Verbändereport AUSGABE 4 / 2011

Im Fokus: die Geschäftsführung

Versuch einer Profil-Beschreibung von Verbandsmanagern

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Der folgende Artikel bezieht sich auf das Plädoyer für ein hauptamtliches Führungsprofil in Verbänden aus dem Verbändereport 6/2010 und versteht sich als Beitrag zum Thema Personalentwicklung in Verbänden. Er versucht eine Konkretisierung des Profils von hauptamtlichen Verbandsmanagern auf der Basis der Spezifika der Organisationsform Verband und beschreibt die Positionierung von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern in der dualen Führungsstruktur von Verbänden.

Über die Professionalisierung der Verbandsarbeit als aktuelle Anforderung an Verbände besteht heute Einigkeit. Meist richtet sich diese Forderung entweder an die hauptamtliche Führung, die die Geschäftsstelle und die Verbandsarbeit insgesamt professionel(ler) aufstellen soll, oder es geht um Professionalisierungs- und Qualifizierungsangebote für das Ehrenamt.

Ausgangsthese für die folgenden Überlegungen ist, dass Professionalisierung nur gelingen kann, wenn sie nicht nur als Aufgabe für die hauptamtliche Führung verstanden wird, also den Geschäftsführer als Handelnden und „Change Manager“ in Bezug auf das zu gestaltende „Aktionsfeld Verband“ und seine Mitarbeiter in die Pflicht nimmt, sondern auch die Funktion, Aufgaben und Rolle der Geschäftsführung selbst betrachtet und Überlegungen zu einem professionellen Profil der geschäftsführenden Funktion anstellt. Es ließe sich mit Fug und Recht behaupten, dass eine Professionalisierung von Verbänden ohne eine Profilierung der hauptamtlichen Führung, d. h. die bewusste und aktive Berücksichtigung der „immanenten“ Profilkomponenten geschäftsführender Tätigkeit, weder vollständig wäre noch nachhaltige Wirkung zeigen würde.

Dieser Artikel macht sich deshalb gezielt die Perspektive der hauptamtlichen Führung zu eigen. Es gilt, das Rollenverständnis von Geschäftsführern zu thematisieren, Profil-Komponenten zu skizzieren und damit beispielhaft Professionalisierungs-Strategien für Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen anzuregen.

Wenn Geschäftsführungen in eigener Sache ihr Geschäftsführer-Profil professionalisieren, sich positionieren und das Verhältnis zwischen Ehrenamt und Hauptamt professionell gestalten, leisten sie damit letztlich immer auch einen Beitrag zum Wohle des Verbands insgesamt.

Eckpunkte für ein Geschäftsführerprofil

Kriterien für ein Geschäftsführer-Profil im Zeichen der Professionalisierung von Verbänden sollten sich an zwei Punkten orientieren: Es wird einerseits wesentliche Komponenten eines Geschäftsführer-Profils in fachlicher Hinsicht geben, andererseits muss ein spezifisches Verbands-Geschäftsführer-Profil aus der dualen Führungsstruktur, den verbandlichen Anspruchsgruppen und einer besonderen Ausprägung von „weichen“ Management-Techniken begründet werden, also deutlich die „Innenwelt“ von Verbänden mit einbeziehen.

Zum fachlichen Aspekt

Was sind die fachlichen Komponenten eines Geschäftsführerprofils? Hier ist die Begrifflichkeit durchaus nicht eindeutig: Einerseits versteht man darunter die auf einer Ausbildung oder einem Studium beruhende fachliche, also z. B. juristische, betriebswirtschaftliche oder steuerliche Qualifikation des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin, die im Verband gewinnbringend eingesetzt werden kann. Traditionell wurde i. d. R. ein Jurastudium als fachliche Voraussetzung angenommen, aber zunehmend spielen auch andere als einschlägig betrachtete Studienabschlüsse (BWL, VWL u. a. m.) eine Rolle. Und der immer schon vorhandene Weg des Seiten- oder Quereinstiegs auf einem anderen fachlichen Hintergrund (PR, Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft ...) hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Eine geringere Rolle spielt dagegen mittlerweile die verwaltungswissenschaftliche Ausbildung oder das Hineinwachsen in die geschäftsführende Aufgabe aus einem Branchenbetrieb.

