Nur wenige Verbände messen regelmäßig die Zufriedenheit ihrer Mitglieder und greifen hierbei noch seltener auf die professionelle Unterstützung externer Dienstleister zurück. Um die Qualität von verbandseigenen Mitgliederbefragungen zu steigern, gibt die auf Verbandserhebungen spezialisierte forum! GmbH marketing + communications (Mainz) in dieser Ausgabe Tipps und Ratschläge, worauf bei der Planung und Durchführung einer Mitgliederzufriedenheitsanalyse zu achten ist.
Bedeutung von Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung
Für die Mitgliederzufriedenheit sind drei Dimensionen zu unterscheiden:
- die subjektive Erwartungen des Mitgliedes an die Organisation
- die objektive Leistungen der Organisation
- die Wahrnehmung oder Nichtwahrnehmung der Leistungen durch das Mitglied.
Übertreffen die wahrgenommenen Organisationsleistungen die Erwartungen seitens des Mitgliedes, so steigt die Zufriedenheit.
Empirische Untersuchungen unter den Führungskräften deutscher Verbände belegen, dass die Steigerung der Mitgliederzufriedenheit eine wesentliche Aufgabe des strategischen Verbandsmanagements ist und auch als der wichtigste Indikator für den Erfolg eines Verbandes angesehen wird. Denn je zufriedener ein Mitglied mit einem Verband und seinen Leistungen ist, desto größer ist auch die Bindung des Mitglieds an seinen Verband.
Mitgliederzufriedenheit ist somit der entscheidende Schlüssel zur Mitgliederbindung. Zufriedene Mitglieder fühlen sich der Organisation eher verpflichtet, sind weniger empfindlich gegenüber unpopulären Entscheidungen und reagieren minder sensibel auf Angebote von Konkurrenzorganisationen. Darüber hinaus sind sie die besten „Botschafter einer Organisation“, die sich durch eine besonders hohe Weiterempfehlungsbereitschaft auszeichnen.
Zufriedene Mitglieder nehmen damit im Rahmen einer effektiven Neumitgliederwerbung eine Schlüsselfunktion als Multiplikatoren ein. Zumal die Mitgliedergewinnung durch Mitglieder erheblich kostengünstiger als andere Methoden der Mitgliederwerbung ist. Häufig ist die Befragung der Mitglieder selbst schon ein Mittel zur Mitgliederbindung, da sie den Mitgliedern deren Bedeutung aus der Sicht des Verbandes signalisiert.
Die Zufriedenheit der Mitglieder ist das in empirischen Untersuchungen am häufigsten genannte und damit bedeutendste Kriterium für den Erfolg eines Verbandes. Möchte man die Wirkung von Maßnahmen kontrollieren oder den Verbandserfolg insgesamt messen, so bleibt letztendlich nur die regelmäßige Befragung der Mitglieder.
Das drei Phasen-Modell der Mitgliederzufriedenheitsanalyse
Die Vorgehensweise bei einer Mitgliederzufriedenheitsanalyse lässt sich grob in drei Phasen gliedern, die selbst wiederum in mehrere Schritte unterteilt sind und die im folgenden beschrieben und erläutert werden:
- Explorative und konzeptionelle Phase
- Erhebungs- und Analysephase
- Umsetzungsphase (Management von Mitgliederzufriedenheit)
Explorative und konzeptionelle Phase
In der explorativen und konzeptionellen Phase müssen die angestrebten Ziele und die inhaltlichen Dimensionen der Mitgliederzufriedenheitsmessung explizit und klar benannt werden.
Erkenntnisziele der Befragung
Als mögliche Ziele sollten dabei folgende Aspekte eine Rolle spielen:
- Erkennen von Handlungsrelevanzen durch gleichzeitige Betrachtung von Zufriedenheit und Wichtigkeit von Leistungen
- Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen (Budgetrestriktion)
- Ist-Analyse der Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung
- Ansätze zur Mitgliederklassifizierung entwickeln (Zielgruppenanalyse)
- Messen von Veränderungen im Zeitverlauf (Erfolgskontrolle)
- Internes / externes Benchmarking (Vergleich von Untergliederungen und Wettbewerbern)
- Analyse von strategischen Wettbewerbsvorteilen- und -nachteilen
Dimensionen der Mitgliederzufriedenheit
Eng verbunden mit diesen Zielen stehen auch die inhaltlichen Dimensionen, die im Rahmen einer Mitgliederzufriedenheitsanalyse abgedeckt werden sollen, um die Ziele überhaupt verwirklichen zu können:
- Image und Bekanntheitsgrad des Verbandes sowie der angebotenen Leistungen
- Globalzufriedenheit mit dem Verband insgesamt
- Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsbestandteilen des Verbandes
- Wichtigkeit von Leistungsbestandteilen („satisfaction drivers“)
- Indikatoren für Mitgliederbindung
- Zielgruppenspezifische Unterschiede
- Informations- und Kommunikationsverhalten
Wie und warum diese Ziele und inhaltlichen Dimensionen im Rahmen einer Mitgliederbefragung abgebildet werden sollten, wird an späterer Stelle noch erläutert, wenn es um die verschiedenen Befragungs- und Erhebungsmethoden und die Phase der Auswertung geht.
