Nach dem BGB können Vereine nur dann in das Vereinsregister eingetragen werden und damit Rechtsfähigkeit erlangen, wenn sie nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind. Dies prüft das Registergericht anhand der Satzung. Ergibt sich aus der Satzung ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der über das von der Rechtsprechung entwickelte Nebenzweckprivileg hi-nausgeht, erfolgt keine Eintragung. Im juristischen Schrifttum und der Rechtsprechung wird dieser Fall als „offene Rechtsformverfehlung“ bezeichnet.
In der Praxis bedeutsamer sind jedoch die Fälle, in denen die Satzung zwar einen Idealverein ausweist, der Verein sich aber tatsächlich in einem Maße wirtschaftlich betätigt, das über das Nebenzweckprivileg hinausgeht. Dieser Fall wird als „verdeckte Rechtsformverfehlung“ bezeichnet. § 43 Abs. 2 BGB sieht vor, dass in diesen Fällen durch die zuständige Verwaltungsbehörde die Rechtsfähigkeit entzogen werden kann. Neuerdings wird diese Vorschrift dahin-gehend ausgelegt, dass in diesen Fällen die Rechtsfähigkeit entzogen werden muss, die Behörde also kein Ermessen ausüben darf.
Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In vielen Flächenstaaten sind es die Bezirksregierungen, in anderen die Kreisverwaltungen, Magistrate oder Landräte. In den Stadtstaaten oft die Senatoren, deren Ressorts das Vereinsrecht zugeordnet ist.1 Gegen die Verfügung, mit der die Rechtsfähigkeit entzogen wird, kann nach Widerspruch Anfechtungsklage vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden.
Rechtsfolgen der Entziehung der Rechtsfähigkeit
Grundsätzlich führt der Verlust der Rechtsfähigkeit nicht zur Auflösung des Verbandes, sondern er verliert nur seine Eigenschaft als juristische Person. Ob der Verein trotz des Verlustes der Rechtsfähigkeit fortbestehen soll, richtet sich nach der herrschenden Meinung nach der Satzung. Danach soll im Zweifel von dem Fortbestand auszugehen sein.
Abgrenzung Idealverein und Wirtschaftsverein nach BGB
Heute hat sich im Wesentlichen die von Karsten Schmidt vorgeschlagene teleologische Abgrenzung durchgesetzt. Teleologisch bedeutet, dass die Abgrenzung unter Zweckerwägungen erfolgt. Ohne auf die Einzelheiten hier näher eingehen zu wollen, werden als entscheidende Zwecke der Gläubigerschutz und der Mitgliederschutz herangezogen. Auf dieser Grundlage wurde eine Typologie von Verbänden entwickelt, deren Betätigungsfeld dann jeweils der ideellen oder wirtschaftlichen Sphäre zugewiesen wurde.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien einige Beispiele vorgestellt: In seinem ADAC-Urteil hat der an sich nicht für das Vereins- und Gesellschaftsrecht zuständige 1. Senat des Bundesgerichtshofs überraschend liberal die Auffassung vertreten, dass immer dann, wenn sich ein Verein zur Durchführung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben der im Handelsrecht hierfür vorgesehenen Organisationsformen bedient (Aktiengesellschaft, GmbH, KG), dies unschädlich sei. Bei der KG jedoch nur dann, wenn der Idealverein nichts selbst als Komplementär auftritt. Der 1. Senat hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass bei Auslagerung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben in die dafür gesetzlich vorgesehenen Gesellschaftsformen dem Gläubiger- und Mitgliederschutz ausreichend Rechnung getragen sei.
Dieses Urteil ist in der Literatur mit unterschiedlichen Begründungen stark kritisiert worden.2 Karsten Schmidt hat zu Recht die Frage aufgeworfen, welchen Schutz es den Gläubigern denn bieten soll, „wenn man ihnen statt der fetten Mutter (Verband) die magere Tochter (Service-GmbH) anbietet“. Allgemein wird erwartet, dass bei einem künftigen Verfahren der für das Vereins- und Gesellschaftsrecht an sich zuständige 2. Senat des Bundesgerichtshofs eine inhaltlich anders gewichtete Entscheidung treffen könnte, denn dem 1. Senat, der im Jahre 1983 das ADAC-Urteil erlassen hatte, wird von einigen Autoren „Problemblindheit“ vorgeworfen. Praktisch kann dies bedeuten, dass sich die vermeintliche Sicherheit, die ausgelagerte Service-Gesellschaften dem Verband zur Erhaltung seiner Rechtsfähigkeit bieten, bei einer erneuten höchstrichterlichen Überprüfung als brüchig erweist.
Ein Anhaltspunkt für eine tragfähige Abgrenzung von wirtschaftlichem Hauptzweck und untergeordnetem Nebenzweck kann möglicherweise dem Referentenentwurf zur Reform des Vereinsrechts entnommen werden. Dieser basiert im Wesentlichen auf den Feststellungen des ADAC-Urteils, die allerdings in einigen Punkten modifiziert werden.
Wesentlich ist, dass der Gegenstand der von einem Idealverein unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe inhaltlich nicht beschränkt wird. Beispielsweise wurde und wird in der Literatur gefordert, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb den ideellen Vereinszwecken dienen muss. Diese Auffassung wird jedoch in dem Referentenentwurf nicht vertreten. Desgleichen werden keine absoluten Größen für den Umfang des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes vorgegeben, sondern dieser nur in Bezug zur ideellen Tätigkeit des jeweiligen Verbandes gesetzt und im konkreten Fall geprüft, ob ein abgestufter Haupt- und Nebenzweck feststellbar ist. Das bedeutet, dass ein und derselbe wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in dem kleineren Verband sich als Hauptzweck erweisen kann, während er bei einem Großverband nur einen Nebenzweck darstellt.
In seiner Scientology-Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht Leistungen, die ein Verein seinen Mitgliedern entgeltlich in Verwirklichung seines nicht wirtschaftlichen Zwecks erbringt, nur dann als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 21 BGB angesehen, wenn diese Leistungen üblicherweise auch von anderen angeboten werden.3 Handelt es sich hingegen – wie in Scientology-Fall – um Kursangebote, die an gemeinsame Überzeugungen der Vereinsmitglieder anknüpfen und die in dieser Art nicht auf dem freien Markt erhältlich sind, so stellen sie nach Ansicht des Gerichts von vornherein keine wirtschaftliche Betätigung dar. Das Bundesverwaltungsgericht kam also gar nicht erst – wie die Zivilgerichte – zur Prüfung der Frage, ob das sogenannte Nebenzweckprivileg des § 21 BGB, das von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, verletzt sein könnte.
Für Verbände bedeutet dies, dass sie nach derzeitigem Stand nicht mit dem Entzug der Rechtsfähigkeit rechnen müssen, wenn sie auf dem internen Mitgliedermarkt gegen Entgelt verbandsspezifische Leistungen anbieten, die in dieser Art nicht von Wettbewerbern angeboten werden (können). (HM)
1 Einen aktuellen Überblick bietet Reuter, Münchner Kommentar, 5. Auflage § 43 Fußnote 30
2 Vgl. die umfassende kritische Darstellung bei Reuter, Münchener Kommentar zum BGB, § 21 Rdn. 4ff.
3 Vgl. die kritische Besprechung von Karsten Schmidt, Entziehung der Rechtsfähigkeit bei unrechtmäßig eingetragenen Wirtschaftsvereinen, NJW 1998, Seite 1124ff.