Andererseits ist aber Branchenkenntnis oder „Szenekompetenz“ durchaus (mit)gemeint, wenn von fachlichen Voraussetzungen die Rede ist, also die Anforderung, ein Geschäftsführer möge sich mit den branchentypischen Fragestellungen und betrieblichen Problemlagen auskennen, die die Mitglieder des Verbandes zu bewältigen haben. Zum Teil wird dieses „Vom-Fach-Sein“ sogar höher gewichtet als ein einschlägiges Studium, v. a. aus Sicht der Mitglieder und ehrenamtlichen Funktionäre: Mehr als einem Geschäftsführer ist im Vorstellungsgespräch schon die Frage begegnet: „Sie sind doch kein(e) ... (Autobauer, Ingenieur, Außenhandels-Firma, Arzt ...) – wie können Sie denn dann unsere Anliegen verstehen und uns gut vertreten?“ Branchenkenntnis muss auch nicht unbedingt in jedem Fall eigene Erfahrung in einer Teilbranche bedeuten, sondern eher ein „Verständnis dafür, wie operative Unternehmen funktionieren“, wie es ein Geschäftsführer ausdrückt.

Diese angenommene Wertigkeit des „Stallgeruchs“ hängt unmittelbar mit der Tatsache zusammen, dass einschlägige Fachkompetenz über lange Jahre als ausreichend für verbandliche Interessenvertretung betrachtet wurde, was sich in letzter Zeit geändert hat; dennoch hat die persönliche Branchen- oder Betriebserfahrung durchaus einen eigenen Wert und erleichtert die geschäftsführende Arbeit im Verband, da sie in der stark durch die „ideologische“ Auseinandersetzung von verschiedenen Interessengruppen innerhalb des Verbandes geprägten Welt eine relativ stärkere Ausgangsposition bedeuten kann, ein „Gehörtwerden“ und die Akzeptanz durch die Mitglieder, die sich als Experten ihrer eigenen Sache verstehen.

Einiges spricht für die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen fachlichen Kompetenz, die neben Branchenkenntnis und Fachstudium noch einen dritten Faktor berücksichtigt, der sich unter den Labels Vertretungskompetenz oder strategisch-politische Kompetenz fassen ließe. Damit ist das ganze Spektrum von interner Strategieentwicklung als Ergebnis der Auseinandersetzung mit externen Bedingungen und Veränderungen über Wissen über Öffentlichkeitsarbeit/Medienkompetenz, PR und Verbandsmarketing bis hin zur politischen und Lobby-Kompetenz gemeint. Oder, wie es ein langjähriger Geschäftsführer ausdrückt: „Verbandsgeschäftsführung ist mit reinen Fachidioten nicht mehr zu machen.“

Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sind im Zuge der Professionalisierung der Verbände zunehmend als „Vertreter der Sache“ gefragt, die auch nach außen stärker auftreten; Führungskräfte in Verbänden müssen dasselbe Maß an Professionalität haben wie ihre externen Partner in Politik und politischer Administration. Hierher gehört auch die Fähigkeit, den Verband passend zum Fach- und Politik-Umfeld ggf. neu aufzustellen und Entscheidungsprozesse und -strukturen zum Beispiel einer schnelllebigeren internetbasierten Öffentlichkeit anzupassen.

Betrachtet man die drei geschilderten Dimensionen der Fachkompetenz (s. Abb. 1), so ist zusammenfassend anzumerken, dass offensichtlich der spezifische Kompetenzmix immer wichtiger geworden ist. Diese Beobachtung wird bestätigt durch die Entwicklung der Ausbildungslandschaft in jüngster Zeit: Das Angebot an expliziten Mischformen, also Studiengängen für Public Management, NGO-Management u. ä. m. hat zugenommen, jüngstes Beispiel ist der gemeinsam von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der DGVM konzipierte Studiengang Verbandsmanagement.

