Die meisten Verbände wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegründet. Zur Verbandsarbeit gehört wesentlich die Mitgliederkommunikation. Dafür gibt es seit den Gründerjahren der Verbände vier bewährte und zwei relativ neue Wege: erstens bei Vorstandssitzungen auf Bundes- und Landesebene, zweitens über den heißen Draht zwischen den Mitgliedern und der Geschäftsstelle am Telefon, drittens über Mitgliederrespektive Verbandszeitschriften und viertens über Rundschreiben. Diese Wege sind mit der durch das Internet bedingten Medienrevolution ergänzt worden um fünftens eine Homepage mit einem Mitgliederbereich und einem Forum sowie sechstens einen digital versandten Newsletter. Obgleich all diese Kommunikationswege inzwischen „state of the art“ sind, hat die Mitgliederzeitschrift nach wie vor einen zentralen Stellenwert.
Dabei geht es einerseits um die Vermittlung fachspezifischer Informationen im Bereich Recht und Steuern, News aus der Branche, Berichte über Innovationen und – im Bereich der Verbände wesentlich – Berichte aus dem Verbandsleben von Veranstaltungen bis zur Präsentation einzelner Mitglieder. In Verbandszeitschriften werden Anregungen für die Praxis gegeben, Innovationen angestoßen sowie Image und Selbstbewusstsein einer Branche gefördert.
Zeit für einen Relaunch
Die meisten Zeitschriften, die zeitgleich mit der Verbandsgründung ins Leben gerufen wurden, dürften in der Zwischenzeit den einen oder anderen Relaunch erlebt haben. So auch die Verbandszeitschrift „bestattungskultur“, die von 1949 bis 2001 „das bestattungsgewerbe“ hieß und seit dem Relaunch im Jahr 2002 in „bestattungskultur“ umgetauft wurde.
Der neue Titel „bestattungskultur“ war Programm. Mit der Wahl eines zeitgemäßen Titels wurde dokumentiert, dass sich die Branche zu einem modernen Dienstleistungsberuf entwickelt hat und dass viele Themen der Bestattungsbranche zunehmend allgemein gesellschaftskulturelle Bereiche berühren. Dementsprechend wurde auch die neue Rubrik „Bestattungskultur“ eingeführt, die inzwischen wesentlich zur Imagepflege der Branche beiträgt.
Ein Relaunch muss nicht teuer sein
Grafiker, Drucker, Texter, Autoren, Redakteure, Vertrieb – das alles kostet Geld. Als ich die Zeitschrift „das bestattungsgewerbe“ im Jahr 2001 das erste Mal gesehen und als Redakteurin übernommen habe, dachte ich spontan – die muss anders werden. Es bedurfte keiner großen Überzeugungsarbeit, um dafür grünes Licht zu bekommen. So ging es bald um die Frage, ob es möglich wäre, die Zeitschrift in grafischer und redaktioneller Hinsicht bei einem weitgehend gleichbleibenden Budget zu verbessern. Wenn so etwas gelingt, ist das im Allgemeinen eine sportliche Leistung, die vor allem Gehirnjogging voraussetzt.
Deshalb begann alles mit einem Wettbewerb. Grafikagenturen konnten sich mit einem Konzept für die Neugestaltung bewerben. Der Preis war der anschließende Auftrag, die Zeitschrift zu gestalten. Ein lukrativer Preis, bedenkt man die sichere Auftragslage über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Der Relaunch hat also fast nichts gekostet. Und für den Rest wurden natürlich Kostenvoranschläge verschiedener Anbieter eingeholt und einige Kooperationspartner gewechselt.
Wer sich Kriterien für einen Relaunch überlegt, wird Vorbilder im Kopf haben. Mein Vorbild war die Zeitschrift „Mare“, die zwar mit der Bestattungsbranche bis auf das Thema Seebestattung nichts gemein hat, mich aber von der Haptik und Bildsprache angesprochen hat. Mein Ziel war, dass man auch die Mitgliederzeitschrift gern in die Hand nimmt und – trotz des Themas – Spaß am Blättern hat. Das scheint gelungen zu sein, denn im Jahr 2006 wurde die „bestattungskultur“ durch die Shortlist der Deutschen Fachpresse ausgezeichnet.
