Verbändereport AUSGABE 7 / 2012

Digitale Verbandskommunikation mit System

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Auch bei Social Media stellt sich für Verbände nicht primär die Frage nach einer Facebook-Seite, einem Tweet, YouTube-Kanal oder Google+ Profil. Entscheidend ist vielmehr, wie man die 
Aktivitäten in externen sozialen Netzen zusammen mit den verbandsinternen verbinden, 
verarbeiten und für eine zielgerichtete Informations-, Kommunikations- und Netzwerkarbeit nutzen kann.

Business Intelligence

Im Jahr 1958 etablierte der deutsche Informatiker Hans Peter Luhn in einem IBM-Journal den Begriff „Business Intelligence“. In der Wirtschaft versteht man darunter „Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse (Sammlung, Auswertung und Darstellung) von Daten in elektronischer Form. Ziel ist die Gewinnung von Erkenntnissen, die in Hinsicht auf die Unternehmensziele bessere operative oder strategische Entscheidungen ermöglichen “ (Wikipedia).
Übertragen auf Social Media und Verbände bedeutet das die systematische, organisatorisch und technisch unterstützte Sammlung, Auswertung, Darstellung und Verwertung von Daten zur Kommunikation von und mit Meinungsführern, Experten, Medien, Politik, Öffentlichkeit, sowie aktuellen und potenziellen Mitgliedern.

Definition der Ziele

Bevor Verbände in den digitalen Medien aktiv werden, ist es demnach auf jeden Fall ratsam, die im Netz kursierende Kommunikation über den eigenen Verband, konkurrierende Organisationen und die verbandsrelevanten Themen für das Management verwertbar darzustellen. Entscheidend ist dann die strategische und technische Verwertung der Analyse im Hinblick auf eine effektive Kommunikations- und Informationsarbeit. Bestandteil der Strategie sind u. a. die Definition zunächst genereller Ziele, etwa der verstärkten Präsenz im Netz zu einem bestimmten Thema, die dann in bewert- oder messbare Ziele konkretisiert werden. Ein quantifizierbares Ziel könnte etwa lauten, dass über einen thematischen Tweet mehr Besucher als bisher auf die Verbandswebsite geleitet werden sollen, um dort die Verbandsexpertisen und Positionen zu diesem Thema nachzulesen. Auf Basis solcher Vorgaben kann dann eine Umsetzung konkreter Maßnahmen in den dafür am besten geeigneten Kanälen geplant werden.
Das durchaus verbreitete Vorgehen nach dem Prinzip „trial and error“ wird im Sinne einer Social Media Intelligence von den Füßen auf den Kopf gestellt. Ein Vorgehensmodell wäre folgendes:

  • Analyse und Auswertung der außerhalb des eigenen Verbandes im Netz kursierenden Kommunikation und der Meinungsführer
  • Entwicklung einer medienübergreifenden Informations- und Kommunikationsstrategie unter elementarer Einbeziehung von Social Media für alle relevanten Zielgruppen inklusive bewertbarer Zielvorgaben
  • Entwicklung von konzertierten (!) Maßnahmen auf Basis der Auswertungen und Strategie
  • Bewertung der Maßnahmen anhand der Zielvorgaben und ggf. Nachsteuerung
  • Das bedeutet im Zeitalter der digitalen Medien auch ein effizientes Multichannel-Management und ein zeitnaher und angemessener Umgang mit Anfragen oder Rückmeldungen.

Praxis (in Verbänden)

Die meisten Verbände beschäftigen sich mit dem Thema Social Media, weil sie berechtigte Bedenken haben, sonst den Anschluss an eine nicht aufzuhaltende Entwicklung zu verlieren. Aus diesem Gefühl heraus versuchen viele, die auf den bekanntesten Plattformen Twitter, YouTube, Facebook oder auch Google+ nach außen sichtbare Lücke zu schließen, indem sie sich dort so schnell und mit so wenig Aufwand wie möglich präsent zeigen. Zudem wissen sie, dass sie dort hingehen müssen, wo sich ihre Zielgruppen bewegen.