Festlegung der zu Befragenden
Nach Festlegung von Zielen und inhaltlichen Dimensionen der Befragung folgt dann die Definition der zu befragenden Personengruppen. Es empfiehlt sich, vier Gruppen von vornherein zu berücksichtigen:
- Aktuelle Mitglieder
- Ehemalige Mitglieder
- Nicht-Mitglieder
- Funktionsträger
Zielgruppen: Mitglieder, ehemalige Mitglieder, potenzielle Mitglieder
Die Befragung der aktuellen Mitglieder dient der Messung des Ist-Zustandes des Verbandes, um daraus geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Zufriedenheit und Mitgliederbindung ableiten zu können.
Durch die Befragung der ehemaligen Mitglieder gewinnt man Erkenntnisse über deren Mindestanspruchsniveau und die Ursachen für die Kündigung der Mitgliedschaft. Daraus können entsprechend angepasste Maßnahmen und Ansätze zur Rückgewinnung oder sogar pro-aktive Vermeidungsstrategien gegen Austritte abgeleitet werden. Zum Befragungszeitpunkt sollte der Austritt der ehemaligen Mitglieder nicht länger als 6 Monate zurückliegen, um möglichst aktuelle Informationen zu den Austrittsgründen zu erfahren.
Die Befragung der Nicht-Mitglieder soll die so genannten K.O.-Faktoren identifizieren, das heißt die Frage beantworten, was diese bisher daran gehindert hat, Mitglied zu werden. Da unter den Nicht-Mitgliedern auch häufig solche sind, die sich Konkurrenzorganisationen angeschlossen haben, besteht durch die Ermittlung von deren Zufriedenheit mit ihrem Verband darüber hinaus die Möglichkeit, entscheidende Wettbewerbsvor- und –nachteile der eigenen Organisation gegenüber den Konkurrenzverbänden zu bestimmen und externes Benchmarking zu betreiben („Von den Besten lernen“).
Denn Mitgliederzufriedenheit ist relativ und nur vor dem Hintergrund fundierter Kenntnisse über ehemalige Mitglieder, Nicht-Mitglieder und Wettbewerber einzuschätzen: Eine Durchschnittsbewertung des eigenen Verbandes von 2 auf einer Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr unzufrieden“ kann kritisch sein, wenn alle Konkurrenten bei 1,5 liegen. Umgekehrt relativiert sich eine 3, wenn dies der Spitzenwert ist. Insgesamt sind somit gerade durch die Berücksichtigung von Nicht-Mitgliedern Ansätze zur Gewinnung von Neumitgliedern ableitbar.
Zielgruppe Funktionsträger
Schließlich können durch die Befragung der Funktionsträger, die im Vergleich zu den „einfachen Mitgliedern“ aufgrund ihres ehrenamtlichen oder beruflichen Engagements für den Verband häufig eine andere Wahrnehmung und Beurteilung der Organisation haben, Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbild deutlich gemacht werden. Die Verdeutlichung der Differenzen zwischen Selbst- und Fremdbild sind häufig ein wichtiger Beitrag zur späteren Umsetzung der Ergebnisse.
Auswahl der Untersuchungsmethode
Bevor dann im nächsten Schritt die Entwicklung der Befragungsinhalte und des Fragebogens im Vordergrund steht, müssen vorher noch einige Entscheidungen hinsichtlich der Untersuchungs- und Erhebungsmethode getroffen werden, da diese die Gestaltung des Fragebogens beeinflussen können. Hinsichtlich der Untersuchungsmethode besteht zunächst die Alternative zwischen einer Vollerhebung und einer repräsentativen Stichprobe.
Stichprobe oder Vollerhebung?
Bei der Vollerhebung strebt man an, alle Mitglieder zu befragen, während man bei der repräsentativen Stichprobe durch ein Zufallsverfahren einen Teil der Mitglieder auswählt und von deren Antwortverhalten auf das aller Mitglieder (so genannten Grundgesamtheit) schließt. Die Vollerhebung kommt häufig schon allein aus Kostengründen nicht in Frage. Man denke hier nur an Großorganisationen.