  • Zu den struktur- und organisationsbedingten Aspekten – soziale Kompetenz und Führungskompetenz
  • Die wesentlichen Merkmale von Verbandsarbeit in Abgrenzung zu anderen Organisationsformen sind (s. den Artikel der Autorin im Verbändereport 6/2010):
  • Verbandsarbeit weist eine typische Doppelstruktur und starke Polaritäten auf, die von Geschäftsführern eine flexible „Wanderung zwischen zwei Welten“ verlangt.
  • Verbandsarbeit ist durch eine duale Führungsstruktur geprägt.
  • Verbandsarbeit ist vorrangig Organisation von Prozessen und weniger produkt- und ergebnisorientiert.
  • Verbandsarbeit ist „Beziehungsarbeit“ und Kontaktpflege (intern und nach außen gerichtet): Kunden-/Mitgliederbeziehungen, Lobby-Beziehungen, Netzwerk-Beziehungen
  • Verbandsarbeit ist Dienstleistungsarbeit (gegenüber Mitgliedern und Mitgliederinteressen, gegenüber Politik und politischer Administration).
  • Verbandsarbeit ist Dienstleistung im besonderen Feld: indirekte Leistungen, Problem der Quantifizierbarkeit und Messbarkeit, Lobbying.
  • Verbandsarbeit ist Umgehen mit der Vielfältigkeit von „Orten“ im Beziehungsnetz und von Anspruchsgruppen.
  • Verbandsarbeit ist größtenteils indirekte, „entpersönlichte“ Kommunikation im „virtuellen Verband“.
  • Verbandsarbeit ist Arbeit unter der Bedingung von starker Fluktuation im personellen (v. a. ehrenamtlichen) Bereich.

Alle diese Merkmale erfordern eine besondere Ausprägung von „weichen“ Management-Techniken und Schlüsselqualifikationen aufseiten der Geschäftsführung. Betriebswirtschaftliche und andere fachliche Kenntnisse allein reichen für erfolgreiches Verbandsmanagement nicht aus, sie müssen flankiert sein von verschiedenen ergänzenden, personenbezogenen Kompetenzen in einem erweiterten Management-Begriff (siehe Kasten unten links).

Die Ausgleichsfunktion und die Kommunikationsaufgaben stehen bei vielen Geschäftsführern sehr im Vordergrund, einer der Interviewpartner bezeichnete sich in diesem Zusammenhang als „Transparenzdienstleister“ und „Koordinator von Meinungsbildungsprozessen“. Große Bedeutung kommt auch der grundsätzlichen Führungsqualifikation zu, oder, so die kritische Aussage eines anderen Geschäftsführers, der ursprünglich aus der Wirtschaft kam: „Viele Verbandsgeschäftsführer haben leider einfach wenig Ahnung von Führung und Personalmanagement.“

Abschließend ein Wort zur Gewichtung der fachlichen und der fachübergreifenden, strukturell-organisatorischen Aspekte: Der Schluss muss erlaubt sein, dass die fachliche Fähigkeit zwar die Basisqualifikation darstellt, dass aber sowohl mittel- und langfristig strategisch als auch im praktischen Verbandsalltag der zweiten Kategorie im Kompetenzprofil größeres Gewicht beizumessen ist. Das bestätigen die Aussagen zumindest auch der für diese Untersuchung befragten aktiven Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen. Diese Tendenz zur höheren Bewertung hängt schlicht und einfach auch damit zusammen, dass Verbände trotz stärkerer Ausrichtung an unternehmerischen Zielen und betriebswirtschaftlichen Führungskriterien nach wie vor wesentlich nicht gewinnorientierte Betriebe, sondern Einrichtungen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und der Interessen-Integration sind.