Nur sind es leider häufig strategisch und konzeptionell nicht ausgereifte Aktivitäten, mit denen sie sich der kritischen Web-Öffentlichkeit zeigen. Das Ergebnis ist, dass viele dieser Auftritte veraltet, verwaist und schlecht besucht sind oder „bestenfalls“ kritische Kommentare erzeugen.

Auch bei der Erstellung einfacher Präsenzen fällt vielen eine konkrete Beantwortung der Frage schwer, welche Ziele sie mit ihrem Auftritt verbinden, wie diese organisatorisch und technisch gestützt werden und wohin die Entwicklung gehen soll. Das Hinterherrennen hinter immer neuen Plattformen führt deshalb auch zu immer mehr verwaisten, nicht mehr gepflegten Auftritten im Internet, weil kaum ein Verband die parallele Pflege Dutzender Kommunikationskanäle gewährleisten kann. Es grenzt beinahe an Ironie, dass viele der sich so darstellenden Verbände von Glück sagen können, dass über ihre Social-Media-Kanäle nicht mehr Anfragen und Rückmeldungen bekommen, weil sie gar nicht darauf eingestellt wären, diese angemessen und zeitnah zu bearbeiten!

Als Beispiel mag ein nicht genannter Berufsverband gelten, der große Probleme hatte, die Vielzahl von Rückmeldungen – einige negativ –, die eine sehr gut besuchte YouTube-Kampagne ausgelöst hatte, zu bewältigen. Das Problem wurde „zu seinem Glück“ dadurch gelöst, dass Youtube das Video wegen ungeklärter Gema-Rechte vom Netz nahm. Auf der im Januar gemeinsam vom Institut für Verbandsmanagement und Xpoint0 durchgeführten Konferenz „Moderne Verbandsarbeit und Social Media“ hat sich klar gezeigt, dass bei Verbänden, die bereits aktiv in Social Media sind, ein großer Bedarf an verwertbaren Analysen und Auswertungen zum Kommunikationsumfeld und den Effekten ihrer Maßnahmen besteht.

Die kontinuierliche und aufeinander abgestimmte Erstellung und Veröffentlichung von Inhalten in all den äußerst dynamischen Kanälen will gezielt geplant und effizient wie effektiv umgesetzt werden. Positive Beispiele sind etwa die Facebook-Analysen und Maßnahmen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall als Reaktion auf Kampagnen der ungleich personalstärkeren IG Metall. Gleiches gilt für  die medienübergreifenden Kampagnen  des BUND, in der Social Media integraler Bestandteil einer Gesamtstrategie sind.

Mit integrierten Tools läßt sich auch ein fortlaufendes Monitoring der für den Verband relevanten Inhalte, die auf externen Online-Plattformen kursieren, realisieren. Über solch ein Monitoring läßt sich z. B. herausfinden, wer meinungsbildend ist, welche Themen, wie diskutiert werden und wie die Kommunikationsbeziehungen Externer untereinander zum Verband sind. Auch kann mit integrierten Tools eine zeitnahe, adäquate Reaktion über unterschiedliche Kanäle gesteuert werden. Eine zentrale Bedeutung nehmen dabei medienübergreifende Content-Management-Systeme und erweiterte CRM-Systeme ein. Die Überwachung all dieser Medien ist nicht nur mit Personal zu bewältigen, sondern bedarf auch moderner, integrierter IT-Lösungen.

Lösungen

Mit Medien übergreifenden Content-Management-Systemen läßt sich die Erstellung, Abnahme und Publikation von Inhalten, die für mehrere Kanäle aufbereitet werden sollen, erheblich vereinfachen. Die Redakteure werden so von der Produktion und organisatorischen Tätigkeiten entlastet und können in kürzerer Zeit mehr zu einer zielgerichteten Kommunikation beitragen.

Hier soll der Fokus jedoch auf Systeme gesetzt werden, die unter dem Label Extended CRM oder Social CRM seit etwa zwei Jahren auf dem Markt zu finden sind. Klassischer Weise steht CRM für „Customer Relationship Management“ und wird seit den neunziger Jahren in der Wirtschaft für das Management jeglicher Aspekte der Kundenbeziehung eingesetzt, sei es Kommunikation oder Geschäftsbeziehung. Mittlerweile haben sie sich zu den wichtigsten Systemen für die Kommunikationssteuerung entwickelt und werden in den letzten Jahren verstärkt auch von Non Profit Organisationen eingesetzt.