Repräsentative Stichproben dagegen produzieren zwar immer einen Fehler, wenn es darum geht, aus dem Antwortverhalten der befragten Teilmenge von Mitgliedern auf die Gesamtheit der Mitglieder zu schließen. Dieser Fehler ist jedoch zum einen statistisch bestimmbar. Zum anderen ist der repräsentativen Stichprobe - gemessen an der nahezu identischen Qualität der Ergebnisse und den erheblich geringeren Kosten - gegenüber einer Vollerhebung eindeutig der Vorzug zu geben. Es sei denn, es handelt sich um einen kleinen Verband mit etwa 200 Mitgliedern.
Schichtung der Stichprobe
Will man Aussagen zu bestimmten Teilgruppen innerhalb der Mitgliedschaft (zum Beispiel zu Landesverbänden, deren Mitglieder in der Gesamtorganisation einen sehr geringen Anteil ausmachen und damit in einer repräsentativen Gesamtstichprobe nicht ausreichend vertreten wären) treffen, empfiehlt es sich, die Stichprobe im Vorfeld zu schichten.
Man führt also nicht über die Gesamtheit aller Mitglieder eine Zufallsauswahl durch, sondern wählt pro Teilgruppe einen bestimmten Anteil zufällig aus. Weiß man, wie sich die Teilgruppen in der Mitgliedschaft anteilsmäßig verteilen, so kann man später in der Auswertung der Daten mit Gewichtungsfaktoren dennoch Aussagen über die Gesamtheit treffen. Um über die Teilgruppen gesicherte Aussagen treffen zu können, empfiehlt sich eine Größe von 100 zu realisierenden Befragungen pro Teilgruppe.
Überquotierung einplanen
Nicht jeder Kontakt führt zur Durchführung der geplanten Befragung. Die Höhe der Überquotierung, um auf die angestrebte Anzahl von realisierenten Befragungen in möglichst kurzer Zeit zu kommen, hängt unter anderem von der gewählten Erhebungsmethode ab. Hier besteht die Wahl zwischen der schriftlichen, der mündlichen und der telefonischen Befragung.
Exkurs: Pro & Contra der verschiedenen Befragungsformen
Schriftliche Befragung
Die häufigste Befragungsform bei selbst durchgeführten Befragungen ist die schriftliche Erhebung. Sie ist, was die Kosten der Datengewinnung angeht, auch die preisgünstigste Form. Allerdings hat die schriftliche Erhebungsmethode vier entscheidende Nachteile, die sich teilweise auch negativ auf die Qualität der gewonnenen Daten auswirken: Bei einer durchschnittlichen Rücklaufquote von etwa 10-20 Prozent muss man zunächst mit einer 5 bis 10-fachen Überquotierung rechnen, um auf die angestrebte Anzahl von realisierten Befragungen zu kommen.
Das Problem der geringen Rücklaufquoten lässt sich zwar durch gezielte Maßnahmen und Anreizsysteme wie Preisausschreiben, Verlosungen, Geschenke, telefonisches Nachfassen und frankierte Rückumschläge verringern, ganz zu beseitigen ist es jedoch nicht. Folglich führen die niedrigen Rücklaufquoten zu erheblichen Verzerrungen der Stichprobe, so dass die erhaltenen Informationen häufig nicht repräsentativ sind.
Die geringe Rücklaufquote leitet auch direkt zum zweiten Problem der schriftlichen Befragung:Aus empirischen Studien ist bekannt, dass sich die besonders zufriedenen und die besonders unzufriedenen Mitglieder überdurchschnittlich häufig an schriftlichen Befragungen beteiligen, während gerade die Gruppe der durchschnittlich Zufriedenen, die häufig den größten Teil der Mitglieder ausmacht, auf solche Befragungen nur sehr zögerlich und kaum antwortet. Dieser Effekt ist jedoch nicht systematisch, er fällt von Verband zu Verband unterschiedlich aus und lässt sich daher auch nicht kontrollieren. Im Extremfall melden sich die unzufriedenen Mitglieder überdurchschnittlich häufig zu Wort, um die Gelegenheit zu nutzen, ihrem Verband „mal die Meinung zu sagen“. Und dies führt natürlich zu einer deutlichen Verzerrung der Ergebnisse.
Drittens hat man bei der schriftlichen Befragung keine Kontrolle darüber, wer den verschickten Fragebogen ausfüllt. Möchte ein bundesweiter Verband die ehrenamtlichen Funktionsträger und Entscheider in den zahlreichen Untergliederungen nach deren Anforderungen an die Bundesorganisation befragen, so ist nicht gewährleistet, dass diese auch den Fragebogen bearbeiten. Wenn diese Funktionsträger und Entscheider zeitlich überlastet sind, passiert es häufig, dass die Fragen von einem Sachbearbeiter oder einer Referentin beantwortet werden.
