Das nachfolgend auszugsweise wiedergegebene Urteil des Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, wenn eine Steuerberater-GmbH sowohl in der Steuerberaterkammer als auch in der IHK Pflichtmitglied sein muss (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Oktober 2004; 6 B 60/04)
Aus den Entscheidungsgründen
Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es zulässig sein kann, dass sie zwei Kammern, der Steuerberaterkammer und der Industrie- und Handelskammer, als Mitglied angehören und an zwei Kammern Beiträge entrichten muss, wobei auch zu entscheiden sei, ob die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer allein von der Eintragung in das Handelsregister und damit der Veranlagung zur Gewerbesteuer abhängt oder ob es zusätzlich darauf ankomme, ob das betreffende Unternehmen überhaupt gewerblich tätig werde oder werden könne.
Diese Frage kann, wenn sie trotz ihrer Bezugnahme auf die Situation der Klägerin noch als fallübergreifend verstanden wird, nach dem Gesetzeswortlaut und der bisher ergangenen Rechtsprechung beantwortet werden, ohne dass dazu ein Revisionsverfahren durchgeführt werden müsste.
Pflichtmitgliedschaft in Kammern ist verfassungskonform In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Urteil vom 21. Juli 1998 BVerwG 1 C 32.97 BVerwGE 107, 169 = GewArch 1998, 410). Es besteht kein Zweifel daran, dass die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, auch dann besteht, wenn der Kammerzugehörige auf anderer Rechtsgrundlage nach deren Maßstäben einer weiteren Kammer angehört.
Gesetz sieht auch Doppelmitgliedschaft vor
Das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 920), hier (Beitragsjahre 1996 und 1998) anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 23. November 1994 (BGBl I S. 3475) IHKG geht davon aus, dass eine Doppelmitgliedschaft zur Industrie- und Handelskammer und anderen Kammern bestehen kann, wie aus § 2 Abs. 2 IHKG folgt. Das wird bestätigt durch die Neufassung des Gesetzes durch das Gesetz vom 23. Juli 1998 (BGBl I S. 1887, 3158) und dessen Entstehungsgeschichte. § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG in der geänderten Fassung greift ausdrücklich den Umstand auf, dass Kammerzugehörige einer Kammer freier Berufe angehören. Diese Gesetzesfassung geht zurück auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft des deutschen Bundestages vom 11. Februar 1998 (BTDrucks 13/9975). Darin wird zur Begründung des vorgeschlagenen Gesetzes ausgeführt (S. 8 a.a.O.), dass beabsichtigt sei, „der IHK zugehörige Gewerbetreibende, die gleichzeitig einer oder mehreren Kammern der freien Berufe angehören, nur mit einem Teil ihres Gewerbeertrags/Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Kammerbeitrag heranzuziehen.“ In den weiteren Erwägungen wird ausdrücklich auf die „Freiberufler-GmbH“ eingegangen. Der Gesetzgeber hat damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgegangen ist, dass nach dem seinerzeitigen Recht eine Doppelmitgliedschaft bestehen kann. Dass gegen eine Doppelmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer sowie in der Steuerberaterkammer keine grundsätzlichen Bedenken bestehen können, folgt auch aus deren unterschiedlicher Aufgabenstellung. Während die Industrie- und Handelskammer nach § 1 IHKG die Aufgabe hat, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen, obliegt der Steuerberaterkammer nach Maßgabe des § 76 des Steuerberatungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1387), die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen. Die Steuerberaterkammer ist danach eine Berufsorganisation. Liegen die jeweiligen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Mitgliedschaft in beiden Kammern vor, so rechtfertigt die unterschiedliche Aufgabenstellung der Kammern auch vor Art. 2 Abs. 1 GG die Mitgliedschaft in beiden Organisationen.
Gilt das auch für Freiberufler?
Auch der Hinweis der Klägerin darauf, dass in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts offen gelassen und in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe unterschiedlich beurteilt worden ist, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ausschließlich Steuerberatung betreibt, Mitglied der Industrie- und Handelskammer sein kann (Urteil vom 25. Oktober 1977 BVerwG 1 C 35.73 BVerwGE 55, 1), kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Die Beantwortung dieser Frage wäre nicht entscheidungserheblich. Denn nach ihrem in den vom Berufungsgericht im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Gerichtsakten enthaltenen Gesellschaftsvertrag darf die Klägerin weitere Steuerberatungsgesellschaften errichten, bestehende erwerben oder sich an solchen beteiligen. Diese ihr offen stehende Betätigung ist keine steuerberatende. Ob der außerhalb der Steuerberatung im Sinne des § 2 Abs. 1 StBerG liegende Gegenstand des Unternehmens gewerblich ist, was die Klägerin unter Hinweis auf § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG in Zweifel zieht, oder nicht, ist ohne Bedeutung. Denn § 2 Abs. 1 IHKG knüpft die Mitgliedschaft nicht an eine gewerbliche Tätigkeit (Urteil vom 25. Oktober 1977, a.a.O. ). Die frühere gegenteilige Auffassung (Urteil vom 2. September 1963 BVerwG 1 C 20.63 BVerwGE 16, 295 ) ist ausdrücklich aufgegeben worden. Die möglicherweise missverständliche Bemerkung in dem Beschluss vom 6. Mai 1983 (BVerwG 5 B 51.81 GewArch 1983, 260), dass es sich bei dem der Entscheidung vom 25. Oktober 1977 zugrunde liegenden Fall nur um einen Ausnahmefall gehandelt habe, trägt den Beschluss nicht und ist hier überdies ohne Bedeutung, weil die Entscheidung vom 25. Oktober 1977 ebenfalls eine Steuerberatungsgesellschaft betraf, deren Unternehmensgegenstand sich auch auf Tätigkeiten erstreckte, die nicht Steuerberatung waren.
Damit ist die weitere Frage, ob die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer allein von der Eintragung in das Handelsregister und damit der Veranlagung zur Gewerbesteuer abhängt oder ob es zusätzlich darauf ankommt, dass das betroffene Unternehmen überhaupt gewerblich tätig wird, ebenfalls beantwortet. Dass sie zur Gewerbesteuer im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG veranlagt wird, zieht die Klägerin mit Recht nicht in Zweifel. Die Klägerin erfüllt nach ihrer Rechtsform die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gewerbesteuergesetzes. Als Kapitalgesellschaft gilt sie gemäß § 2 Abs. 2 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts. Für die Begründung der Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer kommt es allein auf die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht an (Beschluss vom 14. September 1998 BVerwG 1 B 69.98 GewArch 1999, 36 unter Hinweis auf Urteil vom 25. Oktober 1977, a.a.O. sowie Urteil vom 24. September 1965 BVerwG 7 C 52.62 BVerwGE 22, 58). Das lässt sich § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG entnehmen. Diese Bestimmung beweist, dass die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages nur Bedeutung für die Höhe des Beitrags, nicht aber für die Frage der Kammerzugehörigkeit hat.
Erneut bestätigt wird dies durch die Ergänzung, die § 3 Abs. 3 IHKG durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 23. Juli 1998 (BGBl I S. 1887) Einzug gefunden hat; danach sind nicht in das Handelsregister eingetragene Kammerzugehörige, deren Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, deren nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb bestimmte Grenzen nicht überschreitet, vom Beitrag freigestellt. Der Gesetzgeber geht also nach wie vor davon aus, dass die Kammerzugehörigkeit nicht von der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages abhängt. (HM)