Die wachsende Verschiebung des Kundenbeziehungsmanagements in die neuen Kommunikationskanäle ist einer der größten Trends. Im Unterschied zu vielen, nicht selten auch frei verfügbaren Tools, wie z.B. twittercrawl und topsy für Twitter oder quirk für facebook, sind Social CRM Systeme nicht auf eine einzelne Social Media Platform und einen begrenzten Nutzungszeitraum oder Datenbestand beschränkt.

Für Verbände geht es vor allem um:

  • das Aufzeigen und Verfolgen von Trends und Themen
  • die Identifikation und Profilierung von Meinungsmachern
  • die Erfolgsmessung von Kampagnen
  • die Erstellung von Social-Media-Auswertungen für strategische oder Business Reviews


Benötigt wird ein Cockpit, in dem alle für die Steuerung wichtigen Informationen zusammengeführt werden. Solch eine Kommunikations-Steuerzentrale ist am besten in CRM-Systemen aufgehoben, da dort alle Kontakte, Organisationen und Kommunikationsbeziehungen  zusammenlaufen. Für CRM-Systeme gibt es demzufolge auch entsprechende Erweiterungen (deshalb auch Extended oder Social CRM), wenn sie nicht schon zentraler Bestandteil sind, wie bei vielen neueren Versionen.

Aktuelle (Social-)CRM-Systeme bieten häufig die Möglichkeit, zusätzlich zu den standardmäßig an den Kontakten gespeicherten Profil- und Kommunikationsdaten auch deren Aktivitäten auf Facebook oder Twitter automatisch mit einzulesen (sog. Listener). Vielfach kann sogar direkt aus dem System heraus auf die Beiträge reagiert werden, indem dort Tweets oder Facebook-Nachrichten gezielt zurück gesendet werden (s. Abb. 2). So verlässt die gemäß internen Prozessen oder Guideline erstellte Antwort den Verband und wird wieder in die Online-Community eingebracht, womit der Kreislauf von Neuem beginnt.

Da sich mit diesen Systemen auch andere Kommunikationskanäle wie Mail, Post, Telefon direkt bedienen lassen, kann die Antwort auch über einen anderen Kanal erfolgen – etwa wenn sie gesichert privat an den jeweiligen Kontakt gehen soll. Zudem lassen sich Workflows einrichten, welche die Mitarbeiter automatisch über neue Beiträge von bestimmten Personen zu bestimmten Themen/Schlagworten benachrichtigen. So lässt sich eine zeitnahe, gezielte und dialogische Kommunikation über mehrere Kanäle von einem Tool aus organisieren.

Zusammenfassend gilt: „Social Media ergänzt die klassische Kundenbeziehung des CRM um eine reichhaltige Informationsbasis aus Kommunikationsströmen zwischen den Zielkontakten“.1 Die Einbeziehung von Social Media in die Verbandskommunikation bedeutet keine Abkehr von bestehenden Systemen und Hinwendung zu  neuen, sondern vielmehr eine integrierte Ergänzung.

Nur eine digitale Kommunikation mit System und geeigneten Systemen ermöglicht es Verbänden, nachhaltig effektiv im Web aufzutreten. Für Verbände, die ihre Kommunikation selbst in der Hand haben wollen, ist dabei ein geeignetes, auf die spezifischen Bedürfnisse des Verbandes anpassbares CRM-System ein unverzichtbares Werkzeug.      
   
1.) Greve, G. (2001), Social CRM – ganzheitliches Beziehungsmanagement mit Social Media, in: Marketing Review  St. Gallen, Heft 2011/05, S. 17

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Autor/in

Thomas Klauß

ist Geschäftsführer der Netzwerkorganisation Xpoint0 – Moderner Verband, die strategische Beratung, Lösungssuche, -Entwicklung, Projekt- & Changemanagement für die digitale Transformation der Verbandsarbeit anbietet. Er ist Autor des Ende 2014 im Springer-Fachmedienverlag erschienenen, ersten umfassenden Praxisbuchs zur digitalen Verbandstransformation.

http://verband.xpoint0.de

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