Die neuen Regeln im europäischen Kartellrecht und insbesondere die neuen Horizontalleitlinien, die das deutsche Kartellrecht ebenfalls wesentlich mitbestimmen, sind seit Juli in Kraft. Kooperationen zwischen Wettbewerbern auf technischer Ebene in Form von Standardisierungsvereinbarungen oder Informationsaustausch im Kontext von Standardisierungsüberlegungen stehen aufgrund der wirtschaftlichen Wichtigkeit und Notwendigkeit – auch im Lichte des digitalen Wandels – im Fokus des Interesses. Für die Compliancearbeit von Verbänden ist die Beachtung der Vorschriften wichtig, sofern Standardisierungsaktivitäten vom Verband organisiert oder ggf. auch nur mitgestaltet werden.
Kartellrechtlich sind technische Kooperationen nicht zuletzt infolge des Ad-blue-Verfahrens der Europäischen Kommission unter besonderer Beobachtung1. Auch vor diesem Hintergrund sind die neuen Vorschriften sehr praxisrelevant. Vorhaben zur Standardisierung sind als Kooperationen von Unternehmen regelmäßig am Maßstab des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Art. 101 Abs. 1 AEUV im europäischen Recht) und § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) des Kartellrechts zu messen. Dies gilt in erster Linie, wenn sich Unternehmen, die eigentlich im Wettbewerb zueinander nach den besten Lösungen suchen, auf gemeinsame Normen und Standards (nachfolgend zusammenfassend als Standards bezeichnet) einigen. Das Kartellrecht steht dem prinzipiell nicht im Wege, es bedarf jedoch einer Einzelfallprüfung, um die hohen Kartellrechtsrisiken in Form hoher Geldbußen im Verstoßfall tunlichst zu vermeiden. Standardisierung im Sinne von Vereinbarungen über Normen bezwecken im Wesentlichen die