Verbändereport AUSGABE 6 / 2010

Neues Urteil des Finanzgerichts München sorgt für Verwirrung

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Ob und unter welchen Voraussetzungen Mitgliedsbeiträge zu Verbänden der Umsatzsteuer unterliegen, sollte – nach entsprechenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs – eigentlich geklärt sein. Doch das Finanzgericht München vertritt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (vom 26.11.2009, Aktenzeichen: 14 K 4217/06) eine Auffassung, die in Beraterkreisen einige Verwirrung gestiftet hat. Einige Berater nehmen dieses Urteil sogar zum Anlass für die Empfehlung, dass ein Verband nunmehr nach Belieben für eine Umsatzbesteuerung der Mitgliedsbeiträge „optieren“ könne.

Das Urteil des Finanzgerichts München lässt sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Auch Jahresbeiträge der Mitglieder eines Vereins (im Streitfall ist der Zweck des Vereins die Förderung der regionalen und nationalen Entwicklung der touristischen Internetwirtschaft) stellen die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen dar, da insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins und den Mitgliedsbeiträgen besteht. Das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis ergibt sich insoweit aus der Satzung eines Vereins.
  2. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH ist nunmehr nicht mehr darauf abzustellen, dass das Mitglied eines eingetragenen Vereins seine Beitragsleistung nicht erbringt, um damit eine konkrete Leistung des Vereins oder dessen Leistungsbereitschaft abzugelten, sondern weil es sich durch den Beitritt zum Verein dieser körperschaftlichen Pflicht unterwirft.
  3. Auch eine Differenzierung zwischen sogenannten echten – kein Entgelt darstellenden – und unechten Mitgliedsbeiträgen ist nicht mehr geboten.

Der zugrunde liegende Sach­verhalt

Bei dem Kläger handelte es sich um einen eingetragenen Verein. Zweck des Vereins ist die Förderung der regionalen und nationalen Entwicklung der touristischen Internetwirtschaft. Mitglieder des Vereins waren im Streitjahr 2005 sechs Reisebüros, die ihre Leistungen ausschließlich im Internet anboten, der jährliche Mitgliedsbeitrag betrug 30.000 Euro. Der Verein beantragte beim Finanzamt die Erstattung von Vorsteuern, was das Finanzamt ablehnte. Im Einspruchsverfahren vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die vom Kläger im ideellen Bereich des Berufsverbandes erbrachten Leistungen nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da kein Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied vorliege, soweit der Kläger zur Erfüllung seiner gegenüber allen Mitgliedern bestehenden satzungsgemäßen Gemeinschaftszwecke tätig werde. Im Ergebnis führe die nationale Regelung, nach der echte Mitgliedsbeiträge eines Vereins als Gegenleistung für nicht steuerbare Leistungen angesehen werden, zu einer fiskalischen Gleichbehandlung mit der Rechtsprechung des EuGH, nach der die Mitgliedsbeiträge Entgelt für steuerbare, aber steuerfreie Leistungen eines Vereins seien.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass man im Streitfall nicht von einem Interessenverband im Sinne einer gewerkschaftlichen Vereinigung sprechen könne. Bei seinen Mitgliedern handle es sich um Unternehmen, die ihre Reiseleistungen im Internet anböten und durch die Verbandstätigkeit in erster Linie das Vertrauen ihrer Kunden in diese spezifische Art der Reisebuchung gewinnen wollten.

Die Entscheidungsgründe des Finanzgerichts München

Das Finanzgericht entschied, dass die von dem Verband vereinnahmten Mitgliedsbeiträge in vollem Umfang der Umsatzsteuer unterliegen. Zur Begründung führte das Gericht aus:

Originaltext des Finanzgerichtes

„Bei den vom Kläger vereinnahmten Mitgliedsbeiträgen handelt es sich grundsätzlich um eine entgeltliche Leistung, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine entgeltliche Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt, dann vor, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (BFH-Urteile vom 29.10.2008 XI R 59/07, BFH/NV 2009, 324 und vom 5.12.2007 V R 60/05, BFH/NV 2008, 1072). Steuerbar sind danach Leistungen, die eine Gesellschaft im konkreten Individualinteresse ihrer Gesellschafter erbringt und für die die Gesellschafter auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage Aufwendungsersatz gewähren, wobei es der Annahme eines Leistungsaustausches nicht entgegensteht, wenn die Gesellschaft für alle Gesellschafter zugleich tätig ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1072 m. w. N.).

