Das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 23.07.2009 (Az.: V R 20/08) hat für erhebliche Unruhe bei vielen gemeinnützigen Organisationen gesorgt. Denn aufgrund dieser Entscheidung ist für gemeinnützige Verbände eine Überprüfung der Satzung dringend erforderlich geworden. Zweifelsfragen, die aus diesem Urteil entstanden waren, hat das Bundesministerium der Finanzen mit BMF-Schreiben vom 07.07.2010 (Az: IV C 4-S 0180/07/0001:01) beantwortet.
Das angesprochene BFH-Urteil hat weit über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus Auswirkungen auf die Praxis. Das liegt daran, dass die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen haben, u. a. diese BFH-Entscheidung im Bundessteuerblatt Teil II zu veröffentlichen. Dadurch sind die Finanzämter angewiesen, diese Entscheidung auch in vergleichbaren Fällen anzuwenden. Anders als bei anderen Entscheidungen gilt dieses Urteil also nicht nur für den Einzelfall. Die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II ist zwischenzeitlich erfolgt, sodass die Entscheidung für alle gemeinnützigen Verbände relevant ist. Sie kann unter www.bundesfinanzhof.de heruntergeladen werden.
Infolge dieser Entscheidung muss geprüft werden, ob die vorhandene Satzung die Vorgaben der Steuermustersatzung berücksichtigt. Diese ist als Anlage 1 zu § 60 Abgabenordnung (AO) veröffentlicht (www.gesetze-im-internet.de).
Darum ging es bei dem BFH-Urteil
Geklagt hatte ein gemeinnütziger eingetragener Verein, dessen Satzungszweck die Reinzucht einer bestimmten Hunderasse war. Der Verein hatte bei seiner Umsatzsteuererklärung seine Umsätze mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent gem. § 12 Abs. 2 Ziffer 8 UStG erklärt. Das Finanzamt wollte dagegen den Regelsatz von 19 Prozent anwenden, da die Satzung des Vereins die Anforderungen an die Satzung eines gemeinnützigen Vereins nicht erfülle. Konkret ging es um die in der Satzung getroffenen Bestimmungen über die Auflösung des Vereins. Dazu bestimmte die für das fragliche Steuerjahr geltende Satzung Folgendes:
§ 63 Auflösung:
- Wird die Auflösung des Vereins beschlossen, so hat der Vorstand die laufenden Geschäfte zu beendigen.
- Die Mitgliederversammlung beschließt zugleich mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des Vereinsvermögens. Dieses muss entweder einem als gemeinnützig anerkannten Tierschutzverein oder einer anderen als gemeinnützig anerkannten kynologischen Organisation — die Zustimmung des zuständigen Finanzamtes vorausgesetzt — zufließen.
Das Finanzamt kritisierte an dieser Formulierung, dass die Vereinssatzung nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen genüge, weil entgegen § 61 AO die Vermögensbindung zwar für den Fall der Auflösung, nicht aber für den Fall der Änderung oder bei Wegfall des Vereinszwecks bestimmt sei.
Schon das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen, da der begünstigte Steuersatz nicht anwendbar sei, weil nach den Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 55, 61 AO) „in der Satzung“ geregelt sein müsse, dass bei Auflösung, Aufhebung und Zweckänderung des Vereins das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werde. Daran fehle es in dem Fall, weil § 63 der Satzung keine Regelung für den Fall der Zweckänderung enthalte. Auf der Grundlage der Satzung könne nicht geprüft werden, was in diesem Falle mit dem Vereinsvermögen geschehen solle.
Der BFH hat sich dieser Rechtsauffassung im Ergebnis angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Entscheidend war, dass nach § 59 AO der ermäßigte Steuersatz u. a. gewährt wird, wenn sich „aus der Satzung“ des Vereins ergibt, welchen Zweck er verfolgt und dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht (sogenannte formelle Satzungsmäßigkeit). Dazu bestimme § 61 Abs. 1 AO, dass eine Vermögensbindung i. S. des § 55 Abs. 1 AO nur vorliege, „wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist“.
Außerdem hat der BFH noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung in der Satzung selbst getroffen sein muss. Eine Bestimmung in Finanzordnungen o. Ä. reicht nicht.
Diese Zweifel bestanden nach der Entscheidung des BFH
Der zweite Leitsatz der Entscheidung des BFH lautet: „Hierzu (Anmerkung des Autors: Gemeint ist die Erfüllung der formellen Anforderungen an die Vermögensbindung nach § 61 AO) ist erforderlich, dass die Vereinssatzung eine Regelung sowohl hinsichtlich der Auflösung und der Aufhebung als auch bei Zweckänderung enthält.“
Das führt zu Änderungsbedarf in vielen Vereinen und Verbänden, denn oftmals bestimmen die Satzungen noch keinen konkreten Empfänger des Vermögens im Falle der Auflösung, sondern lediglich, dass dieser erst später nach Rücksprache mit dem Finanzamt bestimmt werden soll.
In der Folge überprüften viele gemeinnützige Vereine und Verbände ihre Satzung und stießen dabei auf die Frage, wie genau der Text der Mustersatzung übernommen werden muss. Dieser lautet in dem insoweit entscheidenden Abschnitt (§ 5 der Mustersatzung) wie im nebenstehenden Kasten dargestellt.
Das Problem ist, dass der in der Mustersatzung genannte Begriff der „Aufhebung“ der Körperschaft im Vereinsrecht nicht existiert (wohl aber für Stiftungen, § 87 BGB). Müssen gemeinnützige Vereine und Verbände also trotzdem die Regelung der Mustersatzung auch hinsichtlich der Aufhebung übernehmen, um ihre Anerkennung als gemeinnützig nicht zu gefährden?
BMF sorgt für Klarheit
Diese Frage hat das BMF mit Schreiben vom 07.07.2010 (Az.: IV C 4-S 0180/07/0001:01) beantwortet. Danach ist es für gemeinnützige Vereine und Verbände nicht erforderlich, in der Satzung für den Fall der Beendigung der Vereinsaktivitäten und der notwendigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vermögensbindung für das Restvermögen auch den Fall der Aufhebung aufzuzählen. Es ist ausreichend, wenn insoweit lediglich die Auflösung und der Wegfall steuerbegünstigter Zwecke aufgezählt werden und für diese Fälle ein Empfänger benannt wird.
Handlungsbedarf für gemeinnützige Verbände
Gemeinnützige Verbände sollten ihre Satzung kurzfristig entsprechend anpassen. Sofern das bereits geschehen ist und dabei der Wortlaut der Mustersatzung im vollen Umfang, inkl. „Aufhebung“, berücksichtigt wurde, dürfte eine erneute Änderung nicht erforderlich sein.Der Ausgangsfall des BFH zeigt aber auch, dass Satzungen von Verbänden nicht statisch sein dürfen. Ungenauigkeiten haben unter Umständen gravierende finanzielle Auswirkungen. Sowohl verbandsrechtliche als auch steuerrechtliche Änderungen oder Änderungen in der Verbandsstruktur und/oder Arbeitsweise bedingen daher Überprüfungen und Anpassungen der Satzung. Oftmals kommt es auf detaillierte Kenntnisse des Verbandsrechts beim Finden der richtigen Formulierung an, um die notwendige Rechtssicherheit zu gewährleisten.