Verbändereport AUSGABE 1 / 2008

Kommentar: Kolping-Entscheidung des BGH

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Am 10. Dezember 2007 fand vor dem II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die mündliche Verhandlung in der Revisionssache „Kolping“ (Az.: II ZR 239/05) statt. In der mündlichen Verhandlung gab der Vorsitzende, Professor Goette, die vorläufige Rechtsauffassung in der Sache wieder. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat der Senat ein Urteil verkündet, welches im Ergebnis der Revision der „Kolping-Organisation“ stattgegeben hat. Der Senat hat – diametral anders als das OLG Dresden in der Vorinstanz – in dem Fall eine Haftung der Mitglieder des Vereins für dessen Verbindlichkeiten abgelehnt.

Ausgangspunkt sämtlicher Betrachtungen zur Mitgliederhaftung müsse das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip sein. Nach dem Trennungsprinzip sind im Bereich von juristischen Personen — eben im Unterschied zu Personenhandelsgesellschaften (OHG/KG) — die hinter der juristischen Person stehenden Gesellschafter/Mitglieder von den Rechtsverhältnissen auf der Ebene der juristischen Person getrennt zu sehen. Dies bedeutet, dass im Grundsatz etwa Verbindlichkeiten der juristischen Person gerade nicht auf die hinter der juristischen Person stehende Gesellschafterebene/Mitglieder-ebene haftungsmäßig durchschlagen. Von diesem Grundsatz sei auch bei Vereinen und in „Vereinskonzernen“ im Regelfall auszugehen. ^

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur dann anzunehmen, wenn das Haftungskonzept, welches sich hinter dem Trennungsprinzip verbirgt, offensichtlich in gläubigerbenachteiligender Weise missbraucht wird. Hier bezog er sich ausdrücklich auf die jüngsten Ausführungen des II. Zivilsenats zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach dem neuen Haftungskonzept „Trihotel“ (BGH-Urteil 16.07.2007, II ZR 3/04).

„Segeln unter falscher Flagge“

Im vorliegenden Fall seien jedoch die Voraussetzungen für die Haftung nicht dargetan; denken könnte man allenfalls mit Blick auf die unerlaubten wirtschaftlichen Aktivitäten an eine Haftung wegen Setzung eines falschen Rechtsscheins durch Auftreten als Idealverein; der Senat bezeichnete dies als „Segeln unter falscher Flagge“. In dem zu entscheidenden Fall kann es dahinstehen, ob eine solche Haftung überhaupt existiert, jedenfalls ist sie im vorliegenden Fall evident abzulehnen, da sich die Klägerseite (Immobilienleasinggesellschaft) gerade nicht auf dieses Haftungsinstitut berufen könne. Dies begründete er damit, dass jedenfalls für die Klägerseite immer ersichtlich gewesen sei, hier mit einer Vereinsorganisation Verträge abzuschließen, die evident außerhalb des idealtypischen Satzungszweckes mit erheblicher wirtschaftlicher Zielsetzung arbeitete. Immerhin lagen der Klägerseite vor Abschluss des Leasingvertrages sämtliche wirtschaftlichen Daten in Gestalt der Jahresabschlüsse vor, aus denen man auch die entsprechenden Rückschlüsse ziehen konnte.

Für eine Mitgliederhaftung, wie sie das Oberlandesgericht Dresden annimmt, sieht der Senat keinen Raum. Es gibt keine Pflicht von Vereinsmitgliedern, verbotenen wirtschaftlichen Aktivitäten entgegenzusteuern. Hier sieht man im bürgerlichen Recht schon gar keine Regelungslücke, die über richterrechtlich geprägte Haftungsfiguren auszufüllen sei. Konkret wurde ausgeführt, dass die Sanktionen, die das Gesetz für eine verbotene wirtschaftliche Aktivität eines Idealvereins vorsieht, absolut ausreichend seien. Als solche Sanktionen nannte der Senat namentlich § 43 Absatz 2 BGB und das dort geregelte Verfahren zur Entziehung der Rechtsfähigkeit eines eingetragenen Idealvereins wegen verbotener wirtschaftlicher Aktivität. Des Weiteren bezog er sich auf die Vorschrift des § 159 FGG.

