vorstand vorgelegt wurde, protestiert der Vertreter einer deutschen Firma, der diese ganz hinten auf der Empfehlungsliste findet. Das Ergebnis der „politischen“ Intervention: Der deutsche Anbieter kommt zum Zug. Das hätte man billiger und, durch Weglassen der Transparenz, glaubwürdiger haben können.

Meistens erfolgt die Nichtbeachtung der Beraterempfehlung allerdings subtiler. Das Beratungsergebnis wird angenommen, aber in der Praxis nicht angewendet. Es geht dann meist nicht um Unwilligkeit, sondern um Unvermögen. Die Notwendigkeit professioneller Steuerungskapazität bei Projekten wird häufig unterschätzt. Das Ehrenamt bietet euphorisch und bereitwillig an, die neu gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen. Die Hauptamtlichen ziehen mit oder sind die Treiber.

Aber dann versickert der gute Wille im Alltagsgeschäft. Das Ehrenamt hat wichtige Aufgaben im Unternehmen zu erledigen, das geht vor. Beim Hauptamt verliert sich der Eindruck, dass man an der Erfüllung dieser Aufgabe gemessen wird.

Am Ende ist der Frust, Dinge nicht erreicht zu haben, die man erreichen wollte, groß. Die Situation kann sich verschärfen durch Pressebegleitung.

Die Fachjournalisten haben sich aufgeschrieben, was man versprochen hat, und fragen nach, ob etwas erreicht wurde. Kann man nichts vorweisen, folgt die öffentliche Häme.

Und der Verbandsmanager denkt sich, und die Verantwortlichen, ob nun Präsident oder Geschäftsführer, sagen sich, hätten wir doch bloß den Prozess nicht in Gang gebracht, dann könnten wir auch nicht am Misserfolg gemessen werden.

Wie war es bei uns?

Fast drei Jahre nach Start des Prozesses lässt sich sagen: Das Thema „Verband als Marke führen“ ist nicht versandet. Die Impulse sind angekommen, die damalige Diskussion ist fortgeführt worden. Bei der Konstituierung des neuen Vorstands Anfang November 2006 gab es den ausdrücklichen Wunsch, dass das für Strategie zuständige Vorstandsmitglied als Einstieg in das Thema Ressort- und Aufgabenverteilung den Positionierungsprozess beschreibt und die aus seiner Sicht notwendigen Schritte zur Fortführung des eingeschlagenen Kurses aufzeigt. Einen besseren Beleg für den Ertrag der Debatte kann es nicht geben als die Bereitschaft eines neu gewählten Vorstands, seinen Ehrgeiz darin zu legen, den eingeschlagenen Kurs mit neuer Vitalität fortzusetzen und nicht, wie sonst, nicht eben selten nach Neuwahlen, das Rad neu erfinden zu wollen.

Dabei lässt sich ohne Beschönigung feststellen, dass der Einstieg in eine Positionierungs-Diskussion dieser Art für die Führung, Ehrenamt, aber vor allem Hauptamt, alles andere als nur angenehm ist. Denn wer den Kern einer Marke freilegt, der benennt Schwachstellen und Irrwege der bisherigen Entwicklung. Und das muss ertragen werden. Es ist auch unerheblich, ob das kritische Bild, das die Einflussgruppen eines Verbandes, Mitglieder, Nichtmitglieder, Journalisten oder Auftraggeber, vom Verband zeichnen, durch Fakten belegbar ist oder lediglich die Perzeption eines Verbandsbildes widerspiegelt. Es spricht sehr viel dafür, dass das Bild von Verbänden in allen Köpfen so eindeutig, und zwar negativ eindeutig, besetzt ist, dass die Realität verbandlichen Handelns dagegen nur wenige Korrekturen anbringen kann. Warum das so ist, habe ich an anderer Stelle geschrieben.

Wenn dieser Gedanke richtig ist, dürften sich bei gleicher Vorgehensweise wie in unserem Fall die Befunde über die Verbands-„Wirklichkeit“ ähneln. Der Unterschied liegt dann in der Botschaft, die den Kern verbandlichen Handelns beschreibt.

Was macht diesen Verband unterscheidbar von anderen? Was ist seine Geschichte? Was sind seine Besonderheiten? Welche Möglichkeiten, welche Ressourcen stehen zur Verfügung zur Weiterentwicklung?

Nehmen wir das Beispiel GWA. Wir konzentrieren uns auf Kommunikation, gemeint ist professionelle Kommunikation, von der Werbung ein Teil ist. Wir reklamieren vom professionellen Feld die Spitze.

Unsere Mitglieder sind führend. Diese Aussage macht nur Sinn, wenn alle führenden Agenturen tatsächlich Mitglied im Verband sind oder gewonnen werden können und sollen und andererseits nicht jeder, der will, Mitglied wird. Genau dies ist in unserem Fall Faktum. Von den großen Agenturen fehlt uns zurzeit keine, von den sonstigen Champions – regional oder nach Kommunikationsdisziplinen oder nach sonstigen Profilen – fehlen uns nur wenige. Der Claim konzentriert sich also auf gute Kommunikation, die „die Wirtschaft treibt“ oder in der etwas ausführlicheren Fassung „wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse“ treibt. Dort wollen wir die Standards setzen. Dieser Anspruch ist hoch. Wer hier regelmäßig zu kurz springt, beschädigt seine Reputation dauerhaft. Deswegen ist dieser Anspruch sehr sorgfältig zu überlegen und immer wieder neu an Beispielen zu belegen. In der Erfüllung dieses Anspruchs steckt der Treibsatz für verbandliche Verbesserung. Denn im Lichte unserer aus der beschriebenen Positionierung heraus gefundenen Ausrichtung können wir nicht weniger sagen als:. „Wer für Qualitätsagenturen arbeitet, muss Premium sein.“

Artikel teilen:
Autor/in

Henning von Vieregge

ist u. a. Buch- und Hörbuchautor, Blogger (www.vonvieregge.de), Lehrbeauftragter an der Universität Mainz sowie Verbändecoach. Von Vieregge war viele Jahre Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen (GWA).