Verbändereport AUSGABE 3 / 2005

Intensiver Erfahrungsaustausch beim Verbände-Forum in Arosa

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Seit 25 Jahren lädt das Verbandsmanagement Institut (VMI) der Universität Freiburg/ Schweiz im Frühjahr zum Internationalen Verbände-Forum ein. Erstmals konnten in diesem Jahr aus Kapazitätsgründen nicht alle Interessierten berücksichtigt werden. Dies zeugt für den hervorragenden Ruf der Veranstaltung und spricht für die Programmgestaltung: Eine breite Themenpalette mit zwei hoch aktuellen Schwerpunkten in den Bereichen „Marketing“ und „Fusion“.

Hervorragende Schneeverhältnisse in den Alpen — wer unter solchen Vor-aussetzungen für ein paar Tage zur Weiterbildung nach Arosa fährt, bekommt bestimmt die eine oder andere spitze Bemerkung mit auf den Weg. Wie falsch solche Unterstellungen im Zusammenhang mit dem Internationalen Verbände-Forum sind, zeigte sich im gediegenen Waldhotel in Arosa so deutlich, dass es schon fast befremden konnte: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums zeichnen sich dadurch aus, dass sie schon vor acht am Frühstücksbuffet sind, den ganzen Vormittag und den halben Nachmittag im Konferenzsaal verbringen und von der ersten Tasse Kaffee bis zum Schlummertrunk nach Mitternacht an der Bar praktisch nur ein Thema kennen: Ihre Arbeit.

Sie sind nicht nur engagiert und hoch motiviert, die rund 60 Verbandsmanager aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz, die am Verbände-Forum teilnehmen, sie sind auch anspruchsvoll und kompetent. Wer vor diesem Publikum auftritt, muss inhaltlich und formal etwas zu bieten haben. Referentinnen und Referenten sehen sich mit Fragen und Ergänzungen konfrontiert, die von großer Erfahrung und solider Verankerung im Verbände-Alltag zeugen.

Der intensive Dialog unter Praktikern, der rege Austausch zwischen Praxis und Theorie, sie sind am Internationalen Verbände-Forum des VMI für Teilnehmende und Referierende Härtetest und Inspirationsquelle zugleich. Ein Beispiel für viele: „Mit dieser Frage haben wir uns noch nicht ausführlich befasst“, sagte der VMI-Direktor, worauf prompt die Aufforderung folgte: „Dann nehmen Sie das doch bitte mal als Hausaufgaben fürs nächste Jahr mit!“ Ein neuer Auftrag an die Professoren und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter ist erfolgt. Die Ergebnisse werden sich wohl in einiger Zeit in einer der zahlreichen Publikationen des Universitätsinstituts wiederfinden. Im letzten Jahr sind alleine sechs neue Bücher veröffentlicht worden. Dreimal im Jahr erscheint zudem die Fachzeitschrift Verbands-Management (VM).

Marketing empirisch

Je stärker ausgeprägt und je moderner das Marketing-Verständnis bei einem Verband ist, desto erfolgreicher ist dieser Verband. Dies ist das Ergebnis einer eben erst abgeschlossenen und daher noch nicht veröffentlichten empirischen Studie, die Professor Bernd Helmig, der neue Direktor des VMI vorstellte. 155 Schweizer Verbandsmanager der obersten Führungsebene hatten in einer schriftlichen Befragung Auskunft gegeben über Begriffsverständnis und Einsatz von Marketing in ihrer Praxis. Die Studie zeigt, dass das Marketing-Verständnis der Befragten stark ausgeprägt ist. Im Vordergrund steht dabei das Relationship-Marketing. Auf die breiteste Zustimmung stieß bei den Antwortenden die Feststellung, beim Marketing gehe es in ihrer Organisation um „Aufbau und Erhalt langfristiger Beziehungen mit den Mitgliedern/Kunden/Stakeholdern“.

