Durch das Steuersenkungsgesetz, das am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, kommt auf viele Berufsverbände eine unerwartete Steuerbelastung in Form einer zehnprozentigen Kapitalertragsteuer zu.
Betroffen sind Berufsverbände,
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die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten,
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der mit Gewinn arbeitet und
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der seinen Gewinn durch Bilanzierung ermittelt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der Berufsverband auf den erzielten Gewinn eine Kapitalertragsteuer von 10 Prozent zahlen. Diese Steuer entsteht erstmals auf den Gewinn des Jahres 2002. Dies folgt aus der Überleitungsvorschrift des § 52 Abs. 37 a Satz 2 EStG, wonach die Neuregelung erstmals auf Gewinne anzuwenden ist, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erzielt werden, für das das neue Körperschaftsteuerrecht (Abschaffung des Anrechnungsverfahrens, erstmals gültig für 2001) gilt.
Das Einkommensteuergesetz in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes behandelt den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb - sofern dieser bilanziert - ab 2002 für steuerliche Zwecke als gegenüber dem Verband verselbständigt, vergleichbar einer fiktiven Kapitalgesellschaft. Gewinne, die in diesem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anfallen, gelten grundsätzlich als an den ideellen Bereich des Verbandes ausgeschüttet. Beim Verband werden diese fiktiven Ausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt. Um diese Qualifizierung zu ermöglichen, wurde § 20 EStG um einen neuen Besteuerungstatbestand ergänzt. Die Gesetzestechnik ist etwas kompliziert: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG der durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn von Betrieben gewerblicher Art öffentlich-rechtlicher Körperschaften, soweit der Gewinn nicht den Rücklagen zugeführt wird. Die Auflösung von Rücklagen führt wiederum zu Einkünften aus Kapitalvermögen (Satz 2 der Vorschrift). Satz 3 der Vorschrift bestimmt sodann, dass die vorgenannten Steuerfolgen auch für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe der von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaften oder Personenvereinigungen gelten, mithin auch für Berufsverbände in der Form rechtsfähiger oder nichtrechtsfähiger Vereine.
Die Kapitalertragsteuerpflicht der nicht zurückgestellten Gewinne ergibt sich aus § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe c EStG. Die Kapitalertragsteuer beträgt 10 Prozent des Kapitalertrages (§ 43 a Abs. 1 Nr. 6 EStG). Der Berufsverband gilt als Gläubiger, sein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als Schuldner der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 6 Satz 1 EStG). Die Kapitalertragsteuer entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Bilanzerstellung, spätestens jedoch acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres (§ 44 Abs. 6 Satz 2 EStG). Werden Rücklagen durch ihre Auflösung steuerpflichtig, entsteht die Steuer am Tage nach der Beschlussfassung über die Auflösung der Rücklagen (§ 44 Abs. 6 Satz 2 EStG, am Ende). Eine Erstattungsmöglichkeit sieht das neue Recht bei den fiktiven Ausschüttungen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe nicht vor. Für Ausschüttungen der Gewinne von Kapitalgesellschaften bleibt es jedoch bei der hälftigen Erstattungsmöglichkeit (§ 44 c Abs. 2 EStG).
Berufsverbände, die der neuen Steuer entgehen wollen, können diese ggf. durch Wechsel der Gewinnermittlungsart vermeiden. Bei Gewinnermittlung durch einfache Einnahme-Überschussrechnung tritt nämlich keine Kapitalertragsteuerpflicht ein. Allerdings ist diese Gewinnermittlungsart nur bei Umsätzen bis 500.000 DM und Gewinnen bis 48.000 DM zulässig (§ 141 AO).
Die Einstellung von Gewinnen in eine Rücklage führt dagegen nur zu einer temporären Vermeidung der Steuer, da diese bei Auflösung der Rücklage nachgeholt wird.
Hinweis: Gemeinnützige Körperschaften sind insgesamt von der Kapitalertragsteuerpflicht ausgenommen (§ 44 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG).