Seit sich der Europäische Gerichtshof in einem Urteil aus dem Jahre 2002 („Golfclub-Urteil“) zur Umsatzsteuerpflicht von Mitgliedsbeiträgen geäußert hatte, fehlte es an einer offiziellen Stellungnahme des BMF zu dieser Frage. Dies hat sich nun geändert: In den neuesten Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 hält das BMF an der Unterscheidung zwischen echten und unechten Mitgliedsbeiträgen fest.
Die Auffassung des EuGH
Nach der Entscheidung des EuGH vom 21.3.2002 (C-174/00-, BFH/NV Beilage 2002, 95 = UR 2002, 320) wurden in Verbandskreisen lebhaft die möglichen Konsequenzen für die deutsche Verbandsbesteuerung diskutiert. In der steuerlichen Fachliteratur wurde teilweise die Auffassung vertreten, das EuGH-Urteil mache die bisherige Unterscheidung in echte und unechte Beiträge obsolet und führe dazu, dass Vereinsbeiträge generell umsatzsteuerbar – und im Einzelfall gegebenenfalls umsatzsteuerbefreit – seien.
Der EuGH führte zu der entscheidenden Frage aus
„Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichts, dass Besteuerungsgrundlage einer Dienstleistung alles das ist, was als Gegenleistung für den geleisteten Dienst empfangen wird, und dass eine Dienstleistung nur dann steuerpflichtig ist, wenn zwischen dem geleisteten Dienst und der erhaltenen Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht … Eine Leistung ist somit nur dann steuerpflichtig, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung darstellt …
In dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren ändert, wie die Kommission vorträgt, der Umstand, dass der Jahresbeitrag ein Pauschalbeitrag ist und nicht jeder persönlichen Nutzung des Golfplatzes zugeordnet werden kann, nichts daran, dass zwischen den Mitgliedern eines Sportvereins … und dem Verein selbst gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.
Die Leistungen des Vereins bestehen nämlich darin, dass er seinen Mitgliedern dauerhaft Sportanlagen und damit verbundene Vorteile zur Verfügung stellt, und nicht darin, dass er auf verlangen seiner Mitglieder gezielte Leistungen erbringt. Somit besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Jahresbeiträgen der Mitglieder eines Sportvereins wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden und den von diesem Verein erbrachten Leistungen.“
Auswirkungen des EuGH-Urteils auf alle Verbände
Das EuGH-Urteil betrifft zunächst die Frage nach den Voraussetzungen für die USt-Befreiung von Mitgliedsbeiträgen zu Sportvereinen. Darüber hinaus ist aber das Urteil für alle Arten von Vereinen von Bedeutung, einschließlich gemeinnütziger oder mildtätiger Verbände und der Berufsverbände. Für alle diese Verbände sind die Ausführungen des EuGH zum Begriff des umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs von Bedeutung, speziell zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Mitgliedern gegen Entgelt (Art. 2 Nr. 1 der 6. EGRL).
Der EuGH bestätigt insoweit seine bisherige Rechtsprechung (Hinweis u.a. auf das Urteil Tolsma, C-16/93, Slg. 1994. I-743), derzufolge Umsatzsteuerbarkeit besteht, wenn zwischen dem geleisteten Dienst und der erhaltenen Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Voraussetzung für die Prüfung des unmittelbaren Zusammenhangs ist jedoch, dass einer der Beteiligten überhaupt eine Dienstleistung erbringt. Gerade die Erbringung einer Dienstleistung ist im Verhältnis eines Vereins zu seinen Mitgliedern der Anlass für die Umsatzsteuerbarkeit. Erhält das Mitglied seitens des Vereins keine Dienstleistung, so stellt sich die Frage nach der Umsatzsteuerbarkeit überhaupt nicht.
