Bei der Umsatzbesteuerung von Fortbildungsveranstaltungen bahnt sich ab 2013 eine grundsätzliche gesetzliche Änderung an, sofern der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BR-Drs. 302/12) Gesetz wird. Gegenwärtig befindet sich der Entwurf noch im Gesetzgebungsverfahren, das voraussichtlich im Herbst dieses Jahres abgeschlossen wird.
Es gibt in der großen Verbändewelt kaum einen Verband, der nicht in irgendeiner Form Seminare oder andere Fortbildungsveranstaltungen durchführt. Nach dem bisher geltenden Umsatzsteuerrecht (§ 4 Nr. 22 a UStG) waren solche Veranstaltungen von Berufskammern, Berufsverbänden oder gemeinnützigen Körperschaften umsatzsteuerbefreit, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Seminareinnahmen überwiegend zur Deckung der Veranstaltungskosten verwendet werden.
Wenn der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BR-Drs. 302/12) Gesetz wird, ergäben sich grundlegende Änderungen.
Der bisherige § 4 Nr. 22 a UStG soll komplett gestrichen werden
Die zentrale Vorschrift über die Umsatzbefreiung von Seminaren soll nach dem Gesetzentwurf gestrichen werden. Diese für die Verbände wichtige Vorschrift lautet gegenwärtig noch wie folgt:
(Umsatzsteuerbefreit sind) …
„die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden“
Diese – möglicherweise nicht europakompatible – Vorschrift sollte der Volksbildung dienen und stammt noch aus der Zeit, in der es keine Europäische Gemeinschaft gab. Inzwischen bildet jedoch die europäische Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aus dem Jahr 2006 eine unionsrechtlich bindende Rahmenvorschrift, die durch die nationale Gesetzgebung in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Zudem hat der Europäische Gerichtshof inzwischen gewisse Eckpunkte für die Umsatzsteuerbefreiung solcher Seminare gesetzt. Der deutsche Gesetzgeber will nun diese Vorgaben ab 2013 in das deutsche UStG umsetzen.
Der bisherige § 4 Nr. 21 UStG soll abgeschafft und durch eine Neuregelung ersetzt werden.
Diese Vorschrift hat bisher auch für Verbände eine gewisse Bedeutung. Sie sieht u. a. eine Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen allgemein bildender oder berufsbildender Einrichtungen vor,
„wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, daß sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“
Diese Vorschrift war bisher nach Auffassung der Finanzverwaltung recht missbrauchsanfällig, weil die Landesbehörden diese Bescheinigungen angeblich recht großzügig und ohne weitere Nachprüfung erteilt haben.
So sieht die geplante Neuregelung aus
Nach dem Gesetzentwurf soll in einem neu gefassten § 4 Nr. 21 UStG die Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichts- und Bildungsleistungen umfassend und abschließend neu geregelt werden. Damit entfällt der bisherige § 4 Nr. 22 a UStG völlig. Die vorgesehene Neuregelung hat folgenden Wortlaut:
(Umsatzsteuerbefreit sind) …
„Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung (Bildungsleistungen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, und andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung sowie Bildungsleistungen von Privatlehrern.
Eine vergleichbare Zielsetzung ist gegeben, wenn die Leistungen der Einrichtung geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten zu vermitteln.
Nicht befreit sind Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen.
Erbringt eine andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung Leistungen im Sinne des Satzes 1, die auch der Freizeitgestaltung dienen können, sind diese nur dann befreit, wenn die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden“
Berufsverbände und gemeinnützige Körperschaften werden in dieser Vorschrift – im Gegensatz zu Einrichtungen des öffentlichen Rechts – nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Sie können wohl unter den neuen Begriff „andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung“ subsumiert werden. Sie verfolgen eine „vergleichbare Zielsetzung“, wenn ihre diesbezüglichen Leistungen „geeignet sind, den Teilnehmern spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln“. Jedoch soll sich diese Zielsetzung offenbar ausschließlich auf die in Satz 1 der Vorschrift genannten Bildungsleistungen beschränken, also Aus- und Fortbildung und berufliche Umschulung. Diesen Anforderungen dürften die von den Verbänden üblicherweise angebotenen Seminare zu berufsbezogenen Fortbildungsthemen im Allgemeinen wohl genügen.
Auslegungshilfe durch die amtliche Gesetzesbegründung
Nähere Einzelheiten zur Auslegung der geplanten Neuregelung lassen sich der amtlichen Gesetzesbegründung entnehmen (BR-Drs. 302/12, S. 118 ff.). Folgende Ausführungen in der Gesetzesbegründung sind insbesondere für Verbände interessant:
Durch die Steuerbefreiung von Bildungsleistungen der begünstigten Unternehmer soll gewährleistet werden, dass der Zugang zu den bezeichneten Leistungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn diese Tätigkeiten der Mehrwertsteuer unterworfen wären.
Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung umfassen Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür nach den unionsrechtlichen Vorgaben unerheblich. Steuerbegünstigte Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung kann auch im Rahmen von Tagesveranstaltungen erfolgen.
Auf die Ziele der Personen, welche die Bildungsleistungen in Anspruch nehmen, kommt es nicht an.
Neben den Bildungsleistungen sind auch die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen nach § 4 Nummer 21 Satz 1 UStG befreit.
Lieferungen von Lehr- und Lernmaterial sind mit einer Bildungsleistung nicht zwangsläufig eng verbunden. Sie sind nur insoweit steuerfrei, als es sich um unselbstständige Nebenleistungen handelt. Eine Nebenleistung liegt in diesen Fällen vor, wenn das den Teilnehmern überlassene Lehr- und Lernmaterial inhaltlich den Unterricht ergänzt, zum Einsatz im Unterricht bestimmt und von dem die Bildungsleistung erbringenden Unternehmer selbst entworfen ist sowie bei Dritten nicht bezogen werden kann.
§ 4 Nummer 21 Satz 1 Alternative 3 UStG befreit Bildungsleistungen anderer Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung. Eine vergleichbare Zielsetzung ist nach § 4 Nummer 21 Satz 2 UStG gegeben, wenn die Leistungen der Bildungseinrichtung geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Als Nachweis hierfür können der Lehrplan, die Lehrmethode, die Qualifikation der eingesetzten Lehrkräfte und des Lehrmaterials herangezogen werden.
Liegen die Voraussetzungen des § 4 Nummer 21 Satz 2 UStG nicht vor, ist davon auszugehen, dass die Einrichtung die erforderlichen Inhalte und Merkmale nicht aufweist oder zu geringe Anforderungen an die Ausbildung stellt.
Nicht von der Vorschrift befreit sind nach § 4 Nummer 21 Satz 3 UStG Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen, da diese nicht zu begünstigten Leistungen im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zählen. Durch die Abgrenzung soll sichergestellt werden, dass nur – wie vom Unionsrecht vorgegeben – Bildungsleistungen und keine Leistungen im Zusammenhang mit der Allgemeinbildung im weiteren Sinn von der Steuer befreit werden.
Maßgebend für die Zuordnung, ob eine Leistung vorliegt, die der reinen Freizeitgestaltung dient, ist die allgemeine Verkehrsauffassung im Einzelfall. Eine reine Freizeitgestaltung kann vorliegen, wenn die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht durch Vertiefung und Fortentwicklung zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit genutzt werden können. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer reinen Freizeitgestaltung können sich aus dem Teilnehmerkreis oder der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben.
Die nach dem derzeitigen § 4 Nr. 21 UStG für eine Befreiung derartiger Leistungen noch erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, entfällt. Die Finanzbehörden prüfen das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale in eigener Zuständigkeit.
Da die unionsrechtlichen Vorgaben nunmehr in dem vorgeschlagenen § 4 Nummer 21 UStG umfassend umgesetzt wird, entfällt die Grundlage für den bisherigen § 4 Nummer 22 Buchstabe a UStG. Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbands dienen, durchgeführt werden, sind deshalb künftig nur noch unter den Voraussetzungen des geänderten § 4 Nummer 21 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Vorläufiges Fazit
Ob die vorgeschlagene Gesetzesänderung in der vorstehenden Fassung ab 1. Januar 2013 in Kraft treten wird oder ob es noch Änderungen geben wird, steht augenblicklich noch nicht fest. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme keine diesbezüglichen Änderungsvorschläge zum vorliegenden Gesetzesvorschlag der Bundesregierung gemacht. Allerdings könnten noch Änderungsvorschläge vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages eingebracht werden.
Im Einzelnen lassen sich die Konsequenzen der neuen Regelung – sofern sie denn in Kraft treten sollte – noch nicht abschließend beurteilen. Auf den ersten Blick scheint es für die Verbände keine einschneidenden Veränderungen zu geben, abgesehen davon, dass es künftig für die Steuerbefreiung nicht mehr darauf ankommen soll, ob die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.
Diese Änderung ist zweischneidig, weil damit künftig kein gezielter Eintritt in die Umsatzbesteuerung (und damit der Vorsteuerabzug) durch eine entsprechende Gestaltung des Einnahmen-/Kostenverhältnisses mehr möglich ist. Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht, die für Verbände mit vorsteuerabzugsberechtigten Mitgliedern vorteilhaft wäre, ist leider nach wie vor nicht vorgesehen.