Der Arbeitgeberverband HessenChemie nahm im vergangenen Jahr an vier Wettbewerben teil – und gewann bei allen. Das hat die Arbeit des Verbandes nachhaltig verändert. Die Akzeptanz nach innen und außen ist gewachsen, der Expertenstatus gefestigt. Alles begann mit der Auszeichnung zum Verband des Jahres 2010, dem „DGVM Innovation Award“.
Gleich vier hochkarätige Auszeichnungen in nur einem Jahr — auf diese Früchte seiner Arbeit ist der Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. (HessenChemie) zu Recht stolz. Im Februar 2010 erhielt er den „DGVM Innovation Award“, im September folgte der „Internationale Deutsche PR-Preis“, dann der „Internationale Arbeitgeberpreis für alternsgerechte Personalpolitik“. Zudem gab es die „Goldene Lilie“ für gesellschaftliches Engagement.
Doch warum bewarb man sich in einem einzigen Jahr um gleich vier Preise? „Bei uns hatte sich sehr viel getan“, erläutert Hauptgeschäftsführer Dr. Axel Schack. „Wir haben den Verband innerhalb von fünf Jahren ganz neu aufgestellt. Von Mitgliedern und Mitarbeitern bekamen wir dafür viel positives Feedback. Jetzt wollten wir unsere Arbeit auch von externen, neutralen Experten bewerten lassen.“
Ausgangspunkt für den Veränderungsprozess waren eine groß angelegte Umfrage und eine ausführliche Diskussionsphase mit den Mitgliedern in den Jahren 2003 und 2004. Danach gefragt, wie sie die Arbeit des Verbandes bewerteten, hatte sich gezeigt: HessenChemie war sehr gut auf seine Kernaufgaben fokussiert. In den Hauptleistungsbereichen — Interessenvertretung, Tarifverhandlungen, juristische Beratung sowie Weiterbildung — bewerteten die Mitglieder die Verbandsarbeit als äußerst nutzbringend. Auch das Image wurde als sehr gut eingeschätzt. Doch die Befragten stellten auch Optimierungsbedarf fest. So gab es bei dem Imagewert „Zukunftsorientierung“ leichte Abstriche, ebenso bei „Information“ und „Kommunikation“. Mehr Präsenz in der Öffentlichkeit, mehr Informationen via Neue Medien und mehr politische Kommunikationsarbeit wünschten sich die Unternehmen.
Die Anregungen gingen in die Verbandsstrategie HessenChemie2005plus ein. Zukunftsorientierte Dienstleistungen für Mitgliedsunternehmen waren ihr Kernanliegen, aber auch personell und organisatorisch wurde viel verändert: ein umfassender Prozess, der alle Verbandsbereiche erfasste und bis heute andauert.
Näher am Kunden
Die Strategie sah zunächst eine Stärkung der Präsenz des Verbandes in den Regionen vor. Daher wurden Regionalbüros in Darmstadt und Kassel gegründet. Dort sind heute neun Mitarbeiter beschäftigt. Die Regionalisierung machte gleichzeitig die Einführung einer neuen Verbandssoftware erforderlich, die ein besseres Customer Relation Management ermöglicht.
Um die professionelle Umsetzung der neuen Dienstleistungen nicht nur vom eigenen Schreibtisch aus, sondern auch von unterwegs zu gewährleisten, wurden neueste Kommunikationsmittel und Softwarelösungen angeschafft. Alle Mitarbeiter wurden mit Laptops ausgestattet, Führungskräfte und Referenten verfügen über weitere mobile Kommunikationsmittel. So bietet HessenChemie ein modernes Arbeitsumfeld.
Neue Dienstleistungen
Zu den Kernaufgaben des Verbandes kamen neue Dienstleistungen hinzu, bestehende Angebote wurden ausgebaut. Um dem gestiegenen Beratungsbedarf gerecht zu werden und die Koordination mit den Mitgliedsunternehmen und dem Bundesverband zu verbessern, wurde der Bereich Tarif- und Arbeitsmarktpolitik mit vier Mitarbeitern eingerichtet.
