Verbändereport AUSGABE 9 / 2011

Lobbying auf Landesebene

Verbandliche Interessenvertretung gegenüber Landesregierungen und Landtagen

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Nahezu alle Verbände, die in Deutschland Lobbying betreiben, kommen früher oder später in die Situation, die Interessen ihrer Mitglieder auf Landesebene zu vertreten. Dies gilt nicht nur für Landesverbände, deren natürliche Ansprechpartner Landesregierungen und Landtage sind, oder für Verbände, in deren Themenfeldern die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt.

Auch Bundesverbände aus den übrigen Branchen und Bereichen müssen für die Interessen ihrer Mitglieder auf Landesebene aktiv werden. Beispielsweise wenn es darum geht, bei zustimmungspflichtigen Gesetzen Bundesratsmehrheiten anzustreben oder zu verhindern. Ebenso kann Lobbying in einem oder mehreren Bundesländern für einen Bundesverband wichtig sein, wenn eine Initiative im Bundesrat oder bei einer Fachministerkonferenz angestrebt wird.

Wenngleich die grundlegenden Prinzipien des Lobbyings, die beispielsweise auf Bundesebene und in Brüssel gelten, auch bei der Kommunikation mit Landesregierungen und Landtagen gültig sind, gibt es doch beim Lobbying auf Länderebene einige Besonderheiten. Diese müssen Verbandsmanager berücksichtigen, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Vielfältige Koalitionen und Mehrheitsverhältnisse

Die Mehrheitsverhältnisse in den Landtagen unterscheiden sich teilweise deutlich von der Situation auf der Bundesebene. Hier gilt es regionale sowie aus der aktuellen politischen Stimmung resultierende Besonderheiten zu beachten, etwa die ungewöhnliche Stärke einzelner Parteien. Daraus und aus der Rolle der Länder als „Experimentierfeld“ ergibt sich eine Tendenz zu vielfältigen und teilweise ungewöhnlichen Regierungskoalitionen in den Ländern. Die unten stehende Grafik zeigt den derzeitigen Status in den 16 Bundesländern.

Für die Verbände ist es deshalb unabdingbar, stabile persönliche Kontakte zu Abgeordneten aller Fraktionen zu pflegen. Dies mag schwierig sein, insbesondere bei unkonventionell agierenden Parteien, ist aber für eine professionelle Interessenvertretung wichtig.

Länderkooperationen

Auch wenn alle Bundesländer eigenständig handeln und verantwortlich sind, sollte professionelles Lobbying die bestehenden Kooperationen zwischen den Ländern kennen und berücksichtigen. Dies gilt beispielsweise für vielfältige Verflechtungen zwischen Berlin und Brandenburg. Auch Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt streben weitgehende Kooperationen an, wie auch das Saarland und Rheinland-Pfalz. Bestehende Praxis ist seit Langem die Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern.

Zu berücksichtigen sind auch die jeweiligen Regierungssituationen. Klassisch erfolgt hier eine Einteilung in CDU- sowie SPD-geführte Länder, wobei natürlich auch die Koalitionskonstellationen in den Ländern eine Rolle spielen.

Gelingt es Verbänden, die gemeinsamen Interessen solcher Länderkooperationen zu nutzen, ist die Basis für erfolgreiches politisches Lobbying deutlich breiter.

Bundesrat

Länderlobbying, wenn es nicht nur auf die Beeinflussung von Gesetzgebungsverfahren in einem einzelnen Bundesland abzielt, muss zwangsläufig den Fokus auch auf den Bundesrat richten. Dieser ist in die Bundesgesetzgebung in vielfältiger Weise eingebunden. So gehen Gesetzentwürfe der Bundesregierung vor der Einbringung in den Deutschen Bundestag zunächst zur Stellungnahme an den Bundesrat. Zustimmungsgesetze werden nach Verabschiedung im Deutschen Bundestag dem Bundesrat zur Beschlussfassung zugeleitet, in der Regel sind die Länder schon bei der Erarbeitung der Entwürfe durch das jeweilige Bundesministerium eingebunden, formell und informell. Zudem können die Länder über den Bundesrat auch eigene Gesetzesentwürfe einbringen.