Wie die beschriebenen Eckpunkte für ein Geschäftsführerprofil weiterzudenken wären, soll im Folgenden an Beispielen gezeigt werden: Besonderes Augenmerk gilt zunächst dem strukturbildenden Verhältnis Hauptamt zum Ehrenamt, außerdem werden zwei konkrete Beispiele für eine Profil-Komponente ausgeführt. Enthalten sind Überlegungen zu den Konsequenzen für die Personalentwicklung und zur konkreten Umsetzung eines Geschäftsführerprofils in Verbänden.

Professionalisierung der Beziehung zwischen Vorstand und Geschäftsführung – Bedingungen für das Geschäftsführerprofil

Festzuhalten ist: Das Geschäftsführungsprofil konstituiert sich relativ zur Konstellation der dualen Führung als Wesensmerkmal von Verbänden. Es gibt folglich eine Interdependenz zwischen dem Geschäftsführerprofil und dem Aufgabenprofil der ehrenamtlichen Führung bzw. des Vorstands. Personell manifestiert sich diese Interdependenz in einigen Fällen darin, dass Geschäftsführer selbst auch Mitglieder des Vorstands sind (mit beratender Stimme oder stimmberechtigt).

Das Thema Geschäftsführerprofil ist also immer im Kontext des Spannungsfelds Hauptamt – Ehrenamt zu denken; es ist per definitionem nicht allein ein Gegenstand des Personalmanagements oder der Personalentwicklung bezogen auf die Person und Funktion der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers, sondern stets im Organisations-Kontext zu verknüpfen, sprich: auch ein Thema der Organisationsentwicklung. Was schon allgemein gilt – keine Organisationsentwicklung ohne Personalentwicklung und umgekehrt –, tritt spezifisch in Verbänden deutlich zutage. Wie der jeweilige Verband sich selbst definiert, bestimmt auch, wie er das Kompetenzprofil Geschäftsführung definiert.

Es wird immer Grundmerkmale dieses Profils geben, die sich aus dem Aufgabenzuschnitt des Konstrukts Verbandes allgemein ergeben (s. o. – zum Beispiel im Vergleich mit einer GmbH-Geschäftsführung), ergänzt durch jeweils spezifische Merkmale für einen konkreten Verband, die dann die Komponenten des individuellen Geschäftsführerprofils und deren Gewichtung bestimmen. Diese konkreten Profilkomponenten sind i. d. R. fünf Kategorien zuzuordnen:

  • den branchentypischen Eigenheiten des Verbandes,
  • der Geschichte des  Verbandes und seiner gewachsenen Organisationskultur,
  • den in Satzung und Geschäftsordnung festgelegten strukturellen Gegebenheiten,
  • der Transparenz des Systems Hauptamt – Ehrenamt auf einer Skala zwischen „Traditionsgebundenheit“ und „Innovation“ und dem Grad der Reflektiertheit des Verhältnisses zwischen Hauptamt und Ehrenamt
  • und schließlich der Persönlichkeit der Führungskräfte und Funktionsträger und ihren individuellen Voraussetzungen und Vorlieben.

Diese Kategorien können als „Checkliste“ dienen, die bei der Erstellung eines Geschäftsführerprofils zu berücksichtigen wäre.

Angesichts dieses Hintergrunds kann die Forderung nach einer Professionalisierung der Beziehung zwischen Vorstand und Geschäftsführung nicht verwundern – warum sollte ausgerechnet diese Beziehung als konstitutives Element des Verbandes von einer Professionalisierung ausgenommen sein, die in anderen Verbandsbereichen oder gegenüber den sonstigen Verbandsmitarbeitern als selbstverständlich hingenommen wird? Allerdings ist immer wieder festzustellen, dass sowohl die Geschäftsführungen selbst als auch ihre Vorstände in dieser Hinsicht manchmal einen „blinden Fleck“ haben, der vermutlich aus den Profilierungsbemühungen beider Seiten, aus Rollenunsicherheit und gelegentlich auch aus unangemessenem, vermeintlich im Sinne des Verbandes agierendem Machtstreben erklärbar ist.

