Verbändereport AUSGABE 6 / 2009

Empirische Erkenntnisse zu Qualifikationsprofilen und Qualifizierungsbedarf im Non-Profit-Management

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In Ergänzung zu unserem Schwerpunkt „Personalmanagement in Verbänden“ in der letzten Ausgabe (Verbändereport Ausgabe 5/2009) veröffentlichen wir den nachfolgenden Beitrag zum Forschungsprojekt Berufsfeldanalysen und Kompetenzentwicklung im Non-Profit-Management der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin (ehemals Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege – FHVR, Berlin).

Non-Profit-Organisationen sehen sich zunehmend mit Anforderungen an ein marktbezogenes, an ökonomischen Prozessen orientiertes Handeln konfrontiert. Dabei benötigen sie Strategien, die es ermöglichen, die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten bzw. zu steigern. Wie setzen die Organisationen dies in ihrem Personalmanagement um? Reagieren sie mit gezielten Rekrutierungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen auf die veränderten Rahmenbedingungen? Diese Fragen standen im Fokus des Forschungsprojekts „Berufsfeldanalysen und Kompetenzentwicklung im Non-Profit-Management“, das im Forschungsbereich Non-Profit-Management an der HWR Berlin durchgeführt wurde. Ziel der Studie war es, vor dem Hintergrund von Professionalisierungstendenzen im Management von NPO deren Rekrutierungs- und Qualifizierungsstrategien zu untersuchen.

Das Projekt umfasste zwei empirische Forschungsphasen: eine Gruppendiskussion mit neun Führungskräften aus dem Non-Profit-Sektor sowie 42 leitfadengestützte Experteninterviews mit Führungskräften aus Non-Profit-Organisationen aus dem Raum Berlin. Die befragten Organisationen bilden ein Spektrum unterschiedlicher Größenklassen und Branchen. Neben Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens wurden Führungskräfte aus den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Bildungswesen und Forschung, Internationale Aktivitäten, Vertretung von Bürger- und Verbraucherinteressen sowie aus Wirtschaftsverbänden/Berufsverbänden befragt.

Die Interviews zielten darauf, die Qualifikationsprofile und Einstellungskriterien von Non-Profit-Managern sowie deren Einschätzung zum Aus- und Weiterbildungsbedarf für Führungskräfte angesichts aktueller Herausforderungen für NPO zu erheben. Dieser Beitrag stellt zentrale Ergebnisse der Studie vor und zeigt auf, welche Schlüsse Non-Profit-Organisationen daraus ziehen können.

Zentrale Ergebnisse der ­Interviews mit Führungs­kräften aus NPO

Die befragten Organisationen sehen sich mit großen Herausforderungen konfrontiert, die vor allem in der finanziellen Sicherung ihrer Organisation bestehen. Die Interviewpartner identifizieren als Ursache dafür den zunehmenden Wettbewerb sowie die Mittelkürzung bei einem wachsenden Bedarf an den Dienstleis-tungen der Organisationen. Die meisten der befragten Organisationen haben auf die anstehenden Herausforderungen reagiert. Im Umgang mit den Herausforderungen gibt es ein großes Spektrum von Lösungsansätzen: Kurz- und langfristige Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung, Veränderungen in der Organisationsstruktur, die Ausgliederung von Aufgaben und die Verbesserung der Dienstleistungen sind die am häufigsten genannten Lösungsansätze. Dabei kann kein branchenspezifischer Umgang festgestellt werden. Differenzierte strategische Ansätze hängen eher mit dem Organisationsgrad, der Größe der NPO und den bisherigen Reformerfahrungen zusammen, die insbesondere in den Wohlfahrtsverbänden größer sind. Die genannten Lösungsansätze führen zu Veränderungen in den Managementfunktionen. Die meisten Organisationen bauen jene Funktionsbereiche aus, die die finanzielle Sicherung unterstützen. Neue Aufgabenschwerpunkte liegen vor allem in den Bereichen Controlling und Marketing. Die Mehrheit der befragten Organisationen stellt keinen Bezug zwischen den aktuellen Herausforderungen und den Einstellungskriterien sowie dem Weiterbildungsbedarf im NPO-Management her. Im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen werden gezielte Weiterbildungen mit betriebswirtschaftlichen Inhalten nur von einer geringen Zahl der Interviewpartner genannt, wenngleich die Weiterbildung in NPO insgesamt einen vergleichsweise großen Raum einnimmt. Die Weiterbildungsinhalte beziehen sich vorrangig auf Fachthemen, Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen, während Managementwissen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse seltener vermittelt werden. Auch bei der Einstellung von Führungskräften sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse weniger relevant. Wichtigste Kriterien bei der Einstellung von Führungskräften sind die fachliche, d.h.