Die Verbandskommunikation wurde verstärkt und verfügt heute neben einem Pressesprecher auch über Experten für die politische Kommunikation sowie für die Kommunikation in sozialen Netzwerken des Web 2.0. Aufgrund der ständig wachsenden Bedeutung europäischer Gesetzgebung und der Initiativen der Europäischen Kommission baute man zudem eine umfassende und praxisnahe europapolitische Informations- und Netzwerkarbeit auf.
Heute unterstützen drei Arbeitswissenschaftler die Unternehmen vor allem bei der Arbeitsbewertung, der Arbeitszeitgestaltung, der Entgeltgestaltung, aber auch bei der Betriebs- und Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung sowie beim Datenmanagement und der Zeitbewirtschaftung. Sozialrechtliche Beratung und Prozessvertretung zählten schon immer zu den zentralen Verbandsleistungen. Zu den Themenfeldern gehören heute aber auch die Betriebliche Altersversorgung, Altersteilzeit, Modelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine demografieorientierte Personalpolitik.
Kernthema: Demografischer Wandel
Die alternde Gesellschaft und die damit verbundenen Folgen für die Arbeitswelt — darin sieht man bei HessenChemie einen Angelpunkt für die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsunternehmen. Als zentrale Aufgabe galt es deshalb, Lösungen anzubieten, mit denen sie diesen Herausforderungen begegnen können. Im Mai 2007 wurden die Demografieberatungen als neue Dienstleistung eingeführt und ein zertifizierter Demografieberater eingestellt. Im Juli 2008 bildete sich ein „Kompetenzteam Demografie“, in dem der Verband die juristischen, arbeitswissenschaftlichen, volkswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Kompetenzen seiner Mitarbeiter bündelte. So wurde breites, interdisziplinäres Know-how zusammengeführt.
An der Ausarbeitung des Tarifvertrags „Lebensarbeitszeit und Demografie“, der Ende 2008 auf Bundesebene von den Sozialpartnern in der Chemie-Branche unterzeichnet wurde, war der Verband maßgeblich beteiligt. Doch mit dem Abschluss des Tarifvertrages fing die Beratungsarbeit erst an. Zu seinen Bestandteilen zählte nämlich unter anderem eine „Demografieanalyse“. Diese Untersuchung der Altersstruktur ihrer Belegschaften mussten die Unternehmen bis Ende 2009 durchführen. Zudem mussten sie auf betrieblicher Ebene über eine ganze Palette einzelner Instrumente entscheiden und für deren Umsetzung eine verbindliche Betriebsvereinbarung abschließen.
Durch die Kampagne „Demografischen Wandel gestalten“ machte HessenChemie den Mitgliedern die hohe Relevanz dieser Aufgaben deutlich. Dazu gehörten umfangreiche Kommunikationsmaßnahmen, unter anderem Workshops und sogenannte Sozialpartner-Werkstätten, aber auch Newsletter und der Mitgliederbereich des Internet-auftritts. Für die Kampagne gewann HessenChemie den „Internationalen deutschen PR-Preis“ der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) und des FAZ-Instituts. In der Begründung hieß es: „HessenChemie leistet einen Beitrag, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitglieder zu erhalten und die gesellschaftspolitische Debatte um praktikable Lösungsmodelle zu bereichern.“
Für seine wegweisenden Praktiken im Umgang mit einer alternden und schrumpfenden Erwerbsbevölkerung wurde der Verband im Herbst des letzten Jahres auch mit dem „Internationalen Arbeitgeberpreis für alternsgerechte Personalpolitik“ ausgezeichnet. Die American Association of Retired Persons (AARP) lobte HessenChemie dafür, die Mitabeiterpotenziale jedes Lebensalters zu erkennen und im Dienste der Mitgliedsunternehmen zu fördern.