Das vierte Problem bei schriftlichen Befragungen wird in der Methodenliteratur als das „Gesetz des trägen Bleistifts“ bezeichnet. Befragte machen mit dem Stift auf Papier ungern große Sprünge und bleiben daher mit Einschätzungen, die bei langen Reihen von Aussagen innerhalb einer Frage aufeinander folgen, meist in der Umgebung der jeweils vorangegangenen. Folglich werden die Befragten in ihrem Antwortverhalten nach und nach undifferenzierter („Tendenz zur Skalenmitte“). Dementsprechend müssen also mehrere schriftliche Fragebogenversionen existieren, bei denen die Aussagen innerhalb einer Frage jeweils in einer anderen Reihenfolge auftauchen, um diesen Effekt, der zu systematischen Messfehlern führt, zu neutralisieren.
Darüber hinaus kommen weitere Verzerrungen dadurch zustande, dass der Befragte den Fragebogen, bevor er ihn ausfüllt, in der Regel mindestens ein Mal liest. Bei der Lektüre begegnen ihm jedoch eventuell Themen und Antwortvorgaben, an die er selbst vorher gar nicht gedacht hat. Das Antwortverhalten insbesondere auf offene Fragen, das heißt Fragen ohne Vorgaben, kann dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Dehalb sind schriftliche Befragungen auch ungeeignet, um den Bekanntheitsgrad von Verbänden zu messen.
Mündliche Befragungen
Bei der mündlichen Befragung tauchen diese Probleme nicht auf. Von der qualitativen Seite aus betrachtet liefert sie sehr brauchbare Ergebnisse. Die Nachteile liegen jedoch eindeutig auf der Kostenseite. So müssen mit allen zu Befragenden Termine koordiniert und vereinbart werden, die sich noch dazu häufig nicht halten lassen und verschoben werden müssen. Neben dem Personalaufwand für die Koordination von Interviewterminen kommt dann in der Regel noch die Reisetätigkeit der Interviewer hinzu, was ebenfalls erhebliche Kosten verursacht.
Telefonische Befragung
Bleibt die telefonische Befragung, die im Vergleich zur mündlichen Befragung erheblich kostengünstiger ist und dieser in der Qualität der gewonnen Informationen in nichts nachsteht. Im Verhältnis zur schriftlichen Befragung ist sie zwar teurer, sie ist jedoch nicht mit den qualitativen Nachteilen der schriftlichen Befragung behaftet und häufig die beste Alternative. Allerdings setzt sie eine entsprechende Infrastruktur und natürlich Personalressourcen voraus. Ähnlich wie bei der mündlichen Befragung empfiehlt sich eine maximale Interviewlänge von circa 20 bis 25 Minuten. Die notwendige Überquotierung liegt bei etwa drei bis fünf Prozent für ein zu realisierendes Interview. Durch ein Ankündigungsschreiben können diese Überquotierungen weiter gemindert werden.
Entwicklung der Frageninhalte
Eine weitere Etappe auf dem Weg zur eigentlichen Durchführung der Mitgliederzufriedenheitsanalyse stellt die Entwicklung der konkreten Befragungsinhalte und Themen dar. Fragen, die in diesem Stadium unter Einbindung der Mitglieder durch qualitative Methoden geklärt werden müssen, sind unter anderem:
- Wer sind die Mitglieder?
- Was sind deren charakteristische Merkmale?
- Welche Erwartungen haben sie an die Organisation?
- Was beeinflusst ihre Zufriedenheit?
- Was verbinden sie mit der Organisation?
- Was sind typische imagebildende Attribute?
Ebenso wie bei der späteren Entwicklung des Fragebogens müssen diese qualitativen Leitfragen entsprechend den Zielsetzungen der Mitgliederbefragung im Vorfeld sorgfältig ausgewählt und eindeutig formuliert werden. Denn die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes gehen später direkt in die Gestaltung des Fragebogens ein. Ziel ist jetzt, ein Erhebungsinstrument (Fragebogen) zu entwickeln, das zum einen alle aus der Sicht der Mitglieder relevanten Themen und Inhalte abdeckt und zum anderen auch in deren Sprache wiedergibt.