Ein beträchtliches Entwicklungspotenzial ortet die Studie im Bereich Marktforschung: Nur zwei von fünf Verbänden werten sehr oft oder oft existierendes Datenmaterial zur Entscheidungsfindung aus. Noch geringer ist der Stellenwert der primären Marktforschung: Nur ein Drittel der Befragten können sich bei ihren Entscheiden oft oder sehr oft auf eigenständig erhobenes Datenmaterial stützen. Nicht völlig überraschend waren für eine Mehrheit im Publikum die Studienergebnisse, die Prof. Helmig zum Bereich Leistungspolitik präsentierte: Neue, verbesserte Dienstleistungen und Produkte ins Angebot aufzunehmen fällt in Verbänden wesentlich leichter als der Verzicht auf weniger gefragte Angebote. Die Erkenntnis löste im Publikum je nach persönlichem Erfahrungshintergrund ein mildes Lächeln, ein Achselzucken oder einen tiefen Stoßseufzer aus.

Marketing praktisch

Mit dem Schwerpunkt „Marketing“ gab das Verbände-Forum einem Thema Raum, das in einer Mehrheit der Verbände und Nonprofit-Organisationen eine sehr hohe Priorität hat. Die traditionelle Bindung an einen Verband hat nicht mehr die Bedeutung, die sie noch vor ein paar Jahren hatte. Umso wichtiger ist es, dass sich eine Organisation mit Dienstleistungen und Produkten profiliert, aus denen die Mitglieder einen direkten Nutzen ziehen können.

Das Internationale Verbände-Forum des VMI bemüht sich seit jeher um ein Angebot mit hohem direktem Nutzwert für die Teilnehmenden. Neben Erkenntnissen aus der Forschung spielen dabei vor allem Erfahrungsberichte aus der Praxis eine wichtige Rolle. Mit Professor Karl Robl vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und Wolfgang Strauss, dem Hauptgeschäftsführer der Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbe referierten in Arosa zwei Praktiker, die auf eine langjährige Praxis im Bereich Marketing zurückblicken können.

Karl Robl stellte zwei erfolgreiche Marketingkampagnen des Deutschen Baugewerbes ins Zentrum seiner Ausführungen: „Natürlich wohnen — mit Fliesen vom Fachmann“ und „Aktion Massiv Bauen“. In beiden Fällen ging es darum, einen Fachzweig im harten Systemwettbewerb bundesweit besser zu positionieren. Eine Aufgabe, die beträchtliche Mittel erfordert. Die Fliesen-Kampagne zum Beispiel konnte nur dank der engen Zusammenarbeit mit der Fliesenindustrie Deutschlands, Spaniens und Italiens so breit lanciert werden. Die Partner stellten namhafte Beiträge zur Verfügung, nachdem sie vom Nutzen einer Kampagne überzeugt werden konnten. Die abschliessende Auswertung der Aktion zeigte, dass die Position der Fliese auf dem Baumarkt deutlich verbessert werden konnte. Ein Gewinn, der allen Beteiligten zugute kam, vom kleinen Fachbetrieb bis zum organisierenden Verband.

Wolfgang Strauss schöpft aus über dreißig Jahren Erfahrung an der Verbandsspitze und zeichnet für zahlreiche langfristige, aufwändige Kampagnen verantwortlich. Ein Beispiel: Insgesamt mehr als 12 Millionen Euro wurden in zwei Etappen zwischen 1988 und 2002 in die Kampagne „ZimmerMeisterHaus“ gesteckt. Der Marktanteil konnte dank dieser Offensive innert 13 Jahren von 0,5 Prozent auf 18,3 Prozent gesteigert werden. Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg solcher Marketingmaßnahmen ist gemäß Strauss Professionalität von A bis Z. So wie es für einen anständigen Dachstockausbau einen guten Zimmerer braucht, so braucht es für eine Marketing-Offensive die richtigen Profis.

Fusionen en gros

In Zeiten des Spardrucks bei Mitgliedern und Öffentlicher Hand sind Fusionen vielerorts eine verlockende Option für Verbände. Man verspricht sich eine höhere Professionalität, mehr Effizienz und Schlagkraft, und das alles bei insgesamt niedrigeren Kosten für die Mitglieder. Doch Fusionen lassen sich nicht mir nichts dir nichts aus dem Ärmel schütteln. Das ist die Quintessenz des Referates von Dr. Charles Giroud, geschäftsführender Partner von B’VM, einer in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätigen Beratergruppe für Verbands-Management. Seine Ausführungen basierten auf langjähriger Erfahrung aus zahlreichen Fusionsprozessen, erfolgreichen und gescheiterten.