Auch Jahresbeiträge der Mitglieder eines Vereins stellen die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen dar, da insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins und den Mitgliedsbeiträgen besteht (BFH-Urteil vom 9.8.2007 V R 27/04, BFHE 217, 314). Das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis ergibt sich insoweit aus der Satzung eines Vereins (vgl. EuGH-Urteil vom 21.3.2002 Rs. C-174/00 -Kennemer Golf-, Slg. 2002, I–3293; BFH-Urteile vom 9.8.2007 V R 27/04, BFHE 217, 314; vom 11.10.2007 V R 69/06, BFH/NV 2008, 322).

Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH ist nunmehr nicht mehr darauf abzustellen, dass das Mitglied eines eingetragenen Vereins seine Beitragsleistung nicht erbringt, um damit eine konkrete Leistung des Vereins oder dessen Leistungsbereitschaft abzugelten, sondern weil es sich durch den Beitritt zum Verein dieser körperschaftlichen Pflicht unterwirft (BFH-Urteil vom 20.12.1984 V R 25/76, BStBl II 1985, 176) Auch eine Differenzierung zwischen sogenannten echten – kein Entgelt darstellende – und unechten Mitgliedsbeiträgen ist nicht mehr geboten (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 20.8.1992 V R 2/88, BFH/NV 1993, 204 und vom 8.9.1994 V R 46/92, BStBl II 1994, 957).

Entgegen der Auffassung des FA setzt eine dem konkreten Individualinteresse der Vereinsmitglieder dienende Leistung des Klägers auch nicht voraus, dass für die einzelnen Mitglieder geworben wird. Vielmehr genügt die Werbung für das von den Verbandsmitgliedern verkaufte Produkt „Internetreise“. Das Handeln für die Gesellschafter oder die Mitglieder ergibt sich daraus, dass der Werbung für diese Dienstleistung kein Selbstzweck zukommt, sondern dass sie letztlich den Empfängern der Dienstleistung und ihren Anbietern dient.

Der Kläger hat in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Zwecke Werbeleistungen sowie die Erstellung von Marktstudien für seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit erbracht, eine Aufteilung der Umsätze hinsichtlich interner Organisation bzw. Öffentlichkeitsarbeit ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht vorzunehmen.

Die von ihm im Streitjahr vereinnahmten Mitgliedsbeiträge unterliegen daher in Höhe von … der Umsatzsteuer …“

Urteilsanmerkung von RA Dr. Winfried Eggers:

Das Urteil des Finanzgerichts München trifft inhaltlich klare Aussagen, die – wenn sie in dieser allgemeinen Form zuträfen – alle Verbände zu einem grundlegenden Umdenken in Sachen Umsatzsteuerpflicht von Mitgliedsverbänden veranlassen müssten. Die Urteilsgrundsätze sind jedoch in dieser allgemeinen Form unzutreffend. Die Bezugnahme auf die im Urteil genannten höchstrichterlichen Entscheidungen suggeriert eine intensive steuerliche Prüfung der Rechtslage. Beides ist jedoch falsch, was noch näher zu begründen ist.

Urteil im entschiedenen Einzelfall im Ergebnis wohl richtig

Zunächst: Der zu entscheidende Sachverhalt war im Streitfall so gelagert, dass der Verband für seine Mitglieder Marktstudien erstellte und für diese die Öffentlichkeitsarbeit gegenüber der Presse und im Internet übernahm. Der Verband trug selbst im Prozess vor, dass er mit seiner Tätigkeit in erster Linie das Vertrauen der Reisebüro-Kunden in diese spezifische Art der Reisebuchung gewinnen wollte. Bei dieser Sachverhaltsgestaltung liegt es auf der Hand, dass die Verbandsmitglieder (Reisebüros) durch die Tätigkeit des Verbandes einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil in Form einer Werbeleistung erhielten. Bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung ist bereits seit dem sog. Werbegemeinschafts-Fall des BFH (Urteil vom 4.7.1984 – V R 107/76) geklärt, dass ein umsatzsteuerbarer und damit prinzipiell umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch vorliegt. Das sieht auch der EuGH so. Die gezahlten Mitgliedsbeiträge stellen bei einer solchen Gestaltung das umsatzsteuerliche Entgelt dar. Es ist in solchen Fällen nur eine Frage der Terminologie, ob man diese Entgelte als „unechte“ Mitgliedsbeiträge bezeichnet oder nicht. Das Finanzgericht hätte seine Begründung damit abschließen können – im Entscheidungsfall ist das Urteil daher wohl im Ergebnis sogar richtig.