Denn wenn bereits der Fragebogen zu großen Teilen an der Realität der Mitglieder vorbei entsteht, können die Ergebnisse der Befragung nur bedingt verwertet werden und damit die daraus abzuleitenden Maßnahmen mittel- bis langfristig fatale Folgen für die Organisation haben. Für diesen Arbeitsschritt sind qualitative Methoden geradezu prädestiniert: Expertenbefragungen und strukturierte Tiefeninterviews mit Mitgliedern und Funktionsträgern, ferner professionell moderierte und protokollierte Workshops mit den jeweiligen Personengruppen.
Der Fragebogen - Die Suche nach Indikatoren
Zunächst müssen die entwickelten inhaltlichen Dimensionen und Themen in konkrete Fragen umformuliert und Indikatoren für die jeweiligen Themen gefunden werden (Operationalisierung). Für die Messung der Globalzufriedenheit der Mitglieder mit ihrem Verband genügt dabei eine einzige Frage: „Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit dem Verband x auf einer Skala von 1 ´sehr zufrieden´ bis 5 ´sehr unzufrieden´?“
Da sich die Globalzufriedenheit aus der Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsbestandteilen kausal zusammensetzt, müssen diese recht abstrakten Dimensionen und Themen operationalisert werden. In Abbildung 1 sind beispielhaft solche Indikatoren für Konditionen, Service, Verbandspolitik und Kompetenz für einen Berufsverband dargestellt.
Abbildung 1: Abfragesystem relevanter Leistungsmerkmale
Die Themen sollten aufgrund ihrer Abstraktheit anhand von konkreten alltäglichen Erfahrungen abgefragt werden. Die Werte von 1 „Trifft vollständig zu“ bis 5 „Trifft überhaupt nicht zu“ können im Anschluss auf eine Skala von 0 (“Trifft überhaupt nicht zu“) bis 100 (“Trifft vollständig zu“) umskaliert werden. Höhere Werte spiegeln dadurch auch eine bessere Bewertung wider. Das Gleiche gilt für die Globalzufriedenheit, die in Abbildung 2 beispielhaft der Bewertung mit den zentralen Leistungsbestandteilen gegenübergestellt wird.
Abbildung2: Zufriedenheit (Global und Leistungsbereiche
Fragefehler vermeiden
Bei der Formulierung von Fragen und Items ist darauf zu achten, dass sie nicht mehrere Dimensionen oder Themen gleichzeitig ansprechen, keine logischen Und- oder Oder-Verknüpfungen enthalten und die Ergebnisse logisch eindeutig sein müssen. Ein Negativbeispiel hierfür wäre die Frage: „Kennen und nutzen Sie unsere Mitgliederzeitschrift oder unsere Homepage?“ mit den Antwortvorgaben „Ja“ und „Nein“.
Zum einen werden hier zwei Dimensionen abgefragt (Bekanntheit und Nutzung), die sich auf zwei Themen beziehen (Mitgliederzeitschrift und Homepage) und noch dazu mit einer logischen Und- und Oder-Verknüpfung verbunden sind. Im Ergebnis führen solche mehrdimensionalen Fragen zum einen dazu, dass der Befragte sie nur schwer richtig beantworten kann (mit „Ja“ können nur diejenigen Antworten, die mindestens eines der beiden Informationsmedien kennen und nutzen). Zum anderen können die Ergebnisse am Ende nicht eindeutig dargestellt werden. So lässt sich hier die Frage „Wie viel Prozent der Mitglieder kennen die Homepage?“ nicht beantworten. Des Weiteren müssen die Fragen vom Ergebnis her offen formuliert werden, das heißt, Suggestivfragen wie „Sind Sie nicht auch zufrieden mit unserer Mitgliederzeitschrift?“ sind auszuschließen.
Folgerichtiger Aufbau des Fragebogens
Der Aufbau des Fragebogens muss so gestaltet sein, dass zuvor gestellte Fragen möglichst keine Ausstrahlungen auf darauf folgende Fragen haben können. Um beim Negativbeispiel der Informationsmedien zu bleiben: Stellt man zunächst die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit unserer Mitgliederzeitschrift auf einer Skala von 1 ´sehr zufrieden´ bis 5 ´sehr unzufrieden´?“ und anschließend die offene Frage „Welche Informationsmedien unseres Verbandes sind Ihnen bekannt?“, so erscheint später der Bekanntheitsgrad der Mitgliederzeitschrift unter den Informationsmedien des Verbandes überhöht, da die Befragten durch die vorgeschaltete Frage nach der Zufriedenheit mit der Mitgliederzeitschrift an diese direkt erinnert oder auf diese aufmerksam gemacht werden. Offene Fragen zu einem Thema sollten daher vor geschlossenen Fragen zum gleichen Thema innerhalb des Fragebogens platziert werden.