Die fachliche Arbeit im Bundesrat wird in Ausschüssen geleistet. Diese werden von den zuständigen Fachbeamten der jeweiligen Landesministerien beschickt, die „Beschlussempfehlungen“ für das Plenum erarbeiten.

Verbände, die auf die Entscheidungen des Bundesrates Einfluss nehmen wollen, müssen daher vielfältig mit den Landesministerien kommunizieren. Auch wenn es durch die Fernsehberichte der freitäglichen Bundesratssitzungen anders erscheinen mag, wissen erfahrene Verbandsmanager, dass nur die wenigsten Beschlussvorlagen von den Ministerpräsidenten im Bundesratsplenum diskutiert werden. In der Regel ist die Abstimmung im Vorfeld so weit gediehen, dass die Vorlagen ohne Aussprache angenommen werden. Nur bei politisch brisanten Themen gibt es Diskussionen im Plenum, die oft, aber nicht immer, zwischen den SPD-regierten Ländern (sogenannte A-Länder) und den CDU-regierten Ländern (sogenannte B-Länder) streitig behandelt werden. Dabei sehen die Koalitionsverträge in den Ländern in der Regel vor, dass sich ein Bundesland bei Abstimmungen im Bundesrat enthält, wenn die Koalitionspartner unterschiedliche Positionen vertreten. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen im Übrigen, dass die starke Blockbildung in sogenannte A-Länder und B-Länder immer mehr von den spezifischen Einzelinteressen der Länder überlagert wird.

Landesministerkonferenzen

Zur Koordination der Arbeit der Bundesländer untereinander und zur Kommunikation mit dem Bund tagen die jeweiligen Minister in der Regel zweimal im Jahr als Fachministerkonferenz (z. B. Gesundheitsministerkonferenz, Kultusministerkonferenz, Verkehrsministerkonferenz). Den meisten dieser Konferenzen arbeiten feste Gremien zu, die unterhalb der Fachministerkonferenzen angesiedelt sind.

Auch wenn diese Fachministerkonferenzen keine formalen Beschlussgremien mit Gesetzgebungskompetenz sind, können sie für das verbandliche Lobbying sehr nützlich sein.

Gelingt es beispielsweise, ein für einen Verband wichtiges Thema über ein Bundesland auf die Tagesordnung einer dieser Fachministerkonferenzen zu setzen und einen Beschluss herbeizuführen, ist das Thema wirkungsvoll auf der politischen Agenda platziert. Dies wiederum lässt sich für weitere Lobbyaktivitäten nutzen. Auch kann ein Verband, dem dies gelungen ist, auf eine deutlich gestiegene Medienresonanz für sein Anliegen hoffen.

Parteitage, Wahlprogramme und Koalitionsverträge

Wie im Bund wird die Politik in den Ländern von den Parteien gestaltet. Landesparteitage entscheiden über die grundlegende Programmatik, Wahlparteitage über die Wahlprogramme. Diese sind wiederum die Grundlage für spätere Koalitionsverhandlungen, deren Ergebnisse im Koalitionsvertrag festgeschrieben werden.

Verbände, die ein professionelles Lobbying betreiben, begleiten diese Prozesse aktiv. Sie warten also nicht, bis die neu etablierte Landesregierung Gesetzentwürfe vorlegt, sondern versuchen, die Interessen ihrer Mitglieder bereits in die Programmdiskussionen einzubringen. Von besonderer Bedeutung sind die Koalitionsverhandlungen, insbesondere deren Anfangsphase, wenn Facharbeitsgruppen über die einzelnen Politikfelder beraten. Die Einbringung politischer Ziele von Verbänden in dieser Phase erleichtert das Lobbying in der folgenden Legislaturperiode erheblich. Dies gilt auch im negativen Sinne, indem die Aufnahme bestimmter Punkte in den Koalitionsvertrag verhindert wird.