Verbandsbesonderheiten – Verbandsgemeinsamkeiten
Die meisten Verbände haben verschiedene Rubriken. Diese Rubriken wollte ich farblich voneinander unterscheiden, weshalb ich ein Vierfarbleitsystem zur optischen Strukturierung des Inhalts nach den vier Rubriken „Bestattungskultur“, „Bestattungsbranche“, „Verbandsleben“ und „Recht und Steuern“ eingeführt habe. Damit war die Schwarz-Weiß-Ära beendet. Eigenanzeigen, Seminarankündigungen, Werbung und redaktioneller Teil wurden grafisch voneinander unterschieden. Die Seitenaufteilung wurde komplett neu strukturiert mit Kopf- und Fußzeilen, Seitenraster, einer neuen Schrifttype und -größe, Inkunabeln, Seitenzählung, Teasern, Infokästen etc. Unter ästhetischen Gesichtspunkten wurden die Grundfarben und die Bildsprache sowie die Papierqualität ausgewählt.
Eine Mitgliederzeitschrift unterscheidet sich von anderen Fachzeitschriften vor allem durch die Rubrik Verbandsleben. Die Rubrik Verbandsleben lebt von Porträts der Mitglieder, Interviews mit den Funktionsträgern im Ehrenamt, Berichten aus dem Verbandsleben, der Vorstellung exklusiver Leistungen für Mitglieder wie Rahmenverträge, Berichten über den Nachwuchs oder auch die Veranstaltungen des Verbands von Vorstandssitzungen über Messen bis zu Tagungen. Alle Verbände von A bis Z verbinden die mit der Verbandsstruktur verbundenen Belange und Herausforderungen, die monatlich journalistisch begleitet und langfristig geplant sein wollen.
Professionalisierung durch Jahresplanung
Die Verbandszeitschrift „bestattungskultur“ erscheint monatlich mit einem Umfang von 72 Seiten. Die neu eingeführte Jahresplanung hat sich sowohl bei der Akquisition von Fachautoren als auch von Anzeigenkunden bewährt. Interessanterweise ist in der Folge des Relaunchs auch die grafische Qualität der Anzeigen signifikant gestiegen. Die unterschiedlichen Themenschwerpunkte wurden mit Werbespecials verbunden, wodurch auch das Anzeigenvolumen gesteigert werden konnte. Auch wenn die Themenschwerpunkte im Herbst des Vorjahres bei der Bundesvorstandssitzung bekannt gegeben und auch auf der Homepage veröffentlicht werden, kann man Mitglieder nur durch gezielte Ansprachen zur aktiven Teilnahme bewegen.
Wie findet man Autoren?
Um einen kompetenten Autorenstamm aufzubauen, wurden neue Wege mit einem Call for Papers sowie einem konsequenten Aufbau von Fachautoren beschritten. Inzwischen arbeiten wir mit über hundert Autoren, Journalisten und Wissenschaftlern zusammen. Aufgrund der hochgradigen Spezialisierung der einzelnen Branchen ist die Autorenpflege besonders wichtig.
Auch die Mitglieder selbst kommen als Autoren infrage, insbesondere zu Themen, die das Verbandsleben betreffen. Da sich die meisten Mitglieder den journalistischen Anforderungen jedoch nicht gewachsen fühlen, haben sich Gattungen wie Interviews oder Reportagen vor Ort bewährt. Über den Pressespiegel wird ferner beobachtet, welche Themen der Branche die Öffentlichkeit bewegen, um für relevante Beiträge eine Abdruckgenehmigung einzuholen.
Was lässt sich outsourcen?
Mit der Professionalisierung der Fachzeitschrift wurde der Aufbau eines Redaktionsteams notwendig, da eine redaktionell anspruchsvolle Mitgliederzeitschrift im Umfang von 72 Seiten nicht „nebenberuflich“ realisiert werden kann. So habe ich im Jahr 2004 ein zweijähriges Redaktionsvolontariat ausgeschrieben. Aus dem Volontariat wurde im Anschluss eine feste Redakteurstelle. Bild- und Textredaktion liegen in einer Hand. Für die Illustration der Zeitschrift werden entweder Fotos von den Autoren oder Redakteuren selbst angefertigt oder es werden Bilder kostengünstiger Bilddatenbanken verwandt. Nur Layout, Druck und Vertrieb sind an feste Kooperationspartner outgesourct.