Sparsame Vorgaben
Wer in Befragungen zu viele Vorgaben macht, zwingt die Mitglieder häufig, in eine bestimmte Richtung zu denken. Für die Mitglieder relevante Themen und Fragestellungen bleiben dadurch oft unberührt. Deshalb sollte im Rahmen einer Mitgliederzufriedenheitsmessung von offenen Fragen, also solchen, bei denen der Befragte sich frei und ohne Antwortvorgaben entfalten kann, genügend Gebrauch gemacht werden.
Obwohl die Auswertung solcher offenen Fragen erheblich mehr Aufwand bedeutet, kann man durch sie häufig mehr Informationen generieren, als über geschlossene Fragen mit Antwortvorgaben. Insbesondere zur Ermittlung der Wichtigkeit von bestimmten Leistungsbestandteilen der Organisation (Interessenvertretung, Information, Service) sind sie geeignet. Das, was dem Mitglied „auf den Nägeln brennt“, wird in der Befragungssituation auch zuerst genannt. Drei mögliche Nennungen pro offener Frage reichen in der Regel aus.
Vergleichbarkeit ermöglichen
Zur Steigerung der Zufriedenheit stehen nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung. Daher ist es besonders wichtig, neben der Zufriedenheit bezüglich einzelner Leistungskriterien auch ihre relative Bedeutung, das heißt deren Wichtigkeit für die Mitglieder zu erfragen („satisfaction drivers“). Nur so können die verfügbaren Mittel gezielt dort eingesetzt werden, wo sie einen maximalen Effekt hinsichtlich der Globalzufriedenheit erzielen.
Dazu ist es entscheidend, das Mitglied schon in der Befragungssituation vor eine klare „Entweder-oder-Entscheidung“ zu stellen und keine „Sowohl-als-auch-Entscheidungen“ zu ermöglichen (realitätsnahe Simulation von Entscheidungsprozessen). Nur so lässt sich die Entstehung einer „Inflation der Ansprüche“ bereits in der Anlage der Befragung vermeiden. Um die relative Wichtigkeit adäquat zu messen, bieten sich unterschiedliche Befragungstechniken an. Neben der bereits erwähnten offenen Frage empfiehlt sich das so genannte Konstant-Summen-Rating, dessen Prinzip in Abbildung 3 dargestellt ist. Der Befragte muss hier entsprechend seiner Prioritäten alle 100 Punkte auf die fünf vorgegebenen Faktoren verteilen.
Abbildung 3: Wichtigkeit von Leistungsfaktoren
Möchte man insbesondere das Phänomen des sozial erwünschten Antwortverhaltens hinsichtlich der Wichtigkeit von Leistungsfaktoren für die Globalzufriedenheit vollkommen ausschalten, bieten sich auch Korrelations- und multiple Regressionsanalysen an. Hierbei wird die Wichtigkeit von Leistungsbestandteilen für die Globalzufriedenheit nicht direkt gemessen, sondern über deren Zusammenhang mit der Gesamtzufriedenheit (unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen) mathematisch ermittelt.
Mit der Entwicklung des Fragebogens kann die explorative und konzeptionelle Phase als umfangreichster Abschnitt im Rahmen einer Mitgliederzufriedenheitsanalyse abgeschlossen werden. Was darauf folgt, ist die Erhebungs- und Analysephase und die Umsetzungsphase.
Pretest verhindert Fehlschläge
Bevor der Fragebogen jedoch endgültig zum Einsatz kommt, empfiehlt sich ein so genannter Pretest, mit dem das Erhebungsinstrument „an der Realität“ getestet wird. Häufig kommt es nach dieser Pretestphase noch zu kleinen, aber oftmals entscheidenden Modifizierungen am Fragebogen.
Erhebungs- und Analysephase
Schulung nötig
Zu Beginn der Erhebungsphase sollte eine ausführliche Schulung der Interviewer erfolgen, sofern sich der Verband im Vorfeld für eine mündliche oder telefonische Befragung entschieden hat. Bei schriftlichen Befragungen sollte zentral ein Ansprechpartner für die befragten Gruppen existieren, der auf Rückfragen kompetent Auskunft geben kann. Für die Schulung sollten auf jeden Fall genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Denn schließlich sind die Interviewer in dieser Rolle Repräsentanten der Organisation und sollten von daher gerade bei den zu befragenden Nicht-Mitgliedern einen positiven und kompetenten Eindruck hinterlassen.
Auch für die Qualität der gewonnen Informationen unter Zuhilfenahme des Fragebogens ist eine ausführliche Schulung entscheidend.