Möglich ist eine solche Einflussnahme natürlich nur über eine gute fachliche Beratung der Mitglieder der Arbeitsgruppen, die die Koalitionsverhandlungen führen. Dies setzt enge persönliche Beziehungen zu den Parlamentariern voraus, die über eine längere Zeit entwickelt und gepflegt wurden. Wie in allen Bereichen der politischen Kommunikation gilt: Lobbying ist ein Langstreckenlauf, kein Sprint.

Eine ausgezeichnete Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, bieten die Landesparteitage. Dort kann man, fast hierarchiefrei, mit Abgeordneten und Regierungsmitgliedern ins Gespräch kommen, in den Foyers, während der Pausen und bei den geselligen Abendveranstaltungen. Der Zugang zu Parteitagen als Gast steht jedem Verbandsmanager offen, erfordert aber eine vorherige Akkreditierung.

Unterstützung durch die Bundesländer beim Lobbying in Brüssel

Ein völlig anderer, häufig übersehener Aspekt des Länderlobbyings ist die mögliche Unterstützung verbandlicher Lobbytätigkeiten durch interessierte Bundesländer in Brüssel. Dabei geht es weniger um aktives Lobbying durch die Bundesländer, obwohl die Vertretung der Bundesrepublik bei Themen, die allein Gesetzgebungsbereiche der Länder betreffen, von diesen wahrgenommen werden. Sehr hilfreich und nützlich kann es in jedem Fall sein, die Landesvertretungen, die alle Bundesländer in Brüssel unterhalten, in die politische Kommunikation auf europäischer Ebene einzubinden. Dies kann sich auf die Beobachtung politischer Prozesse, Beurteilungen und Einschätzungen ebenso beziehen wie auf aktives Kontaktmanagement. Auch bieten die Landesvertretungen häufig eine gute Plattform für Veranstaltungen, die Verbände in Brüssel durchführen wollen.

Geringere Spezialisierung

Wegen der geringeren Zahl von Abgeordneten in den Landtagen und der größeren Anzahl von Fraktionen sind diese in der Regel deutlich kleiner als im Deutschen Bundestag. Dies führt zu einer geringeren Spezialisierung der Abgeordneten. So hat ein Parlamentarier nicht selten eine Vielzahl von Fachgebieten zu betreuen, was es ihm nicht ermöglicht, in alle Themenfelder vertieft einzudringen. Auch haben bei kleineren Fraktionen häufig selbst die Fraktionsvorsitzenden und parlamentarischen Geschäftsführer noch die Verantwortung für einzelne Politikfelder.

Für den Aufbau und die Pflege von Netzwerken für Verbände ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, sich breiter aufzustellen und möglicherweise über verschiedene Fachgremien unterschiedliche Kontakte zu den gleichen Abgeordneten zu unterhalten.

Verhältnis von Exekutive und Legislative

Verglichen mit dem Deutschen Bundestag und den dortigen Arbeitsbedingungen der Abgeordneten sind sowohl die Abgeordnetenbüros als auch die Fraktionen personell erheblich schwächer ausgestattet. Die Bedingungen in den einzelnen Bundesländern sind dabei je nach Größe noch einmal sehr unterschiedlich. Sind die Landtage in großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern noch ähnlich strukturiert wie der Deutsche Bundestag, gilt dies für die Bürgerschaften in Hamburg und Bremen, das Abgeordnetenhaus in Berlin und den Landtag im Saarland nur sehr eingeschränkt. Diese Landtage werden häufig als „Feierabendparlamente“ bezeichnet, weil die Abgeordneten in der Regel außerparlamentarisch berufstätig sind. In der Praxis bedeutet dies in allen Landtagen, dass die Abgeordnetenbüros häufig nicht durchgängig besetzt sind und der einzelne Parlamentarier in der Regel nur sehr wenige oder gar keine wissenschaftlichen Mitarbeiter hat. Dies kann zum Teil durch die Fraktionsgeschäftsstellen ausgeglichen werden, aber auch hier ist die Personaldecke dünn. Aus diesem Grund sind Abgeordnete der Regierungsfraktionen stark auf die Zuarbeit der Beamten in den jeweiligen Ministerien angewiesen. Die Oppositionsfraktionen haben diese Möglichkeit naturgemäß kaum.