Aber: Erhebliche Begründungsmängel

Leider hatte das Finanzgericht wohl Höheres im Sinn, nämlich eine „Grundsatzentscheidung“. Damit hat es sich auf gefährliches Terrain begeben. Die zahlreichen zitierten Entscheidungen tragen nämlich die grundsätzlichen steuerlichen Aussagen des finanzgerichtlichen Urteils nicht. Stattdessen verleiten sie das Finanzgericht zu allgemein formulierten Schlussfolgerungen, die in dieser Allgemeinheit schlicht falsch sind. Das bekannte Kennemer-Golf-Urteil des -EuGH hat keineswegs grundsätzlich alle Mitgliedsbeiträge bei Vereinen für umsatzsteuerbar erklärt, sondern nur für den Fall, dass im Verhältnis eines Vereins zu seinen Mitgliedern ein Leistungsaustausch erfolgt, bei dem der Mitgliedsbeitrag das Entgelt für die Dienstleistung darstellt, die der Verein gegenüber seinen Mitgliedern erbringt.

Der EuGH hat in seinem späteren VNLTO-Fall (Urteil vom 12.2.2009 – Rs. C-515/07) in aller Deutlichkeit klargestellt, dass die Wahrnehmung allgemeiner Mitgliedsinteressen nicht umsatzsteuerbar ist, weil der Verein in solchen Fällen weder eine Lieferung noch eine sonstige Leistung gegenüber seinen Mitgliedern erbringt. Der EuGH differenziert also – auch bei Vereinen – zwischen einem unternehmerischen und einem nichtunternehmerischen Bereich. Daher ist es nur folgerichtig, dass Zahlungen der Mitglieder im Zusammenhang mit dem nichtunternehmerischen Bereich kein umsatzsteuerbares Leistungsentgelt darstellen. Das Finanzgericht München hat die VNLTO-Entscheidung des EuGH offenbar nicht gesehen.

Höchst missverständlich ist die Begründung des Finanzgerichts, dass sich das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis aus der Satzung des Vereins ergäbe. Richtig ist dies nur für den Fall, dass bereits die Satzung einen individuellen, konkreten Leistungsanspruch der Mitglieder begründet. Einen solchen satzungsmäßigen Leistungsanspruch sehen jedoch – von Sportvereinen einmal abgesehen – nur relativ wenige Verbandssatzungen vor.

Unklar sind schließlich die Ausführungen des Finanzgerichts im Zusammenhang mit dem BFH-Urteil vom 20.12.1984 – V R 25/76. Sollte das Finanzgericht dieses Urteil dahin verstehen, dass bereits die körperschaftliche Pflicht zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch begründet, so läge darin ein grobes Missverständnis. Denn der BFH hat in diesem Urteil ausgeführt:

„Das Gemeinschaftsverhältnis wird durch den Satzungszweck umgrenzt; zur finanziellen Förderung des die Gesamtbelange der Mitglieder beschreibenden Satzungszwecks obliegt dem einzelnen Mitglied die körperschaftliche Pflicht der Beitragsleistung. Das Mitglied erbringt seine Beitragsleistung nicht, um damit eine konkrete Leistung des Vereins oder dessen Leistungsbereitschaft abzugelten, sondern weil es sich durch den Beitritt zum Verein dieser körperschaftlichen Pflicht unterworfen hat. Erfüllt der Verein den Satzungszweck nicht oder nur unvollkommen, dann fällt nicht eine dem Mitglied konkret geschuldete Leistung aus, sondern der Verein verletzt die Satzung.“

Missverständlich ist auch die allgemeine Aussage, dass eine Differenzierung zwischen „echten“ und „unechten“ Mitgliedsbeiträgen nicht mehr geboten sei. Den zitierten BFH-Urteilen aus den Jahren 1993 und 1994 ist diese Aussage nicht zu entnehmen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass es in der Gesetzessprache keine „echten“ oder „unechten“ Mitgliedsbeiträge gibt. Es handelt sich vielmehr nur um eine technische Umschreibung für den Umstand, dass eine einheitliche Zahlung umsatzsteuerlich unter bestimmten Umständen in zwei Komponenten aufzuteilen ist, nämlich einen Anteil „Leistungsentgelt“ und einen Zahlungsanteil, der der nichtunternehmerischen Sphäre des Verbandes zuzuordnen ist.

Option zur Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge?

Eine solche Option ist gesetzlich nicht möglich. Von Option spricht das Umsatzsteuergesetz nur im Zusammenhang mit einigen (wenigen) steuerbefreiten Umsätzen. Bei der Option handelt es sich um einen Verzicht auf die Steuerbefreiung. In allen diesen Fällen liegen jedoch umsatzsteuerbare Umsätze zugrunde. Eine Option von nicht umsatzsteuerbaren Vorgängen in steuerpflichtige Umsätze kennt das Umsatzsteuerrecht nicht. Man kann nicht nach Belieben „umswitchen“, so reizvoll das auch manchem erscheinen mag.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.