Adressenbeschaffung
Die notwendigen Informationen zu den Personengruppen (Namen, Adressen, Telefonnummern) können für die Mitglieder, die ehemaligen Mitglieder und die Funktionsträger in der Regel aus der Mitgliederdatenverwaltung entnommen werden. Für die Befragung von Nicht-Mitgliedern kann man die Dienstleistungen von Adressverlagen oder andere adäquate Quellen heranziehen.
Entscheidend: Die Zufallsstichprobe
Hat man den Pool der zu befragenden Gruppen zusammen, zieht man entsprechend den zuvor geschätzten Überquotierungen per Zufallsauswahl die repräsentative und gegebenenfalls eine geschichtete Stichprobe. Zufallsauswahl heißt, dass jeder die gleiche Chance haben muss, gezogen zu werden. Am einfachsten ist es, man nutzt hierzu einen Zufallszahlengenerator, der mittlerweile in fast allen gängigen Tabellenkalkulations- und Datenbankprogrammen vorhanden ist. Im Anschluss daran kann die Erhebung der Informationen durch Befragung der zufällig „Auserwählten“ beginnen.
Zügig erheben
Allgemein sollte darauf geachtet werden, dass die Zeiträume der Erhebung nicht zu lang werden. Denn Mitgliederzufriedenheit ist ein labiles und sensibles Phänomen, das sehr schnell auf vermeintlich unbedeutende Ereignisse reagiert. Man denke hierbei an Presseerklärungen der Verbandsspitze mit sehr umstrittenen Positionen zu einem brisanten Thema. Je kürzer die Erhebungsphase ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitgliederzufriedenheit aufgrund eines solchen Ereignisses punktuell und zeitlich beschränkt beeinflusst wird.
Analyse- und Auswertungsphase
Parallel zur Erhebungsphase können dann bereits die ersten Vorbereitungen für die Analyse- und Auswertungsphase getroffen werden. Hierzu beginnt man zunächst mit Hilfe eines entsprechenden Softwareprogramms die Dateneingabemaske zu erstellen, in der alle erhobenen Merkmale mit ihren unterschiedlichen Merkmalsausprägungen spaltenweise abgetragen und die Fragebögen zeilenweise einzugeben sind.
Software hängt von Analyseansprüchen ab
Die Ansprüche an die für die Dateneingabe und -auswertung benötigte Software hängen von den Anforderungen an das Niveau der Analysen ab. Für einfache und auch bivariate Häufigkeitsauszählungen (ein Merkmal oder zwei Merkmale kreuztabelliert) reichen gängige Tabellenkalkulationsprogramme meist aus. Möchte man jedoch auch komplexere Analyseverfahren anwenden, wie Korrelations- und multiple Regressionsanalysen, Faktoren- und Clusteranalysen zur Bildung von Zielgruppen mit homogenen Anforderungsprofilen an die Organisation, so empfiehlt sich die Anschaffung einer spezialisierten Statistiksoftware (z. B. SPSS). Allerdings muss dann auch jemand im Verband mit dieser Software umgehen können.
Sollen die Mitgliederbefragungen regelmäßig in Eigenregie wiederholt werden, lohnt sich diese Investition auf jeden Fall. Weitergehende professionelle Systeme wie CATI oder CAPI, bei denen die Dateneingabe parallel zur Datenerhebung erfolgt, sind dagegen sehr kostenintensiv und für den Zweck nicht nötig. Für die Präsentation und Kommunikation der Ergebnisse in Form von anschaulichen Grafiken benötigt man außerdem ein gängiges Präsentationsprogramm.
Bearbeitung der Antworten auf offene Fragen
Sind alle Fragebögen eingegeben, müssen für die dann folgenden Auswertungs- und Analyseschritte die offenen Fragen zunächst kategorisiert, das heißt die einzelnen Nennungen einem einheitlichen Begriffsschema zugeordnet werden. Danach sollten die Dateneingabefehler, die trotz größter Aufmerksamkeit unvermeidbar sind, korrigiert und der gesamte Datensatz auf logische Konsistenz überprüft werden (Filterfragen, fehlende Werte).
Nichts ist praktischer als eine theoretische Hypothese
Die Auswertung und Analyse der Daten sollte dann hypothesengeleitet erfolgen, das heißt, nur die Fragestellungen, die bereits in der explorativen und konzeptionellen Phase maßgebend waren, müssen nun in konkrete Analyseschritte umgesetzt werden, um sich nicht im Datensatz zu verlieren. Weniger ist hier mehr.
Des Weiteren sollten die Analysen ergebnis- und zielorientiert durchgeführt werden, da sie die Grundlage für Entscheidungen legen sollen, was die spätere Umsetzung von abzuleitenden Maßnahmen angeht. Im Folgenden werden mögliche zentrale Fragestellungen und Ergebnisse einer Mitgliederzufriedenheitsmessung beispielhaft dargestellt.
