Die Herausforderungen an Verbände und ihre Führungsspitzen sind gestiegen: Sinkende Mitgliederzahlen treffen auf eine stetig wachsende Zahl von Verbänden. In Deutschland gibt es zurzeit etwa 14.000 Verbände, allein 2.000 davon stehen auf der Lobbyliste des Deutschen Bundestages. Die Märkte werden enger und die gezielte Interessenvertretung damit wichtiger. Wie schaffen es Verbände bei diesen „amerikanischen“ Verhältnissen, Mitglieder zu binden und gegebenenfalls neue zu gewinnen? muehlhaus & moers befragte Kommunikationsentscheider deutscher Fachverbände zu ihren Kommunikationsmaßnahmen und Erfahrungen.
Über den Stellenwert interner Kommunikation sind sich Verbandsspitzen einig: 80 Prozent der Befragten halten sie für mindestens genauso wichtig wie externe Kommunikation und Interessenvertretung. 16 Prozent meinen gar, die Mitgliederkommunikation sei wichtiger. Denn: Die Empfänger der internen Kommunikation sind Ressourcengeber und -träger zugleich. Fühlen sie sich nicht ausreichend gehört und vertreten, kann das die Handlungsfähigkeit des Verbandes einschränken.
Der persönliche Kontakt zu den Mitgliedern steht in Verbänden an erster Stelle. Jahrestagungen werden dabei am häufigsten in der Kommunikationsarbeit eingesetzt — 98 Prozent der Verbände geben das an. 44 Prozent schaffen durch Arbeitsgruppen und ähnliche Gremien zusätzliche Austauschplattformen. Fast 30 Prozent veranstalten außerdem Kongresse, Tagungen und Konferenzen sowie Fortbildungen für Mitglieder. Solche dialogischen Maßnahmen bieten neben dem sachlichen Austausch die Möglichkeit, die Beziehungen untereinander und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Das ist besonders vor dem Hintergrund oft heterogener Einzelinteressen innerhalb eines Verbandes wichtig.
Zur gängigen Kommunikationsklaviatur von Verbänden gehören außerdem eine Internetpräsenz (96 Prozent) sowie ein Newsletter für Mitglieder (94 Prozent). Gut drei Viertel der Teilnehmer geben an, Mitgliederbefragungen durchzuführen; die wenigsten — nur 14 Prozent — befragen aber auch Kündiger und verpassen so die Chance, die Verbandsarbeit stärker an den Mitgliederinteressen auszurichten. Etwa 70 Prozent der Befragten arbeiten mit einem Extranet, um schnelle Informationswege sicherzustellen. Eine Onlineplattform bietet zudem den Vorteil, dass alle Mitglieder zur gleichen Zeit die gleichen Informationen erhalten. 58 Prozent der Verbände bieten außerdem eine Mitgliederzeitschrift an. Hierin können verbandsspezifische Themen in der Regel eingehender beleuchtet werden. Ein professionell aufbereitetes Magazin informiert über Marktentwicklungen sowie relevante rechtliche und politische Hintergründe und bietet den Empfängern echten Nutzwert. Damit kommt der Mitgliederzeitschrift eine wichtige Rolle zu, gilt Informationsvorsprung doch als ein wesentlicher Grund für eine Mitgliedschaft.
Die genannten Maßnahmen gehören mittlerweile zum Kommunikationsstandard. Wer seine Mitglieder wirklich binden will, sollte Möglichkeiten schaffen, sich aktiv in den Kommunikationsprozess einzubringen, beispielsweise über dialogische Tools wie Onlineforen oder Themenblogs. Zunehmend wichtig ist es außerdem, den Mitgliedern Mehrwert zu bieten. Das können — je nach Verbandsinteressen und -ausrichtung — Wissens- und Weiterbildungsangebote oder Rabattaktionen mit ausgewählten Anbietern sein. Alle im Rahmen der Studie Befragten meinen, hoher individueller Nutzen ist das entscheidende Motiv für eine Mitgliedschaft in einem Verband. Weitere entscheidende Gründe sind danach ein gutes Verbandsimage (74 Prozent) und die Präsenz des Verbandes in den Medien (62 Prozent) — also die externe Kommunikation. Weder externe noch interne Kommunikationsbestrebungen sind als isolierte Felder zu sehen — beide sollten in ein ganzheitliches strategisches Kommunikationskonzept eingebettet werden. Nur so entsteht ein klares Leitbild nach außen und nach innen.
64 Prozent der Befragten lassen sich bei der externen Kommunikationsarbeit von Agenturen beraten. Davon nutzen allerdings weniger als 40 Prozent die professionelle Unterstützung auch bei der internen Kommunikation — und handeln damit entgegen der Einschätzung, dass gerade dieser Bereich wichtig für die Mitgliederbindung ist. Die Zusammenarbeit mit professionellen Dienstleistern bietet mehrere Vorteile: Zum einen stellen Agenturen ausreichende personelle Ressourcen zur Verfügung. Außerdem können externe Berater bei internen Interessenkonflikten als objektive Betrachter Mehrwert bieten.
Udo Seidel ist Geschäftsführender Gesellschafter der muehlhaus & moers kommunikation gmbh (Berlin, Köln, Wuppertal). Die Agentur gehört zu den etablierten inhabergeführten Kommunikationsagenturen in Deutschland. Als Full-Service-Agentur bietet sie strategische Beratung, Corporate Publishing, Corporate Communications und Public Relations. Gemeinsam mit der Internettochter uscreen entwickelt die Agentur crossmediale Kommunikationskonzepte. muehlhaus & moers ist Mitglied in der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA) und im Forum Corporate Publishing (FCP).