Entzug der Rechtsfähigkeit
ex nunc

Nach den gesetzlichen Bestimmungen wirkt der Entzug der Rechtsfähigkeit ex nunc, also nur für die Zukunft. Für in der Vergangenheit verbotenes Tun könne sich der Verein noch auf seine Rechtsfähigkeit und damit im Ergebnis auf das Trennungsprinzip berufen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein Verein als rechtsfähiger Verein ausgelöst und existiert als nicht rechtsfähiger Verein weiter. Hier greifen dann die Vorschriften von § 54 BGB, der das Haftungskonzept personeller sieht und es damit zumindest nach dem Gesetzeswortlaut ermöglicht, auf die Mitglieder persönlich zuzugreifen.

In einer Randbemerkung führte der Vorsitzende aus, dass es nach Meinung des Senats jedenfalls nicht unumstritten sei, dass reine Holdingvereine von vorn-herein eine verbotene wirtschaftliche Tätigkeit ausübten. Dies war die Reaktion auf den Vortrag des Rechtsvertreters der klagenden Fondsgesellschaft, welcher ausführte, dass der beklagte Verein in einer Mitgliederversammlung 1996 ausdrücklich beschlossen hatte, reine Holdingfunktionen auszuüben und damit den bisherigen ideellen Satzungszweck im Grunde aufzugeben. Weiter vertieft wurde diese Problematik jedoch nicht, da diese nicht entscheidungserheblich war.

Fazit

Nach der Revision hat das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden keinen Bestand und wurde aufgehoben. Dies deshalb, weil der Senat für den Haftungsdurchgriff auf Mitglieder im vorliegenden Fall keinen Raum sieht. Der Senat hat allerdings wirtschaftliche Aktivitäten eines Vereins außerhalb des Nebenzweckprivilegs als unerlaubt qualifiziert und hierfür auf die Sanktionen von § 43 Absatz 2 BGB bzw. § 159 FGG hingewiesen. Diese Sanktionen bestünden zu Recht und würden — nach entsprechender Verhängung — für die Zukunft den Weg zu einer Mitgliederhaftung jedenfalls systematisch über § 54 BGB eröffnen. (RW)

Die beiden Vorschriften lauten:

„§ 43 BGB Entziehung der Rechtsfähigkeit

(1) Dem Verein kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er durch einen gesetzwidrigen Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch gesetzwidriges Verhalten des Vorstands das Gemeinwohl gefährdet.

(2) Einem Verein, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.

(3) (weggefallen)

(4) Einem Verein, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung bestimmten Zweck verfolgt.“

„§ 159 FGG

(1) Auf das in maschineller Form als automatisierte Datei geführte Vereinsregister findet § 125 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 sowie Abs. 5 entsprechende Anwendung. Auf die Eintragungen in das Vereinsregister finden die Vorschriften der §§ 127 bis 130, 142, 143, auf das Verfahren bei der Verhängung von Zwangsgeld gegen Mitglieder des Vorstandes oder Liquidatoren eines eingetragenen Vereins finden die Vorschriften der §§ 127, 132 bis 139 entsprechende Anwendung.

(2) Das Amtsgericht hat die Eintragung eines Vereins oder einer Satzungsänderung der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass es sich um einen Ausländerverein oder eine organisatorische Einrichtung eines ausländischen Vereins gemäß den §§ 14 und 15 des Vereinsgesetzes handelt.“

Der in Bezug genommene § 142 FGG lautet:

„§ 142 FGG

(1) Ist eine Eintragung in das Handelsregister bewirkt, obgleich sie wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war, so kann das Registergericht sie von Amts wegen löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerkes.

(2) Das Gericht hat den Beteiligten von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu bestimmen.

(3) Auf das weitere Verfahren finden die Vorschriften des § 141 Abs. 3, 4 Anwendung.“

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Autor/in

Ralf Wickert

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- und Arbeitsrecht. Er ist Gesellschafter der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft mit den Tätigkeitsschwerpunkten gesellschaftsrechtliche, arbeits- und steuerrechtliche Beratung von Unternehmen und Verbänden. Autor mehrerer Fachbücher, u. a. des Praxishandbuches Verbandsrecht und des Praxishandbuches Datenschutz in Verbänden.

http://www.dornbach.de