Frauen sind präsent
Entgegen der Entwicklung in anderen Verbänden baute HessenChemie den Mitarbeiterstamm kontinuierlich aus. Denn das Mehr an Dienstleistungen erforderte auch mehr Kapazitäten. Vor der Umsetzung der neuen Strategie lag der Mitarbeiterstamm bei 24, heute sind es doppelt so viele. Der Frauenanteil liegt bei 57 Prozent. Noch heute steht in vielen Arbeitgeberverbänden der Hauptgeschäftsführer im Mittelpunkt der Verbandsführung. Er legt gemeinsam mit dem Vorstand die Strategie fest, hat die Budgetverantwortung, gestaltet die Tarifpolitik. Bei HessenChemie dagegen wurde die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Dem engeren Führungsteam gehören heute neben dem Hauptgeschäftsführer auch eine Geschäftsführerin und ein Geschäftsführer an sowie die Leiterin der Rechtsabteilung und der Leiter der Verbandskommunikation. Daneben gibt es ein erweitertes Führungsteam, das jeweils zur Hälfte aus Frauen und Männern besteht, es umfasst alle Bereichsleiter. Sie tragen Verantwortung für ihre Mitarbeiter und das Budget in ihrem Aufgabenbereich.
Innovative Personalpolitik
Mit der neuen Personalpolitik trägt HessenChemie auch der veränderten Arbeitswelt Rechnung. Motivierte und hoch qualifizierte Mitarbeiter gewinnt und hält man nur durch eine attraktive Personalentwicklung und die Einbindung in ein gutes Arbeitsumfeld. Deshalb wurden Instrumente der Mitarbeiterführung sowie zur Weiterentwicklung und Bindung der Mitarbeiter eingeführt.
Nicht zuletzt gehört auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu den Instrumenten, mit denen Unternehmen im Wettbewerb um die besten Köpfe punkten können. Denn keiner kann es sich mehr leisten, auf gut ausgebildete junge Frauen zu verzichten oder auf Fachkräfte, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen. Den Mitgliedsunternehmen rät HessenChemie daher, sich „Familienfreundlichkeit“ auf die Fahnen zu schreiben. Und was gepredigt wird, wird auch gelebt. Bereits 2006 hatte HessenChemie die Auditierung im Rahmen des Audits „Familie und Beruf“ erfolgreich durchlaufen. Im Juni 2009 bestand man als erster Arbeitgeberverband die Re-Auditierung.
Als Experte gefragt
Die HessenChemie-Mitarbeiter verstanden die Preise als Ansporn, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Denn das erworbene Ansehen veränderte die tägliche Arbeit. „Durch unsere größere Bekanntheit finden wir mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Pressevertreter wenden sich an uns, wenn sie Informationen brauchen oder Ansprechpartner aus Chemieunternehmen suchen“, sagt Jürgen Funk, Leiter der Verbandskommunikation. „Auf diese Weise finden die Belange der chemischen Industrie Gehör.“ Der Status des Verbandes als Experte in allen Fragen rund um das Thema „Arbeit“ habe sich durch die Auszeichnungen gefestigt. Man erhalte Anfragen nicht nur von den Medien, sondern auch von Verbänden, aus Politik und Wissenschaft. Neben den klassischen Kommunikationswegen nutzt man für diesen Austausch inzwischen auch Twitter, Facebook, RSS-Feed und einen eigenen YouTube-Kanal.
Auch nach innen haben die Preise etwas bewegt. „Dass unsere Veränderungsprozesse so viel Anerkennung gefunden haben, hat auch intern für höhere Akzeptanz gesorgt — beim ehrenamtlichen Vorstand genauso wie unter den Mitarbeitern“, stellt Hauptgeschäftsführer Schack fest. „So finden wir jetzt leichter die Zustimmung für weitere Veränderungsprozesse.“ Und in der Verbandslandschaft würden die guten Beispiele der HessenChemie bereits von manchem übernommen.
Auch in Zukunft werden die Veränderungen weitergehen. Derzeit arbeitet man an einer Strategie für Social Media und Web 2.0. Zudem gibt es einen außergewöhnlichen Plan: Die Philosophie des Verbandes soll in einem neuen Bürogebäude aufgehen. Die Offenheit, der Dialog, die Kreativität, das Team — all das soll sich in der Architektur und im Bürokonzept ausdrücken. Umgesetzt werden soll dieses „Haus der Chemie“ mit Materialien, die von der Innovationskraft der Chemie zeugen. Eines jedenfalls darf weder bei großen Plänen noch bei der täglichen Arbeit fehlen, sagt Hauptgeschäftsführer Schack: „Mut zur Veränderung.“