die themenbezogene Qualifikation mit einschlägigem Hochschulabschluss sowie Berufserfahrung, während ökonomische Qualifikationen nicht als zwingend erforderlich angesehen werden. In den Interviews wurde jedoch deutlich, dass Führungskräfte in NPO einem besonderen und komplexen Anspruch an ihre Kompetenzen gerecht werden müssen, die sich aus spezifischen Fach- und Wirtschaftskenntnissen, Management- und Führungskompetenz sowie der Kenntnis der spezifischen Organisationskultur in NPO und der Identifikation mit der Organisation zusammensetzen. Mehr als zwei Drittel aller Befragten geben an, dass es keinen typischen Berufsweg von Führungskräften in ihrer NPO gibt. Allerdings sind einige Faktoren zu identifizieren, die für den Aufstieg in einer NPO förderlich sind. Arbeitserfahrung in einer NPO ist für viele der befragten Führungskräfte zentral. Eine besondere Rolle für den Aufstieg kann die Sozialisation innerhalb der Organisation spielen. Zahlreiche Befragte waren zuvor ehrenamtlich aktiv. Um ihre Führungsaufgaben zu erfüllen, haben sie sich selbst betriebswirtschaftliches Wissen angeeignet und damit auf Herausforderungen ihres Arbeitsfeldes reagiert.

Die befragten Führungskräfte setzen bei der Weiterbildung mehrheitlich auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter. Weiterbildung wird in den befragten NPO selten als Teil einer strategischen Personal- und Organisationsentwicklung verstanden. In den befragten Organisationen gibt es kaum strategisch angelegte Programme zur Förderung des Führungskräftenachwuchses.

Implikationen aus den ­empirischen Erkenntnissen

Bei den befragten NPO ist eine Diskrepanz zu beobachten zwischen den wahrgenommenen ökonomischen Herausforderungen auf der einen Seite und der Umsetzung in Personalmanagementstrategien andererseits.

Zur Lösung der Aufgaben, die im ökonomischen Bereich liegen, wird entsprechend qualifiziertes Personal benötigt. Personalrekrutierung und Qualifizierung im Führungskräftebereich sind in der Mehrheit nicht auf den wachsenden Bedarf an Management- und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen abgestimmt. Bei der Einstellungspolitik und der Personalentwicklung spielen ökonomische Qualifikationen eine untergeordnete Rolle, wenngleich die Marktorientierung und Finanzierung als die wichtigsten Herausforderungen angesehen werden.

Die befragten Führungskräfte empfehlen für ihre eigene Position eine entsprechende Qualifikation und haben sich selbst gezielt betriebswirtschaftliches Fachwissen angeeignet. Der Erwerb von Managementkompetenzen und ökonomischem Know-how hat jedoch keine Priorität bei der Weiterbildung der Mitarbeiter im Führungskräftebereich. Hier zeigt sich ein Widerspruch zwischen der eigenen, bewusst gesteuerten Qualifizierung und dem Transfer in Qualifizierungsstrategien. Allerdings sind hier unterschiedliche Tendenzen im Sektor zu beobachten. Die Teilnehmer der Gruppendiskussion, die im Rahmen der HWR-Studie im Vorfeld der Interviews durchgeführt wurde, konstatierten einen erheblichen Weiterbildungsbedarf im betriebswirtschaftlichen Bereich. Bei einigen NPO, die sehr erfolgreich agieren, ist zu beobachten, dass arbeitsteilige Strukturen aufgelöst werden und im Rahmen von innovativen Projektstrukturen vielen Stellen Leitungskompetenz mit Budget- und teilweise auch Personalverantwortung zugewiesen wird. Diese NPO verfolgen gleichzeitig einen klaren strategischen Ansatz zur Entwicklung ihrer Organisation und ihres Personals. Auf Basis der Reflexion aktueller Herausforderungen ist es für die Organisationen wichtig, ihren Bedarf an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern zu identifizieren und adäquate Rekrutierungs- und Personalentwicklungsstrategien zu entwickeln. Gezielte Weiterbildungen im betriebswirtschaftlichen Bereich, die die Besonderheiten gemeinnütziger Organisationen berücksichtigen, könnten so zu einem wichtigen Element einer strategisch angelegten Personalentwicklung werden.

Ausblick

Angesichts der weiteren Herausbildung des Berufsfeldes ist zu vermuten, dass die Nachfrage nach Qualifikationsangeboten weiter steigen wird, die die besonderen Herausforderungen und spezifischen Anforderungen des Non-Profit-Sektors berücksichtigen. Für die Anbieter von Qualifizierungsmaßnahmen für den Non-Profit-Sektor stellen sich in diesem Kontext weitere Fragen: Sollten die Qualifizierungsinhalte alle in Richtung Markt entwickelt werden und reicht ein „Baukasten“ mit Management-Instrumenten aus, damit Organisationen handlungsfähig sind? Wie sind Angebote zu gestalten, die neben betriebswirtschaftlichen Inhalten auch die spezifische Identität der Organisationen des Non-Profit-Sektors bewahren? Die Ergebnisse des Forschungsprojekts flossen ein in die Entwicklung des Masterstudiengangs „Non-Profit-Management und Public Governance“, den die FHVR in Kooperation mit der FHTW Berlin ab dem Wintersemester 2009/2010 anbieten wird. Der konsekutive Masterstudiengang schließt an den Bachelor-Studiengang Public Management an und verbindet eine betriebswirtschaftliche Ausbildung mit den spezifischen Anforderungen an Non-Profit-Organisationen, die über die einzelnen Teilsektoren hinweg den Non-Profit-Sektor charakterisieren.

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