Zunächst ist die Gegenüberstellung von Zufriedenheit und Wichtigkeit mit den zentralen Leistungsbestandteilen der Organisation von Interesse, um daraus den Handlungsbedarf aus der Sicht der Mitglieder ableiten zu können. Im Ergebnis erhält man eine so genannte Handlungsrelevanz-Matrix, die genau darüber Auskunft gibt, in welche Bereiche investiert und wo knappe Ressourcen eingespart werden können (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 4: Handlungsrelevanz-Matrix
Ansätze zur Neumitgliedergewinnung können aus der Gegenüberstellung von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern hinsichtlich ihrer aktuellen Anforderungen an die Organisation abgeleitet werden (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5: Aktuelle Anforderungsprofile von Zielgruppen
Die letzte Abbildung 6 zeigt die möglichen Ergebnisse eines externen Benchmarking („Von den Besten lernen“) hinsichtlich der beiden Dimensionen Verbandspolitik und Service. Sie gibt zunächst Aufschluss darüber, wie ein Verband im Wettbewerb von den Mitgliedern, was die wichtigen Leistungen angeht, positioniert wird. Verbände erhalten damit auch Informationen über die zentralen Wettbewerbsvor- und –nachteile im Vergleich zu den konkurrierenden Verbänden. Ähnliches lässt sich auch im Rahmen eines internen Benchmarking darstellen, wenn es bspw. um die Gegenüberstellung von verschiedenen Organisationsgliederungen geht.
Abbildung 6: Externes Benchmarking
Umsetzungsphase = Management von Mitgliederzufriedenheit
Sind die Analysen hypothesengeleitet und zielorientiert durchgeführt, so liegen nun die Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen zur n Steigerung der Mitgliederzufriedenheit vor.
Die Ergebnisse sollten, bevor es an die Umsetzung von Maßnahmen geht, zunächst offen und ohne Denkverbote innerhalb des Verbandes kommuniziert werden. Hierzu bieten sich Artikel in Mitgliederzeitschriften, Sonderveröffentlichungen und Foren für die Funktionsträger und mehrere Präsentationen in den verschiedenen Untergliederungen an. Dies schafft einerseits einen nahezu gleichen Informationsstand unter den Beteiligten. Zum anderen fördert es durch Transparenz die Integration von entscheidenden Gruppierungen innerhalb des Verbandes, was für das Gelingen der Umsetzung sehr förderlich ist. Die Bereitschaft aller Beteiligten, sich offen auf die Ergebnisse einzulassen, ist auch hier eine conditio sine qua non.
Projektgruppe für die Umsetzung
Für die Kommunikation der Ergebnisse und die Unterstützung von Maßnahmen und Strategien empfiehlt sich die Einrichtung einer Projektgruppe, die sowohl den Kommunikationsprozess als auch die spätere Entwicklung und Umsetzung moderierend begleitet und fördert. Für die Besetzung dieser Projektgruppe sind Personen prädestiniert, die innerhalb des Verbandes eine hohe Kompetenz besitzen, eine große Anerkennung und das Vertrauen vieler genießen. Ihre Rolle sollten sie als Moderatoren eines Prozesses verstehen, und weniger als Leiter und eigenständige Entscheider.
Denn die Chancen für ein Gelingen steigt mit der Integrationsfähigkeit dieser Personen, was nicht heißen muss, dass keine Entscheidungen von der Projektgruppe zu treffen sind. Die Verantwortlichkeiten müssen im Vorfeld deshalb klar definiert werden. Die klassischen Methoden des Projektmanagements sind bei der Erarbeitung und Definition von Projekt- und Zeitplänen unter den Bedingungen der verfügbaren Ressourcen sehr hilfreich und auch notwendig. Neben einer konkreten Orientierung erzeugen solche Projekt- und Zeitpläne auch ein höheres Maß an Verbindlichkeit unter allen Beteiligten.
Kontinuierlicher Prozess
Ob die eingeleiteten Maßnahmen die angestrebten Wirkungen zeitigen, kann letztich nur durch regelmäßige Erfolgsmessungen sicher überprüft und gegebenenfalls durch Kurskorrekturen erreicht werden. Mitgliederzufriedenheitsmessungen sind somit keine einmalige Angelegenheit, sondern eingebettet in einen umfassenden Prozess der Organisationsentwicklung mit dem Ziel, die gesamte Organisation konsequent vom (Nicht-)-Mitglied her zu denken, zu lenken und permanent anzupassen.