Modernisierungsschub
In manchen Branchen dauert es etwas länger, bis die moderne Technologie Einzug hält. Obgleich der Bundesverband Deutscher Bestatter e.V. frühzeitig eine Homepage eingerichtet hat, musste der gesamte Datentransfer für die Fachzeitschrift erst einmal von Filmen auf Digitaldruck umgestellt werden, auch bei den Anzeigenkunden! Das war die größte Sorge, dass über Jahrzehnte treue Anzeigenkunden abspringen könnten. Doch mit dem Angebot der Digitalisierung der Filme wurde auch eine neue Ära der Anzeigen eingeleitet, zu der u. a. professionelle Mediadaten im Corporate Design gehören. Zugleich wurde eine Jahres-Archiv-CD-Rom als elektronisches Datenarchiv mit einer Volltextsuche im PDF-Format eingeführt, die von den Mitgliedern sehr gut angenommen wird.
Digitalisierung und Crossmedia
Wie kommt es, dass Verbandszeitschriften trotz digitaler Medien nach wie vor einen so hohen Stellenwert haben? Wer eine professionelle crossmediale Redaktion aufgebaut hat, bedient mit Forum, Newsletter und Verbandszeitschrift unterschiedliche Bedürfnisse.
Im Mitgliederforum tauschen sich die Mitglieder im Allgemeinen darüber aus, wo der Schuh drückt, und geben sich im besten Fall kollegialen Rat. Der Newsletter dient vor allem der Übermittlung eiliger Nachrichten, die nach einem sechswöchigen redaktionellen Vorlauf bereits veraltet wären. Die Nachrichten im Newsletter werden meist nur „angeteasert“ und mit längeren Beiträgen im Mitgliederbereich der Homepage des Verbandes verlinkt.
Die Verbandszeitschrift kann dagegen auch abends auf dem Sofa oder im Zug gelesen werden, wenn der Computer einmal ausgeschaltet bleiben soll. Entscheidend ist, die Möglichkeit zu nutzen, die Medien miteinander zu vernetzen, indem man beispielsweise Themen aus dem Forum in der Verbandszeitschrift aufgreift oder umgekehrt in der Zeitschrift diskussionswürdige Themen anstößt, um alle Mitglieder zu einer aktiven Mitarbeit am Verbandsleben einzuladen und nicht nur die Ehrenamtsträger mit einer leitenden Funktion in Gremien und Ausschüssen.
Was sagen die Mitglieder?
Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, heißt es zu Recht. Was haben also die Mitglieder zum Relaunch gesagt? In manchen Verbänden müssen Veränderungen teilweise gegen die anfänglichen Widerstände der Mitglieder durchgesetzt werden, um den Verband innovativ und zukunftsorientiert aufzustellen. So bemühen wir uns beispielsweise noch immer darum, die E-Mail-Adressen aller Mitglieder für den Versand des digital versandten Newsletters zu erhalten, um nicht nur die Hälfte der Mitglieder darüber zu erreichen.
Da der Begriff „Bestattungskultur“ jedoch nach kürzester Zeit in aller Munde zum Schlüsselwort der Öffentlichkeitsarbeit wurde, scheint der Nerv der Zeit getroffen worden zu sein. Die Anerkennung der Verbandsarbeit des Hauptamtes findet eher selten explizit statt. Neben einigen euphorischen Rückmeldungen zum Relaunch ist auch die Zahl der Abonnements der Mitgliederzeitschrift in den Filialen gestiegen.
In Zahlen
Die Auflage der „bestattungskultur“ beträgt 3.700 Exemplare. Davon werden 3.400 Exemplare monatlich an die Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Bestatter versandt. Ferner bestehen 50 Abonnements im europäischen Ausland sowie 70 Abonnements bei Zulieferern, Filialen und sogenannten Gastmitgliedern, die häufig primär wegen der Zeitschrift eine Gastmitgliedschaft eingegangen sind. Seit dem Relaunch der Fachzeitschrift und der Homepage des Bundesverbandes fragen auch Wissenschaftler die Zeitschrift öfters zu Forschungszwecken an.