Verbände brauchen daher, wenn sie ein Geschäftsführerprofil definieren wollen, als Erstes die Bereitschaft zur Selbstreflexion, den Willen, Entwicklung und Veränderung nicht als Zeichen von Schwäche zu deuten, und die Stärke, die aus der Beschäftigung mit Defiziten und Optimierungspotenzial erwächst.

Dies vorausgesetzt, ist die Beziehung in zweierlei Hinsicht zu professionalisieren: in Bezug auf die Arbeitgeber-Funktion des Vorstands (und die Arbeitnehmer-Situation der Geschäftsführung) und in Bezug auf die Gewichtung, Absprache und Verteilung der beiderseitigen Führungsaufgaben. Entscheidend ist hier das Stichwort „beiderseitig“!

Daraus ergeben sich folgende Bedingungen für ein professionelles Geschäftsführerprofil:

  • Das Verhältnis, die Aufgabenteilung und Zuständigkeiten zwischen hauptamtlicher Geschäftsführung und ehrenamtlichem Vorstand müssen klar definiert und abgegrenzt sein, über die rein (vereins-)rechtlichen Vorgaben hinaus.
  • Verhältnis und Aufgabenteilung sind zu dokumentieren und in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
  • Die Dichotomie von Anweisungsverhältnis einerseits und Entwicklungsfähigkeit und Flexibilität dieses Verhältnisses und dem Gestaltungsspielraum des Geschäftsführers andererseits ist im Rahmen der Aufgaben- und Rollenverteilung zu thematisieren, anzuerkennen und auszuhalten.

Zur Erläuterung: Die Mittelposition der Geschäftsführerin/des Geschäftsführers – einerseits ist er/sie den angestellten, hauptamtlichen Mitarbeitern zuzuordnen, andererseits ist er Führungskraft – darf keinesfalls zu einer Unklarheit und Verwischung von Zuständigkeiten führen. Es ist deutlich für eine Reglementierung des Verhältnisses Geschäftsführer – Vorstand zu plädieren, das Verhältnis ist als ein „ganz normales“ Arbeitsverhältnis zu betrachten und demzufolge sind Führungs- und Personalentwicklungsinstrumente wie Mitarbeitergespräch, Zielvereinbarungen, regelmäßige Leistungsbeurteilung etc. anzuwenden. Andererseits aber ist dieses Verhältnis geprägt von der besonderen dualen Führungskomponente, die es aus einer (vielleicht unternehmensspezifischen) vorrangig hierarchisch orientierten Beziehung heraushebt und es notwendig macht, dass dieses Verhältnis ebenbürtig und auf Augenhöhe gestaltet wird, „eben mit Selbstbewusstsein und nicht devot“, wie es ein Geschäftsführer ausdrückt, aber keinesfalls sei der Geschäftsführer „nur der Assistent des Vorstands“, so ein anderer.

Gestaltung bedeutet die Möglichkeit, eigene Themen zu setzen, aber auch starke teamorientierte Elemente, zum Beispiel durch die Entwicklung einer Feedback-Kultur (und andere „interaktive“ Elemente des Personalmanagements). Das „strukturelle Defizit“ in Verbänden (Entscheidungskompetenz beim Ehrenamt versus begrenzte Kapazitäten des Ehrenamts und daraus resultierende Grenzen der „Professionalisierbarkeit“ der ehrenamtlichen Funktionsträgers) kann nur gelöst und bewältigt werden, wenn das Verhältnis zwischen der hauptamtlichen und der ehrenamtlichen Führungsebene geprägt ist durch (definierte) Handlungsfreiheit für das Hauptamt; der Geschäftsführer benötigt für eine angemessene Wahrnehmung seiner Aufgaben einen Gestaltungsspielraum. Hier sind nicht starre Vorschriften zu bestimmen, sondern Grenzen und Bedingungen abzustimmen.

