Eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 27.10.2000 (veröffentlicht u.a. in DB 2000, S. 2349 und Verbändereport 2001, S. 40) sorgt in Verbandskreisen zur Zeit zu erheblicher Verunsicherung. Nach Meinung dieser Finanzbehörde dürfen Berufsverbände in ihre Satzung keinen Zweck aufnehmen, der auf einen wirtschaftlichen Zweck gerichtet ist. Geschieht dies dennoch, ist dies nach Auffassung der OFD Frankfurt schädlich für die Steuerbefreiung. Dies soll bei der Neugründung von Berufsverbänden sowie bei der erstmaligen Beantragung der Steuerbefreiung oder aus Anlass von Satzungsänderungen zu berücksichtigen sein. Bei schon bestehenden Verbänden soll ein unzulässiger Satzungszweck zunächst übergangsweise hingenommen werden. Es schließt sich die sybillinische Bemerkung an, dass eine zeitliche Befristung für diese Übergangsregelung vorerst nicht vorgesehen ist.
Nur die Spitze des Eisbergs
Diese OFD-Verfügung hat eine Vorgeschichte, die sich der interessierten Verbandsöffentlichkeit nicht ohne weiteres erschliest, weil sie nicht amtlich veröffentlicht ist. Wie aus Kreisen der Finanzverwaltung zu erfahren ist, haben sich die Körperschaftsteuerreferenten von Bund und Ländern im vergangenen Jahr zweimal mit der Frage beschäftigt, was es steuerlich bedeutet, wenn in der Satzung eines Berufsverbandes u.a. auch Vereinszwecke aufgeführt werden, die auf eine wirtschaftliche Betätigung gerichtet sind. Die Steuerexperten von Bund und Ländern scheinen in dieser Frage kontrovers gewesen zu sein, denn es wurde zum Schluss "mehrheitlich" die Auffassung vertreten, dass allein die Benennung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in den Satzungszwecken eines Verbandes die Körperschaftsteuerbefreiung nach
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG völlig (und nicht etwa nur partiell) entfallen ließe. Andererseits war den Körperschaftsteuerreferenten jedoch bekannt, dass die Satzungen vieler Verbände u.a. wirtschaftliche Betätigungen als Verbandszweck aufführen. Sie waren sich daher einig, dass daraus allein keine für die Steuerbefreiung eines Berufsverbands schädlichen Folgerungen gezogen werden sollen, wenn er künftig solche Regelungen aus seiner Satzung streicht.
Für die Satzungsänderungen sollte den Verbänden allerdings keine Frist gesetzt werden, wie man das ursprünglich vorgesehen hatte. Die genannten Verfügung der OFD Frankfurt ist daher nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Sie ist ferner insofern kompromisslos, als bei jedweden Satzungsänderungen zugleich die Streichung der beanstandeten Satzungszwecke verlangt wird, bei Strafe der völligen Versagung der Steuerbefreiung.
Verbandszweck im Vereinsrecht
Was ist von dieser Auffassung der Finanzverwaltung zu halten? Nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG sind Berufsverbände von der Körperschaftsteuer befreit, "wenn der Zweck dieser Verbände nicht auf einen wirtschaftlichen Zweckbetrieb gerichtet ist". Dieser Wortlaut ist offensichtlich angelehnt an die vereinsrechtliche Vorschrift des § 21 BGB, wonach ein Verein, "dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Zweckbetrieb gerichtet ist", in das Vereinsregister eingetragen werden kann.
Die Finanzverwaltung scheint nun aktuell der Auffassung zu sein, dass allein die Erwähnung eines wirtschaftlichen Zwecks in der Satzung ausreicht, um den Zweck des Verbandes als auf einen wirtschaftlichen Zweckbetrieb "gerichtet" erscheinen zu lassen. Diese Auffassung ist jedoch aus mehreren Gründen fragwürdig.
Bereits vereinsrechtlich ist der bloße Wortlaut der Satzung nicht das entscheidende Kriterium für die Annahme eines Idealvereins. Die Eintragungsfähigkeit eines Idealvereins bestimmt sich nicht nach seiner Zielsetzung in der Satzung, sondern danach, ob sich die (schon aufgenommene oder nur beabsichtigte) Betätigung des Vereins einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt und - bejahendenfalls - in welchem Verhältnis der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zur ideellen Betätigung des Vereins steht (vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, Rdnr. 42). Vereinsrechtlich kommt es also nicht auf die reine "Papierform", sondern auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an.
Tatsächliches Verhalten des Berufsverbandes steuerlich entscheidend
Es besteht m.E. keinerlei begründete Veranlassung, steuerrechtlich von dieser zivilrechtlichen Grundwertung abzuweichen. Es liegt hier gerade kein Fall vor, in dem aufgrund der im Steuerrecht maßgeblichen "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" eine vom Zivilrecht abweichende Beurteilung geboten ist. Maßgeblich für die Besteuerung ist der wirtschaftlich verwirklichte Sachverhalt (vgl. §§ 40, 41 AO). Der bloße Wortlaut der Satzung kann daher bei Berufsverbänden über die Steuerpflicht als solche noch nichts aussagen. Dies entspricht auch der gefestigten Rechtsprechung. Nach dem Urteil des BFH vom 15.7.1966, BStBl. 1966 III S. 638) kann bei einem Berufsverband die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit nur aus seiner "tatsächlichen Tätigkeit" beurteilt werden. Bereits in seinem Gutachten aus dem Jahr 1952, das für die Besteuerung von Berufsverbänden grundlegend war (BStBl 1952 III S. 228; anschließend daran BFH, Urteil vom 13.8.1993, BStBl 1994 II S. 33) hatte der BFH ausgeführt, dass insbesondere die "Tätigkeit" eines Verbandes dafür entscheidend ist, ob es sich sachlich noch um einen steuerbefreiten Berufsverband handelt. Die jetzt von den Finanzbehörden vertretene Auffassung ist demnach mit der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht vereinbar.
Verhältnis von Haupt- und Nebenzweck
Sie ist auch aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ohne weiteres ableitbar. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG versagt die Steuerbefreiung, wenn der Zweck eines Verbandes auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "gerichtet" ist. Dieses "Gerichtetsein" stellt, wie die nahezu gleichlautende Fassung in § 21 BGB nahe legt, auf das Verhältnis von verwirklichtem Haupt- und Nebenzweck ab. Im Zivilrecht kommt es darauf an, ob die Hauptbetätigung des Vereins eine ideelle Tätigkeit ist (Sauter/Schweyer, a.a.O., Rdnr. 47). Eine Nebentätigkeit wirtschaftlicher Art schadet nicht, solange diese nur von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Nebenzweckprivileg für Idealvereine, vgl. dazu insbes. K. Schmidt, Rpfleger 1972, 343-350). Es besteht m.E. kein sachlicher Grund, im Steuerrecht von dieser grundlegenden zivilrechtlichen Wertung abzuweichen. Im übrigen stellen auch die amtlichen Körperschaftsteuer-Richtlinien für die (partielle) Steuerpflicht wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe auf deren Umfang im Verhältnis zur ideellen Verbandstätigkeit ab und nicht etwa auf eine bloße satzungsmäßige Erwähnung (Abschnitt 8 Abs. 1 S. 8 KStR 1995).
Abwiegelung aus dem Bundesfinanzministerium?
Nichtoffizielle Äußerungen aus dem Bundesfinanzministerium scheinen die Bedeutung der in der genannten OFD-Verfügung zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung relativieren zu wollen. Damit ist den betroffenen Verbänden jedoch nicht geholfen. Wünschenswert wäre es vielmehr, wenn die Finanzbehörden nach außen erkennbar und verbindlich von ihrer materiell-rechtlich nicht haltbaren Auffassung abrücken würden. Solange dies nicht geschieht, sehen sich die betroffenen Verbände einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Soweit im konkreten Einzelfall das Finanzamt die Steuerbefreiung unter Hinweis auf eine höhere Verwaltungsweisung ablehnt, sollte zunächst versucht werden, in Gesprächen mit den vorgesetzten Finanzbehörden (Oberfinanzdirektion, Landes- und Bundesfinanzministerium) den Streit zu bereinigen, bevor der Klageweg zu den Finanzgerichten beschritten wird.
Auswirkungen im Einzelfall prüfen
Doch möglicherweise erübrigt sich eine solche Auseinandersetzung im konkreten Einzelfall sogar. Die hier kritisierte Auffassung der Finanzverwaltung hat nämlich keinerlei praktische Auswirkung, solange ein Verband keinen steuerlichen Gewinn bzw. Überschuss erzielt.
Verbände, die namhafte Überschüsse aus Vermögensverwaltung (z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung) erzielen, werden jedoch um einen Rechtsstreit mit der Finanzverwaltung nicht herumkommen, wenn diese auf ihrer hier in Frage gestellten Rechtsauffassung beharrt.