Die erste Frage bei der Besteuerung von Berufsverbänden oder gemeinnützigen Verbänden ist somit nach wie vor, ob und in welcher Form der Verband gegenüber seinen Mitgliedern eine Dienstleistung erbringt. Das EuGH-Urteil besagt nichts Gegenteiliges. Entgegen den teilweise anders lautenden Meinungsäußerungen im Schrifttum hat der EuGH im vorliegenden Urteil auch keineswegs die Auffassung vertreten, dass jedes Tätigwerden eines Vereins gegenüber seinen Mitgliedern zwangsläufig als Dienstleistung einzustufen wäre. Zu einer derart weit reichenden Aussage hatte der EuGH auch keinerlei Veranlassung. Im Streitfall ging es um die Nutzung des Golfplatzes, der gegen besonderes Eintrittsgeld auch von Dritten genutzt werden konnte. Diese Besonderheit des entschiedenen Falles legt nahe, dass die Überlassung des Golfplatzes als Dienstleistung anzusehen ist, gleichviel, ob der Spieler dem Club angehört oder nicht. Im Streitfall ging der EuGH daher zutreffend vom Vorliegen einer Dienstleistung aus.
Keineswegs kann aus dem Urteil hergeleitet werden, dass der EuGH im Verhältnis eines Vereins zu seinen Mitgliedern generell vom Vorliegen einer Dienstleistung ausgeht. Im Gegenteil ergibt sich aus der Formulierung seines Entscheidungsausspruchs, dass Mitgliedsbeiträge Gegenleistungen darstellen „können“, dass hier eine differenzierte Betrachtung notwendig ist. Der EuGH hat in der Sache darauf abgestellt, ob sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen. Dies ist auch das nach dem deutschen UStG maßgebliche Kriterium für einen Leistungsaustausch.
Die klassische deutsche Unterscheidung echte / unechte Mitgliedsbeiträge
Das deutsche Umsatzsteuerrecht hat die vorgenannte Abgrenzungsproblematik seit langem gesehen. Der BFH verneint einen Leistungsaustausch, soweit ein Verein die vereinnahmten Mitgliedsbeiträge lediglich zur Wahrnehmung der Gesamtbelange seiner Mitglieder verwendet (BFH BStBl 1962 III 260). Insoweit sind Vereine keine Unternehmer (BFH BStBl 1964 III 114 und BStBl 1965 III 682). Nur wenn ein Verein Leistungen erbringt, die den Sonderbelangen einzelner Mitglieder dienen und wenn der Verein hierfür Beiträge erhebt, liegt ein Leistungsaustausch vor (BFH BStBl 1986 II 153). Die Finanzverwaltung hatte sich noch in ihren amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien aus dem Jahr 2002 dieser Auffassung angeschlossen (Abschnitt 4 Abs. 1 und Abschnitt 22 Abs. 1 UStR 2000):
“Soweit eine Vereinigung zur Erfüllung ihrer den Gesamtbelangen sämtlicher Mitglieder dienenden satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecke tätig wird und dafür echte Mitgliedsbeiträge erhebt, die dazu bestimmt sind, ihr die Erfüllung dieser Aufgabe zu ermöglichen, fehlt es an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied”(so Abschnitt 4 Abs. 1 Satz 1 UStR 2000).
Die vorgenannte Entscheidung des EuGH enthält keine Aussage, die mit der ständigen BFH-Rechtsprechung und der Auffassung der Finanzverwaltung in Widerspruch steht und zur gänzlichen Aufgabe dieser Auffassung nötigt.
Die zum Teil im Schrifttum vertretene Auffassung, dass echte Mitgliedsbeiträge nunmehr auch bei Verbänden umsatzsteuerbar seien, übersieht, dass echte Mitgliedsbeiträge keinen Entgeltscharakter haben, weil ihnen kein auf ein Mitglied oder mehrere Mitglieder bezogenes, individuelles Leistungsangebot des Verbandes gegenübersteht. Maßgebend für die Umsatzsteuerbarkeit ist nach wie vor, ob ein Verein einem Mitglied eine bestimmte Leistung zuwendet (oder den Anspruch auf eine bestimmte Leistung einräumt) und dafür von diesem eine Gegenleistung erwartet bzw. erhält (vgl. BFH 1994 II 957; BFH BFH/NV 1993, 204; BFH BStBl 1986, 153).