Ein ausgeführtes Geschäftsführerprofil kann nicht Gegenstand dieser Überlegungen sein. An zwei Beispielen soll aber dennoch gezeigt werden, wie ggf. die Entwicklung von Profil-Komponenten aus verbandstypischen Merkmalen herzuleiten wäre. (S. Kasten Beispiele 1 und 2)

Leitlinien zur Personalentwicklung und Profil-Erstellung

Wenn auch nicht ein vollständiges Geschäftsführerprofil hier ausgeführt werden kann, so sollen doch einige Empfehlungen zur Profilerstellung und zu einer kompatiblen Personalentwicklung gegeben werden.

Für ein Modell-Profil einer Verbandsgeschäftsführung mögen die oben geschilderten fachlichen und fachübergreifenden Profilkomponenten nutzbar sein. Zur Erstellung eines konkreten Geschäftsführerprofils für einen bestimmten Verband empfehlen sich die o. g. fünf Kategorien sowie die ebenfalls benannten Bedingungen für eine Professionalisierung des Verhältnisses zwischen Haupt- und Ehrenamt. Daraus wiederum ließe sich ein individuelles Stellenprofil für eine geschäftsführende Führungskraft herleiten.

Welche Fragen sind geeignet, um ein zum eigenen Verband passendes Profil zu finden? Das wären zum Beispiel:

  • Wie ist das Aufgabenspektrum (fachlich und überfachlich) möglichst konkret und im Detail zu beschreiben?
  • Welche Anforderungen und Erwartungen stellen die verschiedenen Anspruchsgruppen im Verband?
  • Welche Erwartungen des Verbandsumfelds sollen erfüllt werden?
  • Welche fachlichen Voraussetzungen sind unabdingbar zur Erfüllung dieser Aufgaben?
  • Welche fachübergreifenden Kompetenzen sind hierfür von besonderer
  • Bedeutung und entsprechen der Verbandskultur?
  • Die Prinzipien und Instrumente der Personalentwicklung müssen nicht nur für das Personalmanagement von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sondern auch für Geschäftsführer gelten.

Aus Sicht von Geschäftsführern reicht es nicht aus, sich mit der formalen, einmalig zugestandenen und per Satzung oder Geschäftsordnung dekretierten Führungsfunktion oder dem zugewiesenen Aufgabenspektrum zu begnügen. Vielmehr sollte die Funktion aktiv ausgefüllt und im Dialog mit dem Ehrenamt weiterentwickelt und modifiziert werden. Dazu muss auch eine angemessene Weiterqualifizierung in die eigene Berufsbiografie integriert werden. Von den eigenen Mitarbeitern verlangen Geschäftsführungen die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, ziehen dies aber für sich selbst manchmal weniger in Betracht, vielleicht aus der Befürchtung heraus, in der Positionierung gegenüber dem Ehrenamt zurückstecken zu müssen, wenn Entwicklungsbedarf und -bedürfnisse offen angesprochen werden. Wesentlicher Bestandteil des Geschäftsführerprofils und notwendige Bedingung für Führungskompetenz ist aber die Bereitschaft zur eigenen Veränderung und Rollenreflexion, diese ermöglichet erst ein angemessenes Veränderungsmanagement für die eigene Organisation.

Aus der Perspektive des Vorstands sollte Personalentwicklung auch für die Geschäftsführung nicht für unnötig oder überflüssig gehalten werden. Dem Bedürfnis von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern nach Auseinandersetzung mit der Rolle als Führungskraft sollte Rechnung getragen und dem Weiterbildungs- und Aktualisierungsbedarf vorhandenen Wissens Raum gegeben werden. Sich selbst auf den Lorbeeren einer gelungenen Einwerbung einer kompetenten Führungskraft für die Geschäftsführung auszuruhen sollte möglichst nicht die Devise sein. Eine gute Positionierung des Verbands wird nur erreicht, wenn gerade im prestigeträchtigen Bereich der Außenvertretung eine nicht allzu scharfe Trennung zwischen der Geschäftsführung als Zuständiger für den reibungslosen Ablauf in der Geschäftsstelle („dafür haben wir Sie ja schließlich eingestellt!“) und der (alleinigen) externen Repräsentation durch das Ehrenamt festgeschrieben wird. Der Vorstand sollte sich insgesamt einer leistungsfördernden Personalpolitik verschreiben. Oberste Maxime für beide Beteiligten sollte die Weiterentwicklung des Geschäftsführers und seines Profils zum Wohle des Verbandes und dessen Entwicklung sein.

Angesichts des geschilderten Kompetenzmix steht das Eingeständnis auf beiden Seiten an, dass es kaum Verbandsmanager geben wird, die allen Bestandteilen dieser besonderen Kompetenz-Mischung gleichermaßen gerecht werden. Die Erfahrung von Geschäftsführern sieht oft anders aus; so mancher berichtet, dass er selbst bei Übernahme der Funktion in keiner Weise vorbereitet war und auch vom Vorstand nicht eingeführt wurde. Deshalb muss Personalentwicklung von Beginn an auf die Verbandsfahnen geschrieben werden – das kann im einen Fall z. B. in der Einarbeitungsphase eine Art Branchenpraktika in Mitgliedsbetrieben bedeuten, im anderen Fall die Teilnahme an einzelnen Weiterbildungsmodulen z. B. zum Thema Steuerrecht, je nach den individuellen Voraussetzungen der jeweiligen geschäftsführenden Person. Schon bei Eintritt in den Verband sollte das persönliche Kompetenzprofil des Geschäftsführers erhoben und ggf. entsprechende PE-Maßnahmen besprochen werden. Daran schließt sich im Idealfall eine kontinuierliche Personalentwicklung an, die die Geschäftsführung zu einer echten „human ressource“ werden lässt und, dosiert eingesetzt, auch unter Kosten-Nutzen-Aspekten zu einer effektiv(er)en und ergebnisorientierten Arbeit führt.

Sicherlich schließt sich an die Erstellung eines Geschäftsführerprofils die Frage an, in welchen Bereichen es sich nutzbringend anwenden lässt. Mache ich es zur Basis von Personalentwicklungsmaßnahmen, muss ich als Nächstes weitere Fragen beantworten: Wie kann ich Erfolg definieren? Woran die Erfüllung der Profilvorgaben messen? Mit welchen Kriterien lässt sich die Weiterentwicklung von Führungskräften im Verband beurteilen? Wie kann ich Leistung beurteilen, die letztendlich nicht an Produktkennzahlen oder verkauften Stückzahlen ablesbar ist, sondern auf der erfolgreichen Anwendung von „Soft Skills“ beruht? Dies alles gehört in die hoch spannende aktuelle Diskussion zum Thema Leistungsbeurteilung, von deren europäischer Variante im Bereich Bildung und Weiterbildung, der Auseinandersetzung um Kompetenzorientierung und Nachhaltigkeit, Berufsausweise und Qualifikationsrahmen auch die Beschäftigung mit dem Profil von Verbands-Führungskräften sicherlich profitieren kann.

Maßstab für die Verwendbarkeit dieser theoretischen Überlegungen muss letztlich die Geschäftsführungspraxis sein – Meinungen, Ansichten, Einsprüche und Widersprüche von Geschäftsführern sind willkommen und werden das Geschäftsführerprofil immer wieder verändern und bereichern. Auf die Frage nach dem Geheimnis des Erfolgs in ihrer Verbandsgeschäftsführung hat die Autorin mehr als einmal die Antwort von Geschäftsführern gehört: Ich glaube, die gute, vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit dem Vorstand ist letztlich mit der Tatsache zu verdanken, dass ich mich als Geschäftsführer profiliert und zu diesem Profil gestanden habe –„ nicht zu vergessen, dass es mir auch Spaß macht, andere zu überzeugen und für meine Ideen zu begeistern!“

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Autor/in

Sabina Fleitmann

ist Organisationsberaterin und -entwicklerin für Verbände und NPO, u. a. mit den Schwerpunkten strategische Weiterentwicklung, Strukturreform, Personalentwicklung, Haupt- und Ehrenamt, Interessenvertretung und Lobbying.

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