Verbände sollten deshalb unbedingt gute Kontakte zur Ministerialbürokratie aufbauen und pflegen. Bei Abgeordneten können sie wegen der fehlenden Stäbe durch fachliche und sachliche Zuarbeit punkten. Sauber erstellte, fundierte Arbeitspapiere werden von diesen geschätzt und ermöglichen den Aufbau positiver persönlicher Arbeitsbeziehungen.

Informelle Verschränkung der politischen Ebenen

Landesregierungen und Landesparlamente sind relativ durchlässige politische Institutionen. So ist ein Landtagsmandat für viele ambitionierte jüngere Abgeordnete häufig eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einem Sitz im Bundestag. Auf der anderen Seite werden nicht selten Bundestagsabgeordnete nach erfolgreichen Landtagswahlen ihrer Partei zu Landesministern berufen. Seltener, aber nicht unüblich, ist der Wechsel von Landesministern von einem Bundesland in ein anderes oder auf die Bundesebene.

Sehr eng sind in der Regel auch die Verbindungen von Landtagsabgeordneten zu den Landkreisen und Kommunen. Hier sind Doppelmandate nicht selten. So gehören viele Landtagsabgeordnete auch den Kreistagen oder dem Rat ihrer Stadt an, manche üben auch das Amt des Landrates oder des Bürgermeisters aus.

Verbände sollten deshalb ihre Netzwerke in die Politik breit anlegen und langfristig pflegen. So kann sich das gute persönliche Verhältnis zu einem Bundestagsabgeordneten beim Lobbying auf Landesebene auszahlen, wenn dieser Abgeordnete als Minister in ein Landeskabinett berufen wird. Andersherum können Verbände davon profitieren, wenn sie einen Landtagsabgeordneten mit seriöser Zuarbeit unterstützt haben und dieser später ein Bundestagsmandat bekommt.

Darüber hinaus können Verbände bei Kenntnis dieser Zusammenhänge im Lobbying oft „über Bande“ spielen. Ist beispielsweise der Vorsitzende einer Landespartei Bundesminister, wie derzeit bei der CDU (BM Röttgen) und der FDP (BM Bahr) in Nordrhein-Westfalen, können Landesinteressen in den jeweiligen Fachgebieten des Ministers (Umwelt/Gesundheit) Berliner Entscheidungen mit beeinflussen; während andererseits die Kompetenz und das fachliche Interesse der Minister bei entsprechenden Fachfragen im jeweiligen Bundesland genutzt werden können.

Bei den Abgeordneten, die auch Kreistags- oder Stadtratsmandate haben, eröffnen sich vielfältige Zugänge. Auch können diese leichter für ein Verbandsanliegen gewonnen werden, wenn dieses eine kreis- oder kommunalpolitische Dimension hat.

Fazit

Viele bekannte Grundregeln des Lobbyings gelten auch auf der Landesebene, so etwa die Bedeutung persönlicher Kontakte zu Politikern, der frühzeitigen Intervention und der Eigeninitiative etc. Es gibt jedoch eine Reihe spezifischer Bedingungen, die Verbände für die erfolgreiche Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder beachten müssen. Spielt das Lobbying auf Landesebene dauerhaft eine Rolle, lohnt es sich für Verbände, eigene Netzwerke aufzubauen und zu pflegen sowie ein spezielles Monitoring zu betreiben. Ist Landeslobbying dagegen nur punktuell wichtig, kann es effizienter sein, eine Public-Affairs-Agentur zu beauftragen, die die landesspezifischen Prozesse kennt und über die einschlägigen Netzwerke verfügt.     

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Autor/in

Hubert Koch

ist Public-Affairs-Experte und Lobbyist.  Dr. Koch war selbst zehn Jahre Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums eines Industrieverbandes. Mit der Dr. Koch Consulting e.K. unterstützte er viele Jahre Verbände bei der Entwicklung und Durchführung von Lobbyprojekten auf nationaler und europäischer Ebene.

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