In der Praxis zeigt sich, dass viele Verbände ihren Mitgliedern individuelle Vorteile erbringen oder zumindest anbieten. Es entspricht bereits der herkömmlichen umsatzsteuerlichen Beurteilung, dass hierin umsatzsteuerbare Leistungen des Verbandes zu sehen sind. Daraus darf aber nicht verallgemeinernd gefolgert werden, dass Mitgliedsbeiträge generell bei allen Verbänden umsatzsteuerbar seien. Es kommt vielmehr auf die konkrete Tätigkeit des einzelnen Verbandes an. So liegt bei einem Berufsverband, der seine Tätigkeit auf das klassische Lobbying beschränkt (z.B. Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorhaben, politische Kontaktpflege u.ä.), keine Tätigkeit vor, die als individuelle Leistung des Verbandes an seine Mitglieder anzusehen wäre. Es fehlt in solchen Fällen an einem konkreten Leistungsgegenstand. Eine Eingabe zu einem Gesetzentwurf ist keine Dienstleistung gegenüber den Verbandsmitgliedern, sondern eine nichtsteuerbare Wahrnehmung von Gesamtbelangen der Mitglieder. Das genannte EuGH-Urteil bietet daher keine Veranlassung, von dieser herkömmlichen Betrachtungsweise abzuweichen.
Leistungsaustausch auch ohne konkrete Inanspruchnahme der Leistung?
Auf den ersten Blick mag die Auffassung des EuGH überraschend erscheinen, dass ein umsatzsteuerbarer Mitgliedsbeitrag auch vorliegen kann, wenn ein Vereinsmitglied seinen Beitrag zahlt, ohne von der Möglichkeit des Golfspielens tatsächlich auch Gebrauch zu machen. Der EuGH hat aber nicht das tatsächliche Bespielen des Platzes als die maßgebliche Leistung angesehen, sondern die Leistung des Golfclubs bereits darin erblickt, seinen Mitgliedern dauerhaft Sportanlagen und die damit verbundenen Vorteile zur Verfügung zu stellen. Die Leistung liegt also in der Einräumung der Berechtigung, die Einrichtungen des Golfclubs zu nutzen. Diese Erwägung ist umsatzsteuerlich folgerichtig. Sie steht auch nicht im Gegensatz zum geltenden deutschen Umsatzsteuerrecht, sondern korrespondiert mit der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn auch nach der Rechtsprechung des BFH kommt es nicht darauf an, ob das einzelne Mitglied von dem Leistungsangebot des Vereins tatsächlich Gebrauch macht (BFH BStBl. 1974 II 530; BFH BFH/NV 2001, 940).
Bundesfinanzministerium: Bisherige Grundsätze auch weiterhin maßgebend
Die deutsche Finanzverwaltung hält denn auch in der neuesten Fassung der amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien unverändert an ihrer bisherigen Auffassung fest, dass „echte“ Mitgliedsbeiträge nicht der Umsatzsteuer unterliegen, weil es an einem Leistungsaustausch fehlt. Nur bei Leistungen, die den Sonderbelangen eines oder mehrerer Mitglieder dienen, kommt es zu einem umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch. Der einschlägige Abschnitt 4 der UStR 2000 wurde unverändert in die neuen UStR 2005 übernommen. Das gilt in gleicher Weise auch für den Abschnitt 22 der UStR, der sich zur Unternehmereigenschaft bei Vereinen äußert. Weder in Abschnitt 4 noch Abschnitt 22 der neuen UStR 2005 ist das eingangs dargestellte Urteil des EuGH auch nur erwähnt. Daraus ist zu folgern, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung die Interpretation der Rechtslage durch den EuGH mit dem bisherigen Rechtsverständnis der deutschen Finanzverwaltung und Rechtsprechung konform geht und daher kein Anpassungs- oder Änderungsbedarf besteht.
Folgerungen für die Praxis der Verbände
Nach alledem wäre es steuerlich nicht korrekt, wenn ein gemeinnütziger Verband oder Berufsverband ohne nähere Prüfung alle Mitgliedsbeitragsrechnungen mit USt-Ausweis ausstellt. Vielmehr ist es nach wie vor erforderlich, zwischen der Wahrnehmung allgemeiner satzungsmäßiger Gemeinschaftszwecke (nicht umsatzsteuerbar) und der Wahrnehmung individueller Sonderbelange (umsatzsteuerbar) zu unterscheiden. Nötigenfalls sind die Mitgliedsbeiträge auch weiterhin in „echte“ und „unechte“ Beitragsanteile aufzuteilen. Weist ein Verband Umsatzsteuer auch auf „echte“ Mitgliedsbeiträge aus, handelt es sich um einen unrichtigen Steuerausweis, so dass auch die unberechtigt ausgewiesene Steuer an das Finanzamt abgeführt werden muss (§ 14 c UStG). (WE)