Die ersten Klippen sind schon ganz am Anfang zu umschiffen. Die Beteiligten müssen sich bewusst sein, dass ein Zusammenschluss immer auch mit Einbußen verbunden ist: Die einzelnen Partner verlieren Autonomie, Würdenträger verlieren Einfluss und Macht. Nicht zuletzt muss man oft auch Abschied nehmen von einer „Betriebskultur“, von Einstellungen, Gewohnheiten, Feindbildern.

Für den Fusionsprozess selber zeichnete Giroud zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege: „Bombenwurf“ und „organisierter Prozess“. Während bei der ersten Variante der schnell kommunizierte Entscheid zur Zusammenarbeit im Vordergrund steht, geht es bei der zweiten um eine längere Phase abgestimmter gemeinsamer Organisationsentwicklung. Für börsennotierte Unternehmen kommt aus Gründen der Gleichbehandlung aller Aktionäre in der Regel nur der Bombenwurf in Frage. Wer nicht solchen Zwängen unterworfen ist, sollte sich gemäß Giroud wenn immer möglich genügend Zeit nehmen. Für Entwicklung und Umsetzung einer Fusion ist mit anderthalb bis zweieinhalb Jahren zu rechnen, eine Investition, die sich schon sehr kurzfristig bezahlt machen kann.

Fusion en détail

Im Anschluss an den fusionserprobten Berater vermittelte mit Dr. Andres Altwegg vom Verband Schweizerischer Baumschulen, ein erfahrener Verbandsmanager, Erfahrungen aus einem laufenden Fusionsprozess. Fünf Organisationen aus der Gärtnerei- und Baumschulbranche bekundeten vor rund zwei Jahren ihr grundsätzliches Interesse an einem Zusammenschluss. Seither ist man konkret an der Arbeit. Sofern alle weiteren Etappen reibungslos über die Bühne gehen, kann die Fusion auf das Jahr 2007 umgesetzt werden.

Wer angesichts dieses Zeitplans auf ein gemächliches Tempo schloss, wurde rasch eines Besseren belehrt. Altwegg zeigte ganz konkret, was es heißt, wenn auf unterschiedliche Strukturen, Traditionen und Kulturen Rücksicht genommen werden muss. Welche Rolle spielen die lokalen Ableger der einzelnen Verbände? Welcher Schlüssel setzt sich bei den Mitgliederbeiträgen durch? Wo wird der neue Verband seinen Sitz haben?

Neben den großen Problemen, die nur mit viel Geduld und diplomatischem Geschick einer Lösung zugeführt werden können, wies Altwegg auch auf scheinbare Nebensächlichkeiten hin. Zum Beispiel: Wie langfristig müssen Sitzungstermine festgelegt werden, damit bei den entscheidenden Fragen auch wirklich alle Key-Player anwesend sind? Die alles entscheidende Frage zu dieser Fusion wird ganz zuletzt den Mitgliedern der beteiligten Verbände gestellt: Ja oder Nein? Ein Nein kann die Arbeit von vier Jahren in Makulatur verwandeln. Deshalb: Fortlaufende, umfassende Information über den Prozess ist absolut zentral.

Neben den beiden Schwerpunkten „Marketing“ und „Fusionen“ bot das Internationale Verbände-Forum in Arosa mit Erfahrungs- und Forschungsberichten Einblick in eine ganze Reihe weiterer Fragen des Verbands- und Nonprofit-Alltags. Die Palette reichte von Personalmanagement und Weiterbildung über Fundraising und Anlagepolitik bis zu Lobbying, Campaigning und Governance. Perspektiven der Museenlandschaft waren ebenso ein Thema wie die Aus- und Weiterbildung in Hilfsorganisationen oder die Besonderheiten der Wertschöpfung im Sportbereich. Sämtliche Beiträge zeichneten sich durch eine sorgfältige didaktische Aufbereitung aus. Wenn mit Rücksicht auf das dicht gedrängte Programm immer mal wieder Diskussionen im Plenum abgebrochen werden mussten, war das nicht weiter schlimm: Das Debattieren und Fachsimpeln machte während den drei Tagen in Arosa bei vielen Teilnehmenden selbst vor den